Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – eine Abwägung zwischen Ansteckung und Arbeitsvermeidung

Die USA führen gerade die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall schrittweise ein. Dies geht mit einem deutlichen Rückgang der Gripperate einher. Dieser Beitrag zeigt, wie Lohnfortzahlung und Ansteckung zusammenhängen und wie die Lohnfortzahlung genutzt werden kann, um Ansteckung zu vermeiden.

In Deutschland ist die Regelung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für alle Unternehmen seit 1994 im Gesetz verankert. Die USA hinken diesbezüglich etwas hinterher. Zwar können 65% der Arbeitnehmer im Krankheitsfall zu Hause bleiben, aber insbesondere im Niedriglohnsektor ist die freiwillige Lohnfortzahlung mit 20% eher die Ausnahme als die Regel (Susser & Ziebarth 2016). Seit 2006 tut sich jedoch etwas: Die Lohnfortzahlung wird gerade Schritt für Schritt in Bundesstaaten und einzelnen Städten eingeführt.

Nun kann man sich die Frage stellen, was diese Lohnfortzahlung bewirkt. In Deutschland gibt es schon seit Längerem den Verdacht, dass die Lohnfortzahlung teilweise zu mehr Arbeitsvermeidung und «Krankfeiern» führt. Insbesondere hängt das auch damit zusammen, dass die Länge der Abwesenheit vom behandelnden Arzt frei festgelegt werden kann. In den USA hingegen gibt es maximal sieben Tage pro Jahr, was das Krankfeiern deutlich einschränken sollte.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ansteckung. Angestellte, die dafür bezahlt werden, im Krankheitsfall zu Hause zu bleiben, schleppen den Erreger nicht zum Arbeitsplatz und stecken damit nicht Kollegen und Kunden an.

Stefan Pichler und sein Co-Autor Nicolas R. Ziebarth zeigen in ihrer Untersuchung, wie sich die Einführung der Lohnfortzahlung in den USA und die Änderungen der Regelungen zur Lohnfortzahlung in Deutschland auf unterschiedliche Krankheiten auswirken. Insbesondere entwickeln sie ein Modell, das es ihnen erlaubt, die negativen Externalitäten, welche durch Ansteckung entstehen, zu quantifizieren. Damit bietet dieses Papier eine Grundlage, die es ermöglicht, Ansteckung unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu identifizieren. Ausserdem zeigen die Ergebnisse auf, dass die Lohnfortzahlung ein geeignetes Mittel ist, um diesen negativen Externalitäten entgegenzuwirken.

Lohnfortzahlung senkt Grippefälle

Im Papier, welches gerade im Journal of Public Economics publiziert wurde, zeigen die Autoren, dass die Einführung der Lohnfortzahlung in den USA die Grippefälle dort um mindestens 5% verringert hat. Wenn man berücksichtigt, dass es sich hierbei nur um eine Ausweitung der Lohnfortzahlung handelt (von ehemals ca. 65% der Arbeitnehmer mit Lohnfortzahlung auf 100%), darf ein Unternehmen, das eine Lohnfortzahlung neu einführt, mit deutlich grösseren Effekten rechnen.

In Deutschland konnte man 1998 hingegen eine spiegelbildliche Entwicklung beobachten. Dort wurde die Lohnfortzahlung von 100% des Lohns auf 80% reduziert. Das führte im Allgemeinen zu weniger Abwesenheiten. Nur für ansteckende Krankheiten war kein Effekt auszumachen, da sich Neuansteckungen und weniger Abwesenheiten aufhoben.

Effekte auf Beschäftigung und Löhne?

Allerdings stellt sich, wie öfter bei gesetzlichen Regelungen, die Frage, ob es wirklich verpflichtende Massnahmen braucht oder ob die Firmen nicht selbst entscheiden können. Dadurch, dass die Ausweitung der Lohnfortzahlung in den USA zu einem Rückfall der Gripperate geführt hat, sollte eine Lohnfortzahlung auf den ersten Blick befürwortet werden. Jedoch könnte dieser positive Effekt durch negative Effekte auf Löhne oder Beschäftigung aufgehoben werden. In einem verwandten Beitrag (Pichler & Ziebarth 2016) zeigen die Autoren, dass dies zumindest in den USA nicht der Fall ist. Die gesetzliche Einführung der Lohnfortzahlung hatte keine Auswirkung auf Beschäftigungszahlen oder Löhne.

Kontakt

Dr. Stefan Pichler
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Professur f. Wirtschaftsforschung
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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