KOF-NZZ Ökonomenumfrage: Wirtschaftsforscher tendieren dazu, Kapitaleinkommen höher als Erwerbseinkommen besteuern zu wollen

Die KOF hat im August gemeinsam mit der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) Ökonominnen und Ökonomen an Schweizer Hochschulen zu der 99%-Initiative und damit verbunden der Einkommens- und Vermögensungleichheit befragt. 45% der Forschenden befürworten demnach eine höhere Besteuerung der Kapitaleinkommen, 40% gleich hohe Steuersätze und 15% eine höhere Besteuerung der Arbeitseinkommen.

Ökonomenumfrage
Im Kontext der 99-Prozent-Initiative und der Corona-Krise wurde in den vergangenen Monaten die ökonomische Ungleichheit in der Öffentlichkeit verstärkt thematisiert.

Am 26. September 2021 wird das Schweizer Stimmvolk über die Volksinitiative "Löhne entlasten, Kapital gerecht besteuern" (inoffiziell "99%-Initiative") abstimmen. Die 99%-Initiative will die soziale Gerechtigkeit erhöhen, indem Kapitaleinkommen (z.B. Zinsen und Dividenden) über einem bestimmten Freibetrag 1.5-mal so stark wie Arbeitseinkommen besteuert werden. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen sollen zur Senkung der Einkommenssteuern für Menschen mit niedrigen bis mittleren Arbeitseinkommen und zur Finanzierung von Ausgaben für die soziale Wohlfahrt, Bildung und Gesundheit verwendet werden. Die Wirtschaftswissenschaftler wurden gefragt, ob aus ökonomischer Sicht Kapital- oder Arbeitseinkommen höher besteuert werden soll. 45% vertreten die Meinung, dass Kapitaleinkommen (leicht) höher besteuert werden soll. 40% befürworten hingegen einen gleich hohen Steuersatz und 15% eine (leicht) höhere Besteuerung der Löhne.

Erbschafts- und Schenkungssteuer und Bildungswesen am besten geeignet, um Ungleichheit abzubauen

Doch ist die Besteuerung von Kapitaleinkommen ein zentrales Instrument, um eine zu hohe Ungleichheit zu reduzieren oder sind andere ¬steuerpolitische Instrumente besser geeignet? Die befragten Ökonominnen und Ökonomen sehen die Erbschafts- und Schenkungssteuer als das wirksamste steuerpolitische Instrument an. Am zweit- und dritthäufigsten genannt wurden die Vermögens- und Kapitaleinkommenssteuern. Weniger zur Debatte stehen dagegen die Unternehmenssteuern, Steuern auf Erwerbseinkommen und Mehrwertsteuern.

Bezüglich der nicht-steuerpolitischen Instrumente sind sich die Wirtschaftswissenschaftler relativ einig: Die Sicherung von Bildungschancen wird als primäres Instrument zur Verringerung der Ungleichheit angesehen. Auch die Subventionierung von Betreuungsaufwendungen, die Einführung von einem Mindestlohn und die Subventionierung von Gesundheitsleistungen stellen geeignete nicht-steuerpolitischen Instrumente dar. Als unwesentlicher gelten gemäss den befragten Volkswirtinnen und Volkswirte dagegen der Ausbau der Sozialleistungen wie auch geldpolitische Instrumente.

Die Umfrageteilnehmenden gaben zudem an, welcher Art der Instrumente ein höheres Gewicht gegeben werden soll, um eine zu hohe Ungleichheit zu reduzieren. 39% der Ökonominnen und Ökonomen sprechen sich für eine gleiche Gewichtung der beiden Instrumente aus. Bei der Wahl zwischen den beiden Instrumentarten wird eine höhere Gewichtung von steuerpolitischen (32%) im Gegensatz zu nicht-steuerpolitischen Instrumenten (23%) bevorzugt. Die Restlichen würden keines der Instrumente verwenden.

Corona-Krise verschärft Einkommensungleichheit

Im Kontext der Initiative und der Corona-Krise wurde in den vergangenen Monaten die ökonomische Ungleichheit in der Öffentlichkeit verstärkt thematisiert. Nicht ganz drei Viertel der Forschenden gaben in der Ökonomenumfrage die Einschätzung ab, dass die Ungleichheit der verfügbaren Einkommen in der Schweiz durch die Corona-Krise bis zum heutigen Zeitpunkt (stark) gestiegen ist. Mehr als die Hälfte befürchtet auch langfristig eine höhere Ungleichheit. Immerhin 39% der Umfrageteilnehmenden sind der Überzeugung, dass die Pandemie langfristig keinen Einfluss auf die Einkommensverteilung haben wird.

Gemäss den Umfrageresultaten ist die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass das gegenwärtige Niveau der Vermögensungleichheit in der Schweiz die langfristige wirtschaftliche Entwicklung (eher) hemmt und 16%, dass dies (eher) Wachstum fördernd ist. Die momentane Einkommensungleichheit sieht ein kleinerer Anteil (40%) als (eher) wachstumshemmend an. 26% der Wirtschaftswissenschaftler erachten die Einkommensungleichheit als wachstumsfördernd. Die Übrigen gehen von keinem Effekt aus.
 

Die KOF-NZZ Ökonomenumfrage behandelt für die Schweiz wirtschaftspolitisch relevante Themen und ist ein Instrument, um die Ansichten der akademisch forschenden Ökonomen und Ökonominnen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Medienpartner der KOF bei der Erstellung und Interpretation der Ökonomenumfrage ist die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Im August führte die KOF gemeinsam mit der NZZ eine Umfrage zu der 99%-Initiative und damit verbunden der Einkommens- und Vermögensungleichheit in der Schweiz durch. 824 Ökonomen und Ökonominnen wurden angeschrieben. Es gingen Antworten von 142 Ökonomen und Ökonominnen aus 18 Institutionen ein.

Weitere Informationen zur Ökonomenumfrage und eine grafische Darstellung der Ergebnisse finden Sie hier.

DownloadHier (PDF, 85 KB) finden Sie die Medienmitteilung im PDF-Format.

Den Artikel der NZZ über die KOF-NZZ Ökonomenumfrage finden Sie externe Seitehier.

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