Was braucht es um ein Berufsbildungssystem zu verbessern?

Wie bereits wissenschaftlich belegt wurde, führen gute Berufsbildungssysteme zu besseren Resultaten und es gibt ein gutes Verständnis von einem guten Bildungssystem. Daher ist es wichtig, eine Kenntnis zu erlangen, was es braucht, um ein System zu verbessern. Der Forschungsbereich Bildungssysteme der KOF hat gerade seine erste Version eines Literaturüberblicks bezüglich der Umsetzung von Berufsbildungsreformen erstellt.

Die Autoren, Katherine Caves und Severin Baumann, untersuchten 1854 Literaturquellen, einschliesslich wissenschaftliche Peer-Review-Quellen sowie Quellen aus der «grauen» Literatur, wie Politikberichte und Dokumente internationaler Organisationen wie der Organisation für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), UNESCO, Weltbank und Internationaler Arbeitsorganisation (ILO). In den wichtigsten Forschungsdatenbanken suchten sie nach Berufsbildung (einschliesslich Lehre/BMS/TBM), Reform (einschliesslich Veränderung/Innovation) sowie Umsetzung und konnten aus den Fundstellen 177 vollständig relevante Quellen, basierend auf deren Zusammenfassungen, herausfiltern.

Um einen Rahmen wichtiger Schlüsselpunkte zu erarbeiten, die eine erfolgreiche Implementierung beeinflussen, verwendeten Caves und Baumann die bestehenden Theorien und empirischen Resultate der Literatur über die Einführung und die Umsetzung allgemeiner Bildungsreformen als auch ein paar Quellen, die sich ganz gezielt mit Bildungssystemreformen befassen. Die verwendeten Oberkategorien stammen von Nilsens (2015) «5C»-Implementierungsrahmen. Caves und Baumann fügten Theorien über Lehre und Berufsbildungssysteme hinzu und kodierten dann schrittweise Reihen mit 20 Testpapern für eine detaillierte Ausgestaltung des Rahmens. So gelangten sie zu dem endgültigen Kodierungsschema (siehe G 2).

Kodierungsschema und Resultate für die Einführung von Bildungssystemen

In den 177 vollständig kodierten Quellen (zwei unabhängige Kodierer, widersprüchliche Auffassungen konnten in Gesprächen beseitigt werden) wurden die 30 Punkte 1538-mal erwähnt. Nahezu alle Erwähnungen sind positiv, das heisst, der Punkt ist gut für die Umsetzung und er schlägt die in der Theorie vorgesehene Richtung ein. Bei einer negativen Kodierung ist das Gegenteil hilfreich für die Umsetzung. Die Einbeziehung des Arbeitgebers beispielsweise ist im Wesentlichen immer positiv; dies ergibt sich aus Quellen, wonach die Arbeitgeber die Umsetzung unterstützten, sowie aus solchen, die besagen, dass eine mangelnde Mitwirkung der Arbeitgeber die Umsetzung behindert. Wenn die Einbeziehung der Arbeitgeber für den Fortschritt der Umsetzung hinderlich ist, wird sie als negativ kodiert.

Abbildung G 2 zeigt die Ergebnisse für die einzelnen Punkte auf, klassifiziert nach «Haupterfolgsfaktoren», «Erfolgsfaktoren» und «Weitere Untersuchungen erforderlich». Haupterfolgsfaktoren sind Punkte, die häufig auftreten und immer oder fast immer positiv sind (grün gekennzeichnet). Für Umsetzer sind dies entscheidende Punkte. Erfolgsfaktoren (schwarz gekennzeichnet) sind immer noch positiv, treten jedoch weniger häufig auf. Punkte, die weiter untersucht werden müssen (pink gekennzeichnet), werden in der Literatur eher negativ, uneinheitlich oder mit Vorbehalt erwähnt. Hierbei handelt es sich um Bereiche, die von Wissenschaftlern weiter untersucht werden müssen, um gegenüber Umsetzern eine Aussage bezüglich möglicher Resultate treffen zu können.

Der zweite Hauptbeitrag der Literatur ist die Untersuchung von Datentrends und -mustern. Caves und Baumann suchten nach vier Hauptunterschieden: die Aktualität der Publikation (vor und nach 2009), die Art der Publikation (graue oder Peer-Review-Literatur), den Entwicklungsstand des in der jeweiligen Quelle beschriebenen Landes (Industrieland oder Entwicklungsland) sowie betreffend den Kontinent des in der Reform beschriebenen Landes.

Die Publikationen aus unterschiedlichen Zeiträumen sind weitestgehend vergleichbar, mit dem einzigen entscheidenden Unterschied, dass in neueren Artikeln eher auf Mittelspersonen verwiesen wird. Es überrascht nicht, dass sich die diesbezügliche Literatur über die Jahre nicht verändert hat, da es sich meist um isolierte Fallstudien handelt und es nur wenige Quellen gibt, die sich durchgängig aufeinander beziehen und einen ideologischen Rahmen bilden.

Die wissenschaftliche und die graue Literatur weisen eine relativ hohe Ähnlichkeit auf. Graue Quellen verweisen eher auf spezifische Akteure, insbesondere Arbeitgeber und Mittelspersonen. In der grauen Literatur werden überwiegend drei grosse Organisationen erwähnt: Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop), Europäische Stiftung für Berufsbildung (ETF) und OECD. Während Cedefop und ETF Ähnlichkeiten mit der Gruppe aufweisen, verweist die OECD eher auf Arbeitgeber und Mittelspersonen und weniger auf politische Bereitschaft und Kontexttauglichkeit.

Industrie- und Entwicklungsländer sind in etwa gleich stark vertreten, was ein erfreuliches Zeichen dafür ist, dass Entwicklungsländer von der Literatur nicht übersehen wurden. Beide Ländertypen sind im Allgemeinen recht ähnlich, wobei die Koordination in Entwicklungsländern stärker ausgeprägt ist als in Industrieländern. Wenngleich die Unterschiede nicht sehr gravierend sind, kommen Quellen wie Personal, Finanzen und Entwicklungshilfe typischerweise eher in Entwicklungsländern zum Vorschein. Betrachtet man die entwickelten Länder und die Entwicklungsländer in Europa, zeigt sich ein sehr ähnliches Muster.

Das grösste Defizit der Literatur ist letzten Endes die Vernachlässigung der nicht europäischen Länder – europäische Quellen machen die Hälfte aller Beispiele aus. Die andere Hälfte teilen sich kontinentübergreifende Studien sowie Asien, Afrika, Ozeanien, Nordamerika und Südamerika in absteigender Reihenfolge. Dies könnte aus einer Reihe von Faktoren resultieren, u.a. daraus, dass Englisch unsere ausschliessliche Suchsprache ist, dass es in den betroffenen Ländern zu wenig Bildungssysteme gibt oder dass Bildungssysteme im Allgemeinen nicht als Forschungsbereich gelten. Dennoch ist es ermutigend, dass sich kontinentübergreifende Studien nicht allzu sehr von dem überwiegend europäischen Bestand unterscheiden, obwohl ihr Schwerpunkt eher auf der Kontexttauglichkeit liegt.

Der Überblick hat gezeigt, dass die Literatur über die Einführung von Bildungssystemen umfangreicher und einheitlicher ist als erwartet. Es gibt auch Unterschiede zu der allgemeinen Umsetzung von Bildungsreformen, insbesondere da der Schwerpunkt auf spezifischen Akteuren und deren Zusammenspiel untereinander liegt. Der Literaturüberblick erfolgte so systematisch wie möglich, wenngleich es immer Momente potenzieller Einschränkungen aufgrund von Subjektivität gibt. Die Literaturaufarbeitung an sich unterliegt zudem denselben Einschränkungen wie die Literatur selbst, insbesondere dem Mangel an nicht europäischen Ländern. Der Forschungsbereich Bildungssysteme wird diese Untersuchung für die Weiterentwicklung seiner Forschung bezüglich der weltweiten Umsetzung von Bildungssystemreformen nutzen.

KOF Working Paper

Dieser Beitrag basiert auf dem KOF Working Paper, Nr. 441 «Getting there from here: A literature review of VET reform implementation» von Katherine Caves und Severin Baumann. Dieses wird demnächst publiziert. Sie finden es dann hier.

Kontakt

Keine Datenbankinformationen vorhanden

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert