Unternehmertum im Blut?

Welche Rolle spielt die Kultur bei der Gründung von Unternehmen? Eine neue Studie hat diese Frage anhand der Schweizer Sprachregionen untersucht. Sie zeigt, dass es beim Unternehmertum durchaus kulturelle Unterschiede gibt. So gründen Schweizer mit Heimatort im deutschsprachigen Kulturraum eher Firmen als solche aus dem französischsprachigen Teil. 

Neu gegründete Unternehmen sorgen nicht nur für zusätzliche Arbeitsplätze, sie sind auch treibende Kraft hinter Innovationstätigkeit und Wirtschaftswachstum. Berechnungen für die Vereinigten Staaten bemessen den Anteil neu gegründeter Unternehmen am Produktivitätszuwachs auf 25%. Forschung und Politik haben daher ein fundamentales Interesse, zu ergründen, was genau die Unternehmenstätigkeit einzelner Länder und Regionen bestimmt. Neben Faktoren wie Steuerpolitik und Konkursrecht wird auch immer wieder über den Einfluss der Unternehmerkultur diskutiert.

Schweizer Besonderheiten helfen 

Dieser Gedanke ist mitnichten neu, spätestens seit Max Weber gilt die Kultur als wichtige Ursache für wirtschaftliche Unterschiede. Allerdings: Empirisch bereitet das Konzept der Unternehmerkultur Schwierigkeiten. Idealerweise müsste man die Frage danach experimentell beantworten: Indem man Menschen aus ihrem angestammten Kulturraum entnimmt und zufällig in ein neues Umfeld verfrachtet. So könnte man Unterschiede bei Unternehmensgründungen dann tatsächlich auf die Kultur zurückführen und deren Rolle bemessen. Das ist natürlich ein reines Gedankenspiel. Zwei Schweizer Besonderheiten können uns hier aber helfen.

Zum einen umfasst die Schweiz bekanntermassen deutsche, französische, italienische und rätoromanische Sprach- und Kulturgebiete. Diese verschiedenen kulturellen Regionen sind sehr eindeutig abgegrenzt: Innert weniger Kilometer wechselt die jeweilige Hauptsprache komplett. Man kann jeden Ort daher eindeutig einem Kulturkreis zuordnen. Die deutsch-französische Sprachgrenze verläuft zu einem grossen Teil sogar innerhalb von drei Kantonen, ohne jegliche geografischen Barrieren. Überschreitet man in diesen zweisprachigen Kantonen die Sprachgrenze, ändert sich institutionell nichts, ausser eben die vorherrschende Sprache. Wir fokussieren uns in unserer Analyse daher auf Gemeinden an der deutsch-französischen Sprachgrenze, die innerhalb der zweisprachigen Kantone liegen.

Der kulturelle Hintergrund spielt eine Rolle

Um Kultur unabhängig von sonstigen Rahmenbedingungen zu betrachten, nutzen wir eine zweite Schweizer Besonderheit: den sogenannten Heimatort. Also den Ort, aus dem die männlichen Vorfahren eines Schweizers oder einer Schweizerin stammen. Die Registrierung des Heimatorts erlaubt uns, Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Ursprung innerhalb des gleichen Umfelds zu betrachten. In unserer Analyse vergleichen wir die Anzahl gegründeter Unternehmen zwischen Schweizern mit einem Heimatort gerade westlich und gerade östlich der Sprachgrenze.

Da wir die Unternehmensgründungen von Individuen mit verschiedenen Heimatorten innerhalb der jeweiligen heutigen Wohngemeinde vergleichen, können wir perfekt für das Umfeld des Unternehmens kontrollieren und alle beobachteten Unterschiede auf den kulturellen Hintergrund zurückführen. Dabei zeigt sich: Schweizer mit einem Heimatort im deutschsprachigen Kulturraum haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, Unternehmer zu werden. Konkret gründen sie im Durchschnitt 20% mehr Firmen als solche mit einem Heimatort im französischsprachigen Kulturraum, und zwar unabhängig davon, wo sie heute leben. Wir beobachten denselben Effekt für Menschen mit Wohnsitz in Genf als auch in Zürich. Und wir finden den Effekt auch, wenn wir die einzelnen zweisprachigen Kantone separat betrachten.

Deutschschweizer sind lieber eigenständig

Letzteres schliesst viele alternative Erklärungen aus, denn die Sprachgrenzen der drei Kantone unserer Analyse – Bern, Wallis und Fribourg – grenzen nicht aneinander und sind bis zu zwei Autostunden voneinander entfernt. Das spricht sehr dafür, dass hier die Sprache und damit die Kultur die entscheidende Rolle spielt. Der Effekt bleibt auch bestehen, wenn wir uns ausschliesslich die assimilierten Unternehmer ansehen. Sie sind darüber definiert, dass ihr Vorname typisch für ihren Wohnort ist. Daraus können wir schliessen, dass der kulturelle Hintergrund auch über Generationen hinweg noch eine Rolle spielt.

Aber was ist nun anders zwischen den beiden Kulturgruppen? Betrachten wir die Analyse genauer, sehen wir, dass Menschen mit deutschsprachigem kulturellem Hintergrund einerseits eher Firmen gründen, andererseits sind die gegründeten Firmen gleichwertig.1 Das spricht für die These von Frank H. Knight (1921), der davon ausgeht, dass die Risikoaversion sich zwischen Kulturgruppen unterscheidet. Denkbar wäre auch, dass Schweizer mit deutschsprachigem Hintergrund eine stärkere Präferenz für die Selbständigkeit haben. Umfragen finden Evidenz für beide Erklärungen. Französischsprachige Schweizer scheinen tatsächlich risikoaverser zu sein als deutschsprachige. Letztere scheinen dafür eine stärkere Präferenz für verantwortungsvolle Jobs zu haben und gerne Eigeninitiative im Beruf auszuüben.

                            

1) d.h. identisch in Bezug auf Struktur, Rechtsform, Überlebensrate und Grösse

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