Digitalisierung (1/2): Firmen sehen fehlende Mitarbeiterkompetenzen als grösstes Hindernis für die Verbreitung der Digitalisierung

Im Jahr 2016 haben Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich und der FHNW in der ersten repräsentativen Erhebung zur Digitalisierung bei Unternehmen in der Schweiz Firmen nach dem Stand ihrer Digitalisierung befragt. Im ersten von zwei Beiträgen im KOF Bulletin, der auf einer neuen Auswertung basiert, gehen sie der Frage nach, welche Mitarbeiter-Kompetenzen die Firmen angesichts der Digitalisierung für nötig erachten. Es zeigt sich: Viele Arbeitnehmende verfügen nicht über die gesuchten Kompetenzen.

Digitalisierung

Vor wenigen Jahren veröffentlichten Frey und Osborne (2017) eine Studie über die Automatisierbarkeit von Berufen in den USA. Sie kamen dabei zum – für viele erschreckenden – Ergebnis, dass fast die Hälfte aller Arbeitstätigkeiten in Bälde automatisiert sein könnten. Das höchste Automatisierungspotenzial verorteten sie bei einfachen manuellen und Sachbearbeitungs­aufgaben sowie bei komplexen, aber standardisierbaren Tätigkeiten. Im Umkehrschluss sind bei zunehmendem Einsatz von neuen Technologien vom Menschen vor allem Kreativität und sozial-emotionale Kompetenzen gefragt. In einer von der KOF gemeinsam mit der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie an der ETH Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) durchgeführten Befragung untersuchte eine Gruppe von Forschern, welche Kompetenzen aus Sicht von Unternehmen in der Schweiz nötig sind, um im digitalen Wandel erfolgreich zu bestehen. Solche Daten gab es bis anhin für die Schweiz nicht (SECO, 2017).

Von den 1183 Unternehmen, die an der Befragung teilgenommen haben, gaben 35% an, dass die Einführung von Digitalisierung bzw. deren intensivere Nutzung in ihrer Firma stark durch den Mangel an verfügbaren Qualifikationen behindert wird. Alle anderen Hemmnisse wie ungeeignete Arbeitsprozesse, Kosten oder technische Komplexität wurden seltener als Problem identifiziert. Somit werden fehlende berufliche Kompetenzen als das grösste Hindernis für die Verbreitung der Digitalisierung verstanden.

Die Unternehmen wurden ebenfalls dazu befragt, welche Kompetenzen sie als besonders wichtig erachten (siehe Tabelle T 1). Für eine grosse Mehrheit der befragten Unternehmen sind kognitive und organisationale Fähigkeiten wie Prozess-Know-how (76%), Fähigkeit zur Koordination von Arbeitsabläufen (71%) sowie Problemlösungs- und Optimierungskompetenz (70%) sehr wichtige Kompetenzen in Bezug auf die Digitalisierung (siehe Tabelle 1). Als weitere zentrale Kompetenzen werden Fähigkeit zur Interaktion mit Technik (69%), interdisziplinäres Denken und Handeln (69%), Beherrschung komplexer Arbeitsinhalte (59%), Mitwirkung an Innovationsprozessen (57%) sowie Dienstleistungsorientierung (57%) genannt.  Führungskompetenz (28%), Sozial- und Kommunikationskompetenz (46%) sowie eigenverantwortliche Entscheide (48%) werden von deutlich weniger Unternehmen als bedeutsam eingestuft.

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Die deutlichsten Unterschiede in der Beurteilung sind zwischen den Hightech-Industrien und dem Bausektor zu finden. In Anbetracht der stark unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien in den verschiedenen Wirtschaftssektoren zeigt sich bezüglich der Wichtigkeit beruflicher Fähigkeiten insgesamt aber ein erstaunlich homogenes Bild. Auch ist bemerkenswert, dass sich wenig Unterschiede in Abhängigkeit von der Unternehmensgrösse finden: Einzig Führungskompetenzen werden in Grossunternehmen deutlich seltener und Prozess-Know-how häufiger als wichtig angesehen als in KMU (siehe Tabelle T 2).

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Die Studie von Frey und Osborne weist darauf hin, dass Tätigkeiten, die keine sozialen Kompetenzen erfordern, leichter automatisierbar sind also solche, deren Ausübung eine hohe soziale Kompetenz voraussetzt. In der aktuellen Umfrage der ETH Zürich und der FHNW zeigt sich nun allerdings, dass die Unternehmen die Sozial-/ Kommunikationskompetenzen ihrer Mitarbeiter als weniger wichtig als kognitive Kompetenzen erachten. Dies birgt somit ein gewisses Risiko für viele Beschäftigte, da deren Tätigkeit somit in «automatisierbaren» Bereichen stattzufinden scheint. Gründe für das relativ starke Betonen kognitiver Fähigkeiten bei Schweizer Unternehmen sehen die an der Studie beteiligten Forscher darin, dass der Einsatz der neueren Varianten von Digitalisierungstechnologien (z.B. Internet der Dinge) in der hiesigen Wirtschaft eher noch am Anfang steht (vgl. Arvanitis et al., 2017). Von daher ist die Nachfrage nach kognitiven Fähigkeiten noch höher. Andererseits sind auch die gewählten Arbeitsorganisationsformen weiterhin eher traditionell-hierarchisch ausgerichtet. In Zukunft ist zu erwarten, dass die neusten Digitalisierungstechnologien eher den Einsatz von flexiblen, dezentralen Arbeitsformen und Entscheidungsstrukturen begünstigen (Bienefeld et al., 2018) und dass somit soziale Kompetenzen wichtiger werden.

Hinweis

Dies ist der erste Bulletin-Beitrag zur neuen Auswertung der Digitalisierungsumfrage. Im März-Bulletin folgt Beitrag zwei zu den betrieblichen Zielen, die Unternehmen mit der Erhöhung der Digitalisierung erreicht haben bzw. erreichen wollen.

Die KOF Studie «Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft: Ergebnisse der Umfrage 2016, Teil 2: Ziele, Berufliche Kompetenzen und Arbeitsorganisation» (2018) von Nadine Bienefeld, Gudela Grote, Irina Stoller, Toni Wäfler, Martin Wörter und Spyros Arvanitis Downloadkann hier heruntergeladen werden (PDF, 1.1 MB).

Literatur

Arvanitis, S., Grote, G., Spescha, A., Wäfler, T. und M. Wörter (2017): Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft – Ergebnisse der Umfrage 2016, eine Teilauswertung im Auftrag des SBFI, KOF Studien Nr. 93, Zürich.

Bienefeld, N., Grote, G., Stoller, I., Wäfler, T., Wörter, M., Arvanitis, S. (2018): Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft: Ergebnisse der Umfrage 2016, Teil 2: Ziele, berufliche Kompetenzen und Arbeitsorganisation, KOF Studien Nr. 99, Zürich.

Frey, C.B. and M.A. Osborne (2017): The Future of Employment: How Susceptible Are Jobs to Computerization?, Technological Forecasting and Social Change, vol. 114, issue C, 254-280.

SECO Staatssekretariat für Wirtschaft (2017). Auswirkungen der Digitalisierung auf Beschäftigung und Arbeitsbedingungen – Chancen und Risiken Bericht des Bundesrates. SECO Publikation Arbeitsmarktpolitik (11. 2017).

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