Interpretation der Aussenhandelsdaten wird schwieriger

Die Schweizer Pharmaexporte dürften 2019 und 2020 weniger zunehmen, als unter den bisherigen Umständen zu erwarten wäre. Verantwortlich dafür ist ein neues Handelsmodell: Aus dem Ausland bezogene und wieder ans Ausland verkaufte Waren werden künftig nicht mehr über die Schweiz transportiert. Ab 2020 wird das Niveau der Exporte von pharmazeutischen Produkten etwa 6% tiefer ausfallen als unter dem früheren Exportmodell.

Pharmabranche

Für die Analyse des Wirtschaftsgeschehens in der Schweiz und die Konjunkturprognosen sind zwei Dinge mitentscheidend: die wirtschaftliche Entwicklung der wichtigsten Schweizer Handelspartner und die Aussenhandelsstatistiken. Die Analyse der Daten zum Aussenhandel wird sich in Zukunft allerdings erschweren. Grund ist ein neues Handelsmodell im Pharmabereich.

Betroffen davon ist zurzeit ein Teil der pharmazeutischen Industrie, welcher bislang Waren aus dem Ausland bezog und später wieder ans Ausland verkaufte. Während die Produzenten und Abnehmer dieselben bleiben, werden die Produkte jedoch neu nicht mehr über die Schweiz transportiert, sondern physisch direkt vom ausländischen Produzenten zum ausländischen Abnehmer geliefert. Der Besitzer der Waren wechselt allerdings wie bisher: Die Waren werden also von dem in der Schweiz ansässigen Unternehmen gekauft und anschliessend wieder ins Ausland verkauft.

Das Verfahren ist somit dem traditionellen Transithandel sehr ähnlich. Ein wichtiger Unterschied ist jedoch, dass es sich nicht um frei handelbare Güter handelt, sondern um solche, die mit einem Produktionsauftrag an die Lieferung gekoppelt sind. Da der Produzent, der Händler und der Abnehmer zum selben Konzern gehören, handelt es sich um konzerninterne Transaktionen. Diese sind nicht vergleichbar mit den Transaktionen eines unabhängigen Rohstoffhändlers, der mit frei handelbaren Gütern Verkäufer und Käufer sucht.

Importe und Exporte von Pharmaprodukten werden abnehmen

Gemäss Vorgaben für die Leistungsbilanzstatistik sind die beschriebenen, konzerninternen Transaktionen im Allgemeinen als Transithandel zu verbuchen. Lediglich bei einer Weiterverarbeitung der Waren in einem Drittland, während diese im Besitz des schweizerischen Unternehmens verbleiben, sind die Käufe und Verkäufe als normale Warentransaktionen zu verbuchen.

Im Transithandel werden Verkäufe als Exporte verbucht, Käufe hingegen als negative Exporte betrachtet. Durch das neue Handelsmodell werden also einerseits die Exporte und Importe von pharmazeutischen Produkten zurückgehen. Andererseits werden im aggregierten Aussenhandel (inklusive Transithandel) sowohl die Importe als auch die Exporte im Umfang der Importwerte der betroffenen pharmazeutischen Produkte zurückgehen.

Insgesamt werden die Pharmaexporte ab 2020 etwa 6% tiefer ausfallen als bei Anwendung des bisherigen Handelsmodells. Die Abnahme ist dabei mengenmässig auf beiden Seiten gleich gross, aufgrund der Handelsmarge werden die wertmässigen Beträge auf der Exportseite jedoch ungleich höher ausfallen. Diese Marge beträgt im traditionellen Transithandel im Durchschnitt knapp 5%. In der Pharmaindustrie dürfte sie bedeutend höher sein, denn sie diente bislang sowohl der Finanzierung von zentralisierten Konzernaufgaben (etwa Forschungs- und Entwicklungsausgaben) als auch der Gewinnabschöpfung bei ausländischen Tochtergesellschaften.

Probleme bei der Berechnung von Lagerveränderungen

In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden sich auf der Verwendungsseite die Exporte und Importe sowie die Leistungsbilanz ändern. Bei der Berechnung der Lagerveränderungen entstehen zusätzliche Probleme, wenn der Kauf und Verkauf der Waren nicht gleichzeitig stattfindet. Auf der Produktionsseite bleibt die Wertschöpfung unverändert.

Sollten Pharmaunternehmen diese Transaktionen künftig durch eine neue Handelsgesellschaft ausführen lassen, kommt es zu einer Verschiebung der Wertschöpfung von der pharmazeutischen Industrie zum Grosshandel, der zum Dienstleistungssektor gehört. Rückschlüsse auf die Wertschöpfung im bisherigen Transithandel werden also erschwert oder sogar verunmöglicht.

Importe pharmazeutischer Waren aus Singapur

Kosten- und klimatechnische Vorteile

Seit Anfang Jahr wird das neue Handelsmodell sukzessive eingeführt. Am deutlichsten ist die Veränderung bei den Einfuhrmengen von pharmazeutischen Produkten aus Singapur zu erkennen (siehe Grafik G5). Die Änderung hat zur Folge, dass sich der von der Eidgenössischen Zollverwaltung erfasste Warenaussenhandel schwächer entwickeln wird als bisher. Die auf das Handelsmodell zurückzuführenden Änderungen dürfen dabei nicht als negatives Konjunktursignal oder als Folge von zunehmendem Protektionismus gedeutet werden.

Die Umstellung führt aber zu einem verminderten Bedarf an Transportleistungen, was sowohl kosten- als auch klimatechnisch von Vorteil ist. Es ist nicht auszuschliessen, dass diese Umstellung auch in anderen Branchen Nachahmer findet, die bisher bestimmte Güter für Endabnehmer im Ausland ebenfalls physisch durch die Schweiz transportierten.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie in den DownloadKOF Analysen vom Herbst 2019.

Kontakt

Yngve Abrahamsen
  • LEE G 116

KOF FB Konjunktur
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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