Verdienen Frauen weniger, weil ihnen andere Jobaspekte wichtig sind?

In der Schweiz gibt es immer noch einen bedeutenden unerklärten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Denkbar wäre, dass Frauen ein tieferes Gehalt in Kauf nehmen, weil sie mehr Wert auf andere Faktoren wie gute Arbeitsbedingungen legen. Aktuelle Resultate aus einer Umfrage unter ETH-Alumni sprechen nicht für diese These.

Angestellte

1530 Franken beträgt der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in der Schweiz im Schnitt – das zeigen die aktuellsten Zahlen aus dem privaten Sektor des Bundesamtes für Statistik (BFS). Die Löhne von Männern sind also 19.6% höher als jene von Frauen. 57% dieses Unterschieds lassen sich laut dem BFS erklären, etwa durch Faktoren wie berufliche Stellung, Dienstjahre oder Ausbildungsniveau. 43% des Lohnunterschieds hingegen können nicht mit objektiven Faktoren erklärt werden und weisen laut dem Bund auf eine mögliche Lohndiskriminierung hin.

Eine zentrale These besagt, dass dieser unerklärte Lohnunterschied das Resultat unterschiedlicher Präferenzen von Männern und Frauen ist: Weil Frauen mehr Wert auf gute Arbeitsbedingungen legen, sind sie dafür eher bereit, auf einen höheren Lohn zu verzichten. Eine aktuelle Analyse von KOF-Forschenden kann diese These jedoch zumindest für ETH-Absolventinnen und -Absolventen nicht erhärten. Die Forschenden haben Daten aus einer Umfrage unter rund 2600 ETH-Alumni ausgewertet, die zwischen November 2019 und Januar 2020 durchgeführt wurde. Die grosse Mehrheit der Befragten arbeitet in der Schweiz und hat ihr Studium innerhalb der letzten 20 Jahre abgeschlossen.

Unerklärter Lohnunterschied von 7%

Auch bei den Löhnen der ETH-Alumni gibt es beträchtliche Unterschiede. Im Schnitt verdienen die befragten Männer deutlich mehr als die Frauen, nämlich 16 bis 17%. Und auch hier lässt sich ein Teil des Unterschieds durch Faktoren wie Beruf, Position oder Berufserfahrung erklären. Am Ende bleibt allerdings ebenfalls ein unerklärter Lohnunterschied von 7% bestehen.
Gleichzeitig haben die Forschenden untersucht, welche Aspekte den Befragten wichtig sind, wenn es um ihre allgemeine Jobzufriedenheit geht. Hängt die Zufriedenheit vor allem mit monetären Aspekten wie dem Lohn zusammen oder stärker mit nicht monetären Aspekten wie der Kommunikation im Unternehmen?

Dabei zeigte sich einerseits: Nicht monetäre Aspekte sind sehr wichtig. Am stärksten hängt die Jobzufriedenheit der Alumni mit der Frage zusammen, ob sie im Job interessante Aufgaben haben. Auf Platz 2 folgt eine gute Kommunikation innerhalb des Unternehmens. Ebenfalls wichtig ist das Verhalten des Vorgesetzten, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten sowie die Arbeitsplatzatmosphäre. Der Lohn und die Zufriedenheit mit dem Lohn hingegen sind nur geringfügig mit der Jobzufriedenheit korreliert.

Nicht monetäre Aspekte sind wichtig – für Frauen und Männer

Andererseits fanden die Forschenden keine Hinweise darauf, dass sich Frauen und Männer bei diesen Bewertungen wesentlich unterscheiden – in punkto Jobzufriedenheit scheinen den weiblichen und männlichen Befragten dieselben Aspekte wichtig zu sein (siehe G 1). Die Männer legen also genauso viel Wert auf Faktoren wie eine gute Arbeitsatmosphäre oder eine gute Kommunikation im Unternehmen wie die Frauen. Gleichzeitig ist die Zufriedenheit mit dem Lohn für die weiblichen Befragten nicht weniger wichtig als für die männlichen. Diese Resultate sprechen laut den Autoren gegen die These, dass Frauen auf einen höheren Lohn verzichten, weil sie mehr Wert auf andere nicht monetäre Aspekte legen.

Jobzufriedenheit

Eine Ausnahme gibt es allerdings: bei der wahrgenommenen Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz. Sie ist bei den weiblichen Befragten stärker mit der Jobzufriedenheit korreliert als bei den männlichen. Bei den Männern wiederum sind die Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie – auf den ersten Blick überraschend – die Work-Life-Balance wichtiger für die Zufriedenheit. Ein Grund dafür könnte sein, dass Frauen öfter Teilzeit arbeiten und es für Männer deshalb tendenziell schwieriger ist, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten.

Weniger «Fringe Benefits» für weibliche Befragte

Die Forschenden haben auch die Zufriedenheit der ETH-Alumni mit ihrem Job allgemein und verschiedenen Aspekten davon erhoben. Vier von fünf Alumni geben an, zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrer Stelle zu sein. Am zufriedensten sind sie mit den interessanten Aufgaben, die ihr Job bietet. Auch die Behandlung von älteren Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, die Gleichstellung der Geschlechter und die Teamarbeit werden positiv beurteilt. Vergleichsweise gross ist allerdings die Unzufriedenheit mit der Kommunikation am Arbeitsplatz, den Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten und dem Gehalt.

Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die weiblichen ETH-Alumni sind im Schnitt mit allen Aspekten ihres Jobs unzufriedener als die männlichen (siehe G 2). Am grössten ist der Graben bei der Bewertung der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb des Unternehmens und bei der Zufriedenheit mit dem Gehalt.

Jobzufriedenheit nach Geschlecht

Schliesslich profitieren die weiblichen Befragten auch weniger häufig von sogenannten «Fringe Benefits». Bezüglich Lohnnebenleistungen wie einem Diensthandy, flexiblen Arbeitszeiten oder Homeoffice stehen die ETH-Absolventinnen in fast allen Belangen schlechter da als die Absolventen (siehe G 3). Am grössten sind die Unterschiede bei Arbeitnehmerbeteiligungen, Firmenwagen, Parkplätzen oder Diensthandys. Interessant ist auch, dass fast 80% der weiblichen und männlichen Befragten von flexiblen Arbeitszeiten profitieren und etwa 60% die Möglichkeit haben, von zu Hause aus zu arbeiten. Andererseits können weniger als 10% auf eine unternehmenseigene Kinderbetreuung zurückgreifen.

Allerdings: Auch die Geschlechterunterschiede bei den Arbeitsbedingungen und Lohnnebenleistungen können die Ungleichbehandlung der Frauen punkto Bezahlung nicht erklären.

Fringe Benefits

Eine ausführliche Version dieses Beitrags erscheint in den nächsten KOF Analysen Ende Oktober.

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