Die Erholung der Weltwirtschaft ist in vollem Gange

Nachdem die Pandemie in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften derzeit weitgehend unter Kontrolle ist, zieht auch die wirtschaftliche Dynamik wieder weltweit an. Vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika werden dank massiver staatlicher Impulse ihrem Ruf als Lokomotive der Weltwirtschaft gerecht. Allerdings wächst die Gefahr, dass die US-Wirtschaft mittelfristig überhitzt.

In Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika sind die Infektionszahlen im Herbst 2020 erneut angestiegen (siehe G 7). Während die Vereinigten Staaten nur schwache Restriktionen auferlegten, sahen sich viele europäische Länder im Winter 2020/21 dazu gezwungen, wieder striktere Massnahmen durchzusetzen. Diese erwiesen sich jedoch als weitaus weniger restriktiv für die Wirtschaftstätigkeit als noch während der ersten Welle. Die Massnahmen beschränkten sich vor allem auf die Schliessung bzw. Beschränkung von kontaktnahen Dienstleistungen und die Einführung von Ausgangssperren, internationalen Reisebeschränkungen und strengeren «Social Distancing»-Vorgaben. Hierunter litt insbesondere der private Konsum. Stark betroffen waren davon die Branchen Transport, Gastgewerbe und Beherbergung, Handel sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung. Das Verarbeitende Gewerbe sowie der Bausektor blieben dagegen weitestgehend verschont. Im Laufe des Frühjahrs wurde die Pandemie sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten wieder unter Kontrolle gebracht. Während sich in den Vereinigten Staaten das öffentliche Leben schnell wieder normalisierte, zogen sich in Europa viele der Einschränkungen noch über das Frühjahr hinweg. Insgesamt expandierte die Weltwirtschaft aus Schweizer Sicht im ersten Quartal 2021 lediglich um 1.7%, nach 3.2% im vierten Quartal 2020. Dabei entwickelten sich die einzelnen Weltregionen heterogen. So war die gesamtwirtschaftliche Produktion im Euroraum im ersten Quartal aufgrund von restriktiven Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit –1.3% erneut rückläufig. Das Vereinigte Königreich wurde zusätzlich durch die Auswirkungen des Brexits nach Ende der Übergangsphase betroffen, wodurch die Wertschöpfung um fast 6% einbrach. In den Vereinigten Staaten hingegen legte die Produktion mit 6.4% sehr kräftig zu. Neben den frühzeitigen Lockerungen der Eindämmungsmassnahmen entfalteten dort massive fiskalische Stimuli ihre Wirkung. In China schwächte sich der Aufschwung mit einem Zuwachs von 2.4% deutlich ab. Einerseits könnte das Auslaufen von Aufholeffekten eine Rolle gespielt haben, andererseits dürften die erneuten Einschränkungen der Bewegungsfreiheit nach einem Anstieg der Neuinfektionen Auswirkungen gehabt haben.

G 7

Kräftige Erholung im Sommerhalbjahr 2021

Die Zulassung verschiedener Impfstoffe gegen Ende des letzten Jahres ermöglichte grosse Impffortschritte, vor allem in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. So konnten sowohl die Vereinigten Staaten als auch das Vereinigte Königreich bereits weite Teile der Bevölkerung impfen (siehe G 8), vor allem die Risikogruppen, und die Eindämmungsmassnahmen somit früh lockern. In den vergangenen Monaten nahmen die Impfkampagnen in der Europäischen Union ebenfalls an Fahrt auf, so dass auch dort ein Grossteil der Risikogruppen vollständig geimpft ist und Lockerungen durchgeführt werden konnten. In vielen asiatischen Ländern hingegen sind bisher nur wenige Personen geimpft, jedoch ist die epidemiologische Lage dort weniger angespannt. In den Schwellen- und Entwicklungsländern konnten aufgrund der bisher geringen Verfügbarkeit von Impfstoffen noch keine grossen Fortschritte erzielt werden.

G 8

Die beschlossenen Lockerungen der Eindämmungsmassnahmen und ein rascher Wegfall der meisten verbliebenen Beschränkungen dürften im zweiten und dritten Quartal 2021 zu einer kräftigen Erholung der Weltkonjunktur führen (siehe G 9). Darauf deuten unter anderem hochfrequente Mobilitätsdaten hin (siehe G 10), die sich seit Jahresbeginn erholt haben und vor allem zuletzt einen deutlichen Anstieg der Mobilität registrierten. Zudem liegen verschiedene Stimmungsindikatoren nahe bei oder über historischen Höchstständen oder deuten zumindest auf eine sehr kräftige Dynamik hin. Ebenfalls zeigen reale Indikatoren wie Detailhandelsumsätze, die Industrieproduktion oder Auftragseingänge für viele Länder eine Erholung an. Da in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich aufgrund der Impffortschritte die Eindämmungsmassnahmen früh gelockert werden konnten, wird ein Grossteil der Erholung bereits im zweiten Quartal zu Buche schlagen. Im Euroraum dürfte wegen des zögerlichen Starts der Impfkampagne die Erholung etwas langsamer vonstattengehen und erst im dritten Quartal den Höhepunkt erreichen. Länder wie Deutschland sollten sich dank der exportstarken Industrie und grosszügiger staatlicher Unterstützungsmassnahmen schneller erholen als zum Beispiel Italien oder Spanien, in denen der Tourismus eine grössere Rolle spielt. Diese beiden Länder und in geringerem Masse auch Frankreich profitieren hingegen von Auszahlungen aus dem «Next Generation EU»-Fonds. Hieraus dürften sich in der kommenden Zeit spürbare Konjunkturimpulse ergeben. In China sollte der exportgetriebene Aufschwung weiter anhalten. Und auch für das restliche Asien wird für die kommenden Quartale eine konjunkturelle Beschleunigung erwartet. Fiskal- und geldpolitische Stimuli unterstützen die Erholung und die Auslandsnachfrage zieht wieder an. Allerdings hat das Wiederaufflammen der Pandemie in Ländern wie Indien, Malaysia oder Taiwan zuletzt neue Unsicherheiten geschürt.

G 9

Steigender Preisdruck

Die Inflationsraten nahmen seit Jahresbeginn weltweit deutlich zu. Hauptursache hierfür ist der kräftige Anstieg von Energie- und Rohstoffpreisen seit Ende des ver­gangenen Jahres. Doch auch Lieferschwierigkeiten und Materialengpässe führten zu höheren Güterpreisen. Jedoch spielen auch Basiseffekte vergangener Mehrwert­steueränderungen sowie Sondereffekte wie Umstellungen des Warenkorbes zu Jahresbeginn oder die Einführung der CO2-Abgabe in Deutschland eine Rolle. Diese Effekte dürften grösstenteils transitorisch sein: Der Grossteil des Effekts der Energiepreise dürfte bereits im April ausgelaufen sein, die Basiseffekte der Warenkorbumstellungen und Mehrwertsteueränderungen werden nach einem Jahr verschwinden und auch Liefer- und Materialengpässe dürften im Zuge zusätzlicher Investitionen langsam zurückgehen. Zweitrundeneffekte dieser vergangenen Preisanstiege dürften aufgrund der aktuellen Unterauslastung der Kapazitäten und der erhöhten Arbeitslosigkeit in vielen Ländern gering bleiben. So ist diese im Vergleich zum Vorjahr zwar gesunken, sie liegt aber mit wenigen Ausnahmen noch immer über dem Vorkrisenniveau. Hinzu kommt die im Vergleich zum Vorkrisenniveau geringe Partizipationsrate in vielen Ländern, die auf ein ungenutztes Arbeitskräftepotenzial hindeutet. Wegen der transitorischen Natur der Preisanstiege dürften die Zentralbanken weltweit vorerst den derzeitigen expansiven Kurs beibehalten.

G 10

Risiko: Überhitzung in den Vereinigten Staaten

Es besteht jedoch die Gefahr, dass sich die aktuellen Preissteigerungen verselbstständigen und sich die Inflationserwartungen auf einem Niveau oberhalb der Inflationsziele der Zentralbanken verankern, was wiederum zu einer permanent höheren Inflation führen könnte. Die Geldpolitik wäre dann gezwungen, ihren Expansionsgrad zu reduzieren und die Zinssätze zu erhöhen, wodurch der aktuelle Aufschwung jäh abgebremst werden könnte. Dieses Risiko besteht vor allem in den Vereinigten Staaten.

Weitere Risiken bestehen sowohl auf epidemiologischer als auch auf ökonomischer Seite: Die Ausbreitung neuer Mutationen des Coronavirus könnte zu einer Verzögerung der Lockerungsschritte oder sogar zu neuerlichen Eindämmungsmassnahmen führen. Ein zu frühes Absetzen staatlicher Unterstützungsmassnahmen oder die Versandung der «Next Generation EU»-Gelder könnte zu einer deutlich langsameren Erholung führen. Schnellere Impfkampagnen weltweit und ein stärkerer Abbau der Ersparnisse der Konsumenten könnten hingegen zu einem rascheren Abbau der Eindämmungsmassnahmen und einem kräftigeren Anstieg der Konsumausgaben führen.

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