KOF Konjunkturprognose: Die Schweiz am Rande einer Coronavirus-Rezession

Die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie stellt die Wirtschaft vor grosse Herausforderungen. Prognosen unterliegen sehr grosser Unsicherheit. Die KOF präsentiert deshalb drei Szenarien für die mögliche Konjunkturentwicklung. Gemäss dem Basisszenario fällt die Schweizer Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte 2020 in eine Rezession, erholt sich danach aber langsam wieder. Im milden Szenario lassen die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen rascher nach, im Negativszenario sind sie deutlich ausgeprägter.

Konjunkturprognosen unterliegen derzeit einer ungewöhnlich hohen Unsicherheit. Jeden Tag werden neue Massnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie angekündigt. Über die aktuelle und künftige Ausbreitung des Virus sowie staatliche Gegenmassnahmen und ihren Einfluss auf die Wirtschaft herrscht Unklarheit. Zudem ist die Krise noch kaum in den gesamtwirtschaftlichen Daten angekommen, welche in die üblichen Prognosemodelle einfliessen.

Statt einer gewöhnlichen Konjunkturprognose präsentiert die KOF deshalb drei Szenarien, welche die möglichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die konjunkturelle Lage der Schweiz skizzieren: ein Basis-, ein mildes sowie ein negatives Szenario. Die Szenarien unterscheiden sich in ihren Annahmen und im Resultat dahingehend, wie lange und tiefgreifend sich die Pandemie auf die Konjunktur auswirkt (weitere Informationen dazu finden sich in der ausführlichen Prognose (DownloadBericht (PDF, 274 KB)).

Basisszenario: Rückläufiges BIP im ersten und zweiten Quartal 2020

Das Basisszenario stellt die aus Sicht der KOF derzeit wahrscheinlichste Entwicklung der Konjunktur dar. Es geht davon aus, dass die Coronavirus-Pandemie das wirtschaftliche Leben in den nächsten zwölf Monaten deutlich beeinträchtigen wird. Vor allem in den nächsten beiden Quartalen kommt es in diesem Szenario zu starken Rückgängen beim privaten Konsum und zu einer verbreiteten Investitionszurückhaltung auf Firmenseite. Veranstaltungen fallen für längere Zeit aus, Schul- und Grenzschliessungen beeinträchtigen die Produktion. Allerdings führen die ergriffenen Gegenmassnahmen im Sommer 2020 dazu, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abgemildert werden.

Gemäss dem Basisszenario fällt die Schweiz in der ersten Jahreshälfte 2020 in eine Rezession, die Wertschöpfung ist im ersten und zweiten Quartal 2020 rückläufig. Betroffen davon sind praktisch alle Branchen, wegen des Rückgangs des Welthandels insbesondere auch die exportorientierten Branchen. Eine gewichtige Ausnahme bildet das Gesundheitswesen, welches deutlich expandiert und die Entwicklung des Bruttoinlandprodukts (BIP) stützt. Der Einbruch der Wirtschaftsleistung trifft mit etwas Verzögerung auch den Arbeitsmarkt. Die Kurzarbeit sowie weitere Massnahmen des Bundes und der Kantone verhindern jedoch, dass es zu einer Entlassungswelle kommt, die Arbeitslosigkeit steigt nur leicht. Im dritten und vierten Quartal 2020 wächst das BIP dank Nachholeffekten wieder. Insgesamt ist die Rezession in diesem Szenario also scharf, aber auf wenige Quartale konzentriert. Da die Produktionsausfälle nicht vollständig nachgeholt werden können, liegt das BIP im Niveau allerdings mittelfristig tiefer als ohne Ausbruch der Pandemie.

Im Basisszenario resultiert für die Schweiz ein BIP-Wachstum von 0.3% im Jahr 2020 und 1.4% im Jahr 2021.

Mildes Szenario: Beeinträchtigungen beschränken sich auf das zweite Quartal 2020

Im milden Szenario klingen die ökonomischen Beeinträchtigungen durch die Coronavirus-Pandemie rasch ab. Die Behinderungen für die Schweizer Wirtschaft beschränken sich hauptsächlich auf das zweite Quartal 2020. Im dritten Quartal wird der Grossteil der ausgefallenen Produktion nachgeholt. Die Beschäftigungsentwicklung erlebt eine kleine Delle, erholt sich danach allerdings schnell und kehrt auf den Wachstumspfad vor der Pandemie zurück. Trotzdem ist auch im milden Szenario mit gewissen längerfristigen Auswirkungen auf das Schweizer BIP zu rechnen. Dies, da Länder mit einem weniger leistungsfähigen Gesundheitswesen, geringerer ökonomischer Resilienz oder weniger Spielraum bei den Staatsfinanzen stärker unter der Pandemie leiden, was den Welthandel bremst.

Im milden Szenario resultiert für die Schweiz ein BIP-Wachstum von 1.2% im Jahr 2020 und 0.9% im Jahr 2021 (inkl. Sportveranstaltungen). Ohne Sportveranstaltungen liegt das BIP-Wachstum bei 0.8% (2020) und 1.3% (2021).

Negatives Szenario: BIP erholt sich in der zweiten Jahreshälfte nicht

Im negativen Szenario sind die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Schweizer Wirtschaft bedeutend ausgeprägter. Die Wirtschaftsleistung bricht im ersten Halbjahr 2020 ein. Wegen wirtschaftlicher Unsicherheit, steigender Haushaltsverschuldung, anhaltenden Lieferschwierigkeiten, verbreiteten Liquiditätsengpässen und des stärkeren Frankens erholt sich das BIP in der zweiten Jahreshälfte nicht, sondern schrumpft auch im dritten und vierten Quartal 2020. Die Schieflage der Staatsfinanzen in einigen Ländern und Liquiditätsengpässe bei einzelnen Geschäftsbanken belasten die Kreditvergabe und senken das Produktionspotenzial der betroffenen Länder, was den finanzpolitischen Spielraum wichtiger Handelspartner der Schweiz zusätzlich einschränkt.

Im negativen Szenario schrumpft das schweizerische BIP im Jahr 2020 um -2.3% im Vergleich zum Vorjahr. 2021 resultiert dann wieder ein BIP-Wachstum von 1.3%.

Wirtschaftspolitische Empfehlungen

Klare, zielgerichtete und schnell wirksame Massnahmen können das Risiko senken, dass die Unternehmen ihre mittelfristigen Erwartungen sowie Investitions- und Beschäftigungspläne stark nach unten anpassen. Das bewährte Instrument der Kurzarbeit sollte hier sicherlich im Vordergrund stehen. Es greift allerdings nicht für Selbständige sowie Firmen mit hohen Fixkosten und tiefer Lohnquote. Vorübergehende Steuerstundungen oder unkomplizierte staatliche Garantien für Bankkredite an Unternehmen im Umfang ihrer Umsatzrückgänge sind daher wichtige zusätzliche Instrumente. Auch Massnahmen für eine Lohnfortzahlung von Selbständigen und Temporärbeschäftigten, die nicht unter das Kurzarbeits-Reglement fallen, sowie von Eltern, die aufgrund von Schulschliessungen zuhause bleiben müssen, sind angezeigt.

Einen ausführlichen Bericht zu den Konjunkturszenarien mit Tabellen und Grafiken finden Sie Downloadhier (PDF, 274 KB).

Einen Überblick über bisherige Publikationen der KOF zum Coronavirus sowie aktuelle Zahlen und Daten finden Sie hier.

Pressekonferenz

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