KOF Globalisierungsindex: Die Niederlande lösen die Schweiz als das am meisten globalisierte Land der Welt ab

Internationale Handelskonflikte haben zu einem leichten Rückgang der Globalisierung im Jahr 2019 geführt. Die am stärksten globalisierten Länder der Welt bleiben die Schweiz, die Niederlande und Belgien, wobei die Niederlande die Schweiz als Spitzenreiterin ablösen. Im derzeitigen KOF Globalisierungsindex sind die Auswirkungen der Corona-Krise noch nicht enthalten.

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Im Jahr 2019 verzeichnete die ökonomische Globalisierung einen leichten Rückgang. Als entscheidender Einflussfaktor wirkte der Handelsstreit zwischen China und den USA. In den Vereinigten Staaten hat er zu höheren Kosten für die Hersteller, höheren Preisen für die Verbraucher und finanziellen Schwierigkeiten für die Landwirte geführt. In China trug der Handelsstreit zu einer Verlangsamung des Wachstums der Wirtschafts- und Industrieproduktion bei, die bereits vorher rückläufig war. Damit haben sich insbesondere die Rahmenbedingungen für die Globalisierung des Welthandels verschlechtert.

Auch die Verhandlungen über den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs im Jahr 2019 (vollzogen im Januar 2020) dürften sich auf die ökonomische Globalisierung nachteilig bemerkbar gemacht haben. Die vollen Auswirkungen des Brexits sollten in der nächsten Version des Index für 2020 stärker zu erkennen sein. Die Globalisierung wird durch die Zunahme der internationalen finanziellen Verflechtung allerdings gestützt. Die Entwicklung der Auslandsverschuldung der Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen sowie der ausländischen Direktinvestitionen blieb im Vergleich zum Vorjahr ähnlich. Der synchrone Abschwung der Weltwirtschaft führt daher zu einem höheren Anteil dieser am Bruttoinlandsprodukt.

Die soziale Globalisierung hat etwas abgenommen. Vor allem der Grad der interpersonellen Globalisierung, d.h. der Grad der grenzüberschreitenden persönlichen Kontakte, ist gesunken. Der Grad der politischen Globalisierung war etwas höher als im Vorjahr. So stieg die Anzahl der Botschaften und NGOs zuletzt.

Länderbetrachtung

Die am stärksten globalisierten Länder der Welt sind nach wie vor das Trio Schweiz, Niederlande und Belgien. Anders als in den letzten beiden Jahren sind die Niederlande in diesem Jahr Spitzenreiter und lösen die Schweiz auf dieser Position ab. In den letzten Jahren waren die Unterschiede zwischen den drei führenden Ländern nur sehr gering. Alle drei Länder haben hohe Aussenhandelsquoten und starke Finanzsektoren. Politisch spielen die drei Länder eine bedeutende Rolle und sind daher ein Fixpunkt für viele internationale Nicht-Regierungsorganisationen und Institutionen. Die Niederlande zeichnen sich besonders durch einen sehr hohen Grad an wirtschaftlicher Globalisierung aus. Das liegt einerseits an ihrer Rolle im Warenverkehr über die Häfen von Rotterdam, wo die meisten Waren in Europa verschifft werden. Andererseits sind die Niederlande, wie auch die Schweiz, finanziell attraktive Standorte für Unternehmen und den Finanzsektor. Auch der Brexit dürfte den Niederlanden positive Impulse gegeben haben, zu Lasten des Vereinigten Königreichs.

Zukunftsausblick

Da die Indexdaten nur bis ins Jahr 2019 reichen, ist der Einfluss durch die 2020 aufgekommene Corona-Krise noch nicht im aktuellen KOF Globalisierungsindex enthalten. Tendenziell rechnet die KOF aber mit einem Rückgang des internationalen Handels während der Corona-Krise. «Vor allem für das Coronajahr 2020 gehen wir von einer Delle aus. Auch während der Finanzkrise haben wir einen Handelsrückgang beobachtet. Die entscheidende Frage ist, was danach passiert», sagte KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm.

Methodik

Der KOF Globalisierungsindex misst die wirtschaftliche, soziale und politische Dimension der Globalisierung. Er dient der Beobachtung von Veränderungen des Grads der Globalisierung von Ländern über einen langen Zeitraum. Der aktuelle KOF Globalisierungsindex liegt für 195 Länder und den Zeitraum 1970 bis 2019 vor. Im Index wird zwischen der de facto und der de jure Globalisierung im Gesamtindex sowie in der ökonomischen, sozialen und politischen Komponente unterschieden. Der Index misst die Globalisierung auf einer Skala von 1 bis 100. Die Werte der zugrundeliegenden Variablen werden in Perzentile unterteilt. Es werden 42 unterschiedliche Variablen verwendet, die anhand statistisch ermittelter Gewichte (Hauptkomponentenanalyse) aggregiert werden.

Der Teilbereich der ökonomischen Globalisierung enthält einerseits den Bereich Handelsflüsse und andererseits Finanzflüsse. Die de facto Handelsglobalisierung wird anhand des Güter- und Dienstleistungshandels ermittelt. Die de jure Handelsglobalisierung beinhaltet Zölle, Steuern und Handelsbeschränkungen. Die de facto finanzielle Globalisierung umfasst Auslandsinvestitionen in verschiedenen Kategorien. Die de jure finanzielle Globalisierung beinhaltet Investitionsbeschränkungen, die Offenheit der Kapitalbilanz sowie internationale Investitionsabkommen.

Der Teilbereich der sozialen Globalisierung enthält die Bereiche persönliche Kontakte, Informationsflüsse und kulturelle Globalisierung. Für jeden Bereich wird wiederum zwischen de facto und de jure unterschieden. Persönliche Kontakte werden im de-facto-Bereich anhand von internationalen Telefonverbindungen, Tourismusströmen und Migration gemessen, im de-jure-Bereich anhand von Telefonabonnementen, internationalen Flughäfen und Visarestriktionen. De facto Informationsflüsse werden anhand von internationalen Patentanmeldungen, internationalen Studierenden und Hochtechnologiehandel ermittelt. Im de-jure-Bereich werden der Zugang zu TV und Internet, die Pressefreiheit und die internationalen Internetverbindungen gemessen. De facto kulturelle Globalisierung besteht aus Handel mit Kulturgütern, Registrationen internationaler Markenrechte sowie der Zahl der McDonalds-Restaurants und IKEA-Läden. Der de-jure-Bereich wird anhand von Bürgerrechten, Geschlechtergleichheit und Bildungsstand gemessen.

Der Teilbereich der de facto politischen Globalisierung wird anhand der Zahl von Botschaften, internationalen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) und der Teilnahme in UN-Friedensmissionen ermittelt. Der de-jure-Bereich beinhaltet Variablen zur Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und internationalen Verträgen.

Kontakt

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