Euroraum auf der Überholspur

Im vergangenen Jahr nahm die gesamtwirtschaftliche Produktion im Euroraum um 1.7% zu. Damit war der Zuwachs erstmals seit 2008 sogar kräftiger als in den Vereinigten Staaten.

KOF, ETH Zürich
KOF, ETH Zürich

Unter den grossen Ländern zog die wirtschaftliche Expansion vor allem in Deutschland (1.8%), Spanien (3.2%) und den Niederlanden (2.1%) an. Aber auch in den weniger grossen Ländern Mittel- und Osteuropas, insbesondere Rumänien, Bulgarien und der Slowakei, wurden hohe Zuwächse realisiert. Im Schatten von Spanien nahm auch die portugiesische Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte an Fahrt auf. Ebenso stieg die gesamtwirtschaftliche Produktion in den baltischen Staaten wieder stärker. Die wirtschaftlichen Schwergewichte Italien (1%) und Frankreich (1.1%) kamen hingegen nicht recht vom Fleck. In Griechenland sorgten ein geringes Investorenvertrauen und die Unsicherheit über die weitere Ausgestaltung der internationalen Hilfsprogramme für eine wirtschaftliche Stagnation.

Der breit abgestützte Aufschwung verbessert auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt: Seit dem Höchststand im Jahr 2013 ist die Arbeitslosenrate im Euroraum stetig gefallen und kam zuletzt bei 9.6% zu liegen. Allerdings ist die Situation in den einzelnen Mitgliedsländern weiterhin sehr unterschiedlich. Die niedrigsten Arbeitslosenquoten verzeichneten die Tschechische Republik (3.5%) und Deutschland (3.9%), während Spanien (18.4%) und Griechenland (23%) immer noch deutlich über dem europäischen Durchschnitt liegen. Auch in Frankreich (9.6%) und Italien (12%) verbessert sich die Lage am Arbeitsmarkt, wenn auch nur langsam.

Angesichts einer noch deutlichen Unterauslastung der Kapazitäten im Euroraum blieb der konjunkturelle Druck auf die Teuerung bisher gering. Die Kerninflation, welche die volatilen Komponenten Energie und unverarbeitete Lebensmittel nicht beinhaltet und somit ein gutes Mass für den konjunkturell bedingten Preisauftrieb ist, zieht nur sehr verhalten an und betrug im Januar 0.9%.

Freilich bewirkte der starke Anstieg der Energiepreise im Dezember einen sprunghaften Anstieg der Gesamtinflation im Euroraum. Diese betrug, gemessen als Vorjahresveränderung des harmonisierten Verbraucherpreisindex, im Januar 1.8%. Damit entspricht die Teuerung derzeit etwa dem Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von nahe, aber knapp unter 2%. Mit dem Auslaufen der Energiepreiseffekte dürfte die Inflation wieder deutlich abnehmen. Die EZB hält deswegen an ihrer aktuellen Niedrigzinspolitik fest. Das Volumen der monatlichen Anleihenkäufe wird zwar ab April auf 60 Mrd. Euro gesenkt, diese Käufe wurden aber noch bis mindestens Dezember 2017 verlängert.

Erfreulicher Ausblick für 2017 – aber mit politischer Unsicherheit behaftet

Obwohl einige Konjunkturindikatoren Anfang des Jahres auf eine leichte Schwächephase hindeuteten, ist zu erwarten, dass sich der Aufschwung im Euroraum weiter fortsetzt. Ein gewisses Abwärtsrisiko für die positive konjunkturelle Dynamik geht von den kommenden Wahlen in den Niederlanden (im März), in Frankreich (Mai bis Juni) und in Deutschland (im September) aus. EU-kritische und immigrationsfeindliche Parteien könnten Zugewinne erzielen. Hierdurch wiederum würden Regierungsbildungen erschwert und die Entscheidungsfähigkeit auf EU-Ebene, z. B. hinsichtlich des Umgangs mit dem griechischen Schuldenproblem, könnte ebenfalls beeinträchtigt werden.

Auch in Italien stehen angesichts einer zerstrittenen Regierungspartei Neuwahlen im Raum. Nach Einschätzung der KOF ist Italien der kritischste Kandidat für politische Turbulenzen mit paneuropäischen Auswirkungen. Die Protestpartei MoVimento 5 Stelle strebt im Falle eines Wahlsiegs ein Referendum über die Abschaffung des Euro in Italien an. Zwei weitere grosse Oppositionsparteien äusserten sich ebenfalls kritisch gegenüber der Einheitswährung. Bereits nur die Aussicht auf ein Euro-Referendum infolge von Neuwahlen dürfte die Finanzmärkte verunsichern.

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