Verschuldung im Euroraum (1/3): Die öffentlichen Haushalte

Der erste von drei Beiträgen zur Verschuldung im Euroraum widmet sich den öffentlichen Haushalten. Die Neuverschuldung der Mitgliedsländer des Euroraums hat seit der Verschuldungskrise deutlich abgenommen. Das Defizit in Relation zum BIP, ein wichtiges Konvergenzkriterium im Vertrag von Maastricht, sank von mehr als 6% im Jahr 2010 stetig auf fast 1% im vergangenen Jahr. Die Konsolidierungsbemühungen lassen jedoch wieder nach.

Eine Zerlegung des Budgetdefizits erlaubt es, die konjunkturellen Effekte der öffentlichen Verschuldung besser zu analysieren (siehe Grafik G 3). Ein geringer Teil des Budgetsaldos machen Einmaleffekte und andere temporäre Massnahmen aus, wie zum Beispiel Ausgaben zur Bankenrettung oder Erlöse durch Versteigerung von Mobilfunklizenzen. Ein anderer Teil ist die zyklische Komponente, die niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben in Zeiten schwacher Konjunktur korrigiert. Bereinigt man den Budgetsaldo um diese konjunkturellen und einmaligen Effekte, erhält man den strukturellen Budgetsaldo. Dieser gibt dementsprechend den theoretischen Budgetsaldo wieder, wenn die Wirtschaft voll ausgelastet und damit die Produktionslücke geschlossen wäre. Nach Schätzungen der Europäischen Kommission hat sich das strukturelle Budgetdefizit von 4.3% im Jahr 2010 auf rund 1% 2014 verbessert. Seither blieb es jedoch weitgehend unverändert, obwohl die Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahren spürbar verringert wurde.

Um ein zuverlässiges Mass für die finanzpolitische Ausrichtung und die damit verbundenen konjunkturellen Auswirkungen zu erhalten, zieht man vom strukturellen Budgetsaldo noch die Zinsausgaben ab. Diese kommen meist Finanzgesellschaften oder Haushalten mit hohen Sparquoten zugute und sind in der Folge für die Konjunktur unbedeutend. Dadurch erhält man den sogenannten strukturellen Primärsaldo, dessen Veränderung die fiskalische Ausrichtung anzeigt. Er deutet darauf hin, dass die öffentlichen Haushalte im Euroraum die Entlastungen durch niedrigere Zinsen nicht für eine Fortsetzung der Konsolidationsbemühungen genutzt haben, sondern für eine expansivere Ausrichtung der Fiskalpolitik verwendeten.

Verschuldung im Euroraum

Konsoldierungsmassnahmen zeigten Wirkung

Der aggregierte strukturelle Primärsaldo im Euroraum wies nach der Grossen Rezession noch ein Defizit von 1.5% auf. Die Konsolidierungsbemühungen der öffentlichen Haushalte während der Verschuldungskrise zeigten Wirkungen und der strukturelle Primärsaldo verbesserte sich deutlich zu einem Überschuss von 1.6% im Jahr 2014. Seither gingen die Bemühungen jedoch zurück, so dass der Saldo im vergangenen Jahr bei rund 1% gelegen haben dürfte. Ein Blick in die grossen Mitgliedsländer zeigt, dass sich der strukturelle Primärsaldo bis 2013/14 deutlich verbesserte und die Fiskalpolitik dementsprechend grösstenteils restriktiv ausgerichtet war (siehe Grafik G 4). In Italien und Spanien ist die Fiskalpolitik seither wieder leicht expansiv ausgerichtet, in Deutschland und Frankreich dürfte die Ausrichtung grösstenteils neutral sein.

Verschuldung im Euroraum

Aufgrund der Konjunkturpakete und der Bankenrettungen stieg die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in vielen Ländern während der Krisenjahre deutlich an und befindet sich weiterhin auf einem höheren Niveau als vorher (siehe Grafik G 5). Im Euroraum liegt die Schuldenquote aktuell bei knapp 90% des Bruttoinlandprodukts (BIP), im Jahr 2007 hatte sie noch bei 65% gelegen. Unter den grossen Ländern ist die Schuldenquote in Italien besonders hoch mit rund 130%. Doch auch Portugal und Griechenland weisen sehr hohe Schuldenquoten von 130 bzw. 180% aus. In Spanien und Frankreich stabilisierte sich der Verschuldungsgrad auf hohem Niveau. Insgesamt ist der fiskalische Spielraum der öffentlichen Haushalte im Euroraum merklich geringer als noch vor der Krise. Auch die Maastricht-Obergrenze einer Verschuldung von 60% ist für die meisten Länder ausser Reichweite. Von den grossen Ländern dürfte einzig Deutschland dieses Ziel in Kürze erreichen.

Verschuldung im Euroraum

In den kommenden Jahren dürfte die Europäische Zentralbank eine Normalisierung der Geldpolitik einleiten. Ein Anstieg der Zinsen würde auch die Finanzierungskosten der öffentlichen Haushalte ansteigen lassen. Dies ist in zweierlei Hinsicht bedenklich: Einerseits sind die Schuldenquoten heute deutlich höher als noch vor einer Dekade, andererseits sind seit der Krise merkliche Zinsaufschläge für einzelne Länder gegenüber den Renditen auf deutsche Anleihen erkennbar. Beide Faktoren dürften insbesondere die Finanzierungskosten der höher verschuldeten Länder betreffen.

Wie schnell sich eine Normalisierung der Geldpolitik auf die Zinslast der einzelnen Länder auswirkt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Geschwindigkeit der Zinswende, der Entwicklung der Risikoaufschläge und der Struktur der Schulden. Eine Analyse der ausstehenden Anleihen von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien zeigt, dass zwischen 15 und 18% der ausstehenden Schulden üblicherweise kurzfristig (< 1 Jahr Laufzeit) und ein weiterer kleiner Teil über Bankkredite finanziert sind. Bei diesen kurzfristigen Finanzierungsinstrumenten dürften sich Zinsänderungen relativ zügig auf die öffentlichen Haushalte auswirken. Der Grossteil der öffentlichen Schulden hat eine durchschnittliche Restlaufzeit von 4 bis 6 Jahren. Zinsänderungen würden sich demnach erst nach mehreren Jahren voll auf die Zinslast der öffentlichen Haushalte auswirken.

Im Falle einer Zinswende würde demnach mittelfristig in jedem Jahr ein zusätzlicher Konsolidierungsbedarf entstehen, wenn auslaufende Anleihen durch neue, möglicherweise wieder höher verzinste Titel ersetzt werden. Dies birgt die Gefahr einer neuerlichen Staatsschuldenkrise im Euroraum, ausgehend insbesondere von den höher verschuldeten Ländern. Fraglich ist, ob die institutionellen Rahmenbedingungen im Euroraum inzwischen ausreichend sind, um einer solchen Gefahr wirksam entgegenwirken zu können.

Hinweis

Diese Beitrag ist der erste Beitrag einer dreiteiligen Serie zum Thema Verschuldung im Euroraum. Im März folgt ein Beitrag zur Verschuldung im Finanzsektor. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Verschuldung der privaten Haushalte und nicht-finanziellen Unternehmen.

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