Die angepasste Stellenmeldepflicht und ihre Folgen

Seit Juli 2018 müssen Unternehmen offene Stellen in Berufen mit mehr als 8% Arbeitslosigkeit bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden. Am 1. Januar wurde diese Schwelle auf 5% gesenkt und die Kategorisierung der meldepflichtigen Berufe verfeinert. Trotz der tieferen Schwelle ist die Reichweite der Stellenmeldepflicht gesunken. Ausserdem wird das grössere Gewicht der Baubranche Auswirkungen auf die Umsetzung haben.

Bewerbung

Nach der Annahme der Zuwanderungsinitiative im Jahr 2014 beschloss das Parlament, eine Stellenmeldepflicht in Berufsarten mit hoher Arbeitslosigkeit einzuführen. Diese verpflichtet Arbeitgeber, offene Stellen, die unter die Meldepflicht fallen, den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zu melden und während einer Frist von fünf Tagen nicht anderweitig auszuschreiben. Dadurch erhalten die bei den RAV registrierten Stellensuchenden einen Informationsvorsprung, um sich auf die gemeldeten Vakanzen zu bewerben. Gleichzeitig sieht die Stellenmeldepflicht vor, dass die RAV den Arbeitgebern innerhalb der ersten drei Arbeitstage nach Meldung passende Dossiers von registrierten Stellensuchenden übermitteln. Ziel der Meldepflicht ist eine bessere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials.

Nur ein Viertel der Arbeitslosen nutzt Informationsvorsprung

Der erste Monitoringbericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) deutet darauf hin, dass die Unternehmen die Stellenmeldepflicht befolgen: Den RAV wurden im ersten Jahr nach der Einführung rund 120 000 Meldungen mit insgesamt 200 000 meldepflichtigen Stellen übermittelt, wobei mehr als 80% der gemeldeten Stellen aus den Berufsfeldern Hotellerie/Gastgewerbe, Bau und Industrie stammen. Damit wurden die Erwartungen übertroffen.

Abgesehen davon gibt es noch Steigerungspotenzial. So wird der Informationsvorsprung bislang nur zurückhaltend genutzt. Damit die bei den RAV registrierten Stellensuchenden davon profitieren können, müssen sie über ein persönliches Login auf arbeit.swiss verfügen und dieses regelmässig nutzen. Allerdings registrierten sich im Schnitt nur 26% der Stellensuchenden in den meldepflichtigen Berufen für den Zugang zum geschützten Bereich.

Auch die Stellenvermittlung durch die RAV kann noch optimiert werden. Zwar übermittelten die RAV in den drei Tagen nach Stellenmeldung insgesamt 195 000 Dossiers von gemeldeten Stellensuchenden. Trotzdem erhielten die Unternehmen für fast jede zweite ihrer Meldungen keinen Dossiervorschlag. Gemäss Zahlen des SECO führten die Dossiervorschläge in insgesamt 4800 Fällen zu einer Anstellung.

Maler- und Soziologiestellen neu meldepflichtig

Ab 1. Januar 2020 wird nun der Schwellenwert gesenkt, so dass neu alle Berufe mit einer Arbeitslosenquote von mehr als 5% meldepflichtig werden. Gleichzeitig wird erstmals die neue Berufsnomenklatur CH-ISCO-19 verwendet, um die meldepflichtigen Berufe zu identifizieren. Tabelle T 1 zeigt die Berufsarten, die von Juli 2018 bis Dezember 2019 unter der alten Berufsnomenklatur meldepflichtig waren, sowie die neu meldepflichtigen Berufe. Bei der Mehrheit der Berufsarten, die meldepflichtig bleiben, wurde die Bezeichnung verfeinert. So sind zum Beispiel anstatt des gesamten Servicepersonals neu nur noch Stellen für «Servicehilfskräfte in Restaurants» meldepflichtig. Das Gleiche gilt für Küchenpersonal, landwirtschaftliche Gehilfen sowie gewisse Berufe aus der Uhrenindustrie. 

Veränderung der meldepflichtigen Berufsarten

Einige Berufsarten sind 2020 nicht mehr meldepflichtig. Dazu gehören etwa PR-Fachleute oder hauswirtschaftliche Betriebsleiter. Schliesslich fallen Berufsarten wie Maler und Kranführer, aber auch Soziologen neu unter die Meldepflicht. Zudem weist die Liste der im Jahr 2020 meldepflichtigen Berufe eine Mischkategorie auf, welche Hilfsarbeitskräfte aus dem Bau und der Industrie zusammen aufführt. Die neu meldepflichtigen Berufsarten können mehrheitlich der Baubranche zugeordnet werden.

Tabelle T 2 quantifiziert die Veränderungen, welche die Umstellungen Anfang Jahr mit sich bringen. Dabei lassen sich zwei Effekte feststellen. Wie auch durch das SECO kommuniziert, wird die Stellenmeldepflicht 2020 eine geringere Reichweite haben, obwohl der Grenzwert von 8% auf 5% sinkt. Vor der ersten Phase der Stellenmeldepflicht wurde erwartet, dass Berufsgruppen mit einem Total von 310 000 Erwerbstätigen und durchschnittlich 34 000 Arbeitslosen unter die Meldepflicht fallen würden. Ab 2020 sinkt die Reichweite trotz des niedrigeren Schwellenwertes auf 267 000 betroffene Erwerbstätige und durchschnittlich 22 000 betroffene Arbeitslose.

Reichweite der Meldepflicht

Damit sind 2020 voraussichtlich 6.4% aller Erwerbstätigen und 22% aller Arbeitslosen in meldepflichtigen Berufen tätig, im Gegensatz zu 7.6% aller Erwerbstätigen und 25% der Arbeitslosen in der ersten Phase der Meldepflicht. Zweitens gibt es beachtliche Verschiebungen zwischen den meldepflichtigen Berufen. So sinkt die Reichweite der Stellenmeldepflicht in der Hotellerie/Gastronomie (-80 000 betroffene Erwerbstätige), während in der Baubranche mehr Erwerbstätige unter die Meldepflicht fallen (mind. +15 000). Das SECO führt die Veränderungen hauptsächlich auf die aktuell tiefen Arbeitslosenquoten zurück. Gleichzeitig trägt aber auch die Verfeinerung der Berufsnomenklatur zu dieser Entwicklung bei.

Stellensuchende aus der Baubranche nutzen Informationsvorsprung seltener

Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht beantworten, ob die Meldepflicht tatsächlich zu einer verbesserten Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und einer geringeren Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte führt. Mit dem markanten Anstieg der gemeldeten Stellen wurde eine gute Ausgangslage geschaffen. Kurzfristig führen die Umstellungen aber auch zu neuen Herausforderungen. So macht es das grössere Gewicht der Baubranche an den meldepflichtigen Berufen schwieriger, eine stärkere Nutzung des Informationsvorsprungs durch die Stellensuchenden zu erreichen. In der ersten Phase der Meldepflicht registrierten sich nur 12% bis 16% aller Stellensuchenden aus der Baubranche beim Stellenportal arbeit.swiss. Bei PR-Spezialisten, welche 2020 nicht mehr meldepflichtig sind, lag der Anteil bei fast 50%.

Ebenfalls werden die RAV im nächsten Jahr vermehrt mit Meldungen konfrontiert sein, für die es in der ersten Phase der Meldepflicht nur wenig geeignete Dossiers gab und in denen es nur selten zu einer Anstellung eines vorgeschlagenen Stellensuchenden kam. Während die RAV für 57% der Meldungen aus der Hotellerie/Gastronomie ein Dossier übermitteln konnten und 7.4% dieser Übermittlungen zu einer Anstellung führten, gab es in der Baubranche nur in 36% der Meldungen ein passendes Dossier und nur 5.4% der Vorschläge resultierten in einer Anstellung.  

Literatur

SECO 2018: Meldepflichtige Berufsarten bei einem Schwellenwert für die Arbeitslosenquote von 8.0%
SECO 2019a: Meldepflichtige Berufsarten bei einem Schwellenwert für die Arbeitslosenquote von 5.0%
SECO 2019b: externe Seitehttps://www.arbeit.swiss/secoalv/de/home/menue/unternehmen/stellenmeldepflicht.html
SECO 2019c: externe Seitehttps://www.seco.admin.ch/seco/de/home/seco/nsb-news.msg-id-76872.html
SECO 2019d: Vollzugsmonitoring Stellenmeldepflicht. Erster Monitoringbericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO)

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