KOF Konjunkturprognose Herbst 2016: Zurück zu moderatem Wachstum

Nach einer Durststrecke erholt sich die Schweizer Wirtschaft langsam wieder (siehe G 1). Als Wachstumstreiber wird der Transithandel immer wichtiger. Die übrigen Branchen entwickeln sich, mit Ausnahme des Detailhandels, seitwärts. Das Investitionsniveau bleibt eher schwach. Der Arbeitsmarkt erholt sich langsam, die Teuerung bleibt tief.

Internationales Umfeld

Für die kommenden Monate rechnet die KOF mit einem moderaten Expansionspfad der Weltwirtschaft. Die grössten Wachstumsbeiträge kommen aus den Schwellenländern. Allerdings werden die Zuwächse in China im Zuge des dortigen strukturellen Wandels sukzessive geringer, während der wirtschaftliche Aufschwung in Indien beständig bleiben dürfte. Ab dem kommenden Jahr sind unter der Annahme einer stabilen politischen Entwicklung und robuster Rohstoffpreise auch aus Russland und Brasilien wieder positive Beiträge zu erwarten. Die Weltkonjunktur ist weiterhin anfällig für neuerliche Krisen. In vielen Ländern ist die Verschuldung deutlich höher als noch vor der Grossen Rezession, wodurch wenig Spielraum für neuerliche Unterstützungsmassnahmen bleibt. Gekoppelt mit nur beschränkten Möglichkeiten zu weiteren geldpolitischen Lockerungsmassnahmen, erschwert dies den Regierungen bei Schocks unterstützend einzugreifen.

Entwicklung in der Schweiz

In der Schweiz ist auch zwei Jahre nach dem Frankenschock der Druck auf die Unternehmen hoch, die Betriebsabläufe zu optimieren bzw. effizienter zu gestalten. Der Frankenkurs hält sich seit einem Jahr gegenüber dem Euro ziemlich konstant. Das Niveau ist etwas erträglicher als in der ersten Zeit nach der Aufgabe des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Neue Turbulenzen auf den Devisenmärkten, wie nach dem Brexit-Entscheid, führten nicht zu einer weiteren Aufwertung. Allerdings dürfte dies zu einem grossen Teil auf Interventionen der SNB zurückzuführen sein.

Die Schweiz kennt seit Jahren einen Überschuss im Aussenhandel, der anfänglich durch den Handel mit Dienstleistungen, vor allem Finanzdienstleistungen, zustande kam. Seit mehr als zehn Jahren werden nun auch im traditionellen Warenhandel Überschüsse erwirtschaftet und im selben Zeitraum hat der Transithandel als zusätzliche Einnahmequelle erheblich zum Aussenhandelsüberschuss beigetragen. Der Transithandel ist ein Teil des Grosshandels und der treibende Faktor für dessen zunehmenden Anteil an der Wertschöpfung. Der Anteil des Grosshandels nahm im Zeitraum 1997 bis 2014 von 7% bis auf etwa 10% zu.

Reales BIP und BIP pro Kopf mit Prognose
Quelle: KOF

Umgeschriebene Vergangenheit

Im Vergleich zu den ersten Schätzungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) zum Wirtschaftsverlauf im letzten Jahr, die von einer Abnahme der Leistung des Handels ausgingen, wurde die Branchenentwicklung 2015 nun ziemlich auf den Kopf gestellt. Die KOF hatte im Sommer 2016 zwar eine Aufwärtsrevision im Handel prognostiziert, aber gleichzeitig eine Erhöhung der Wachstumsrate des Bruttoinlandprodukts (BIP) erwartet. Nun zeigt sich, dass die Industrie wesentlich stärker durch die Aufwertung getroffen wurde. Nominell nahm die Wertschöpfung in der Industrie mit 3.1% in der gleichen Grössenordnung wie in der ersten SECO-Schätzung ab. Der Preisrückgang in der Industrie war aber mit 2.2% wesentlich geringer als in den ersten Schätzungen, die einen Rückgang von 5.5% angaben. Die bisherige Vermutung, dass die Industrie ihre mengenmässige Produktion unter Inkaufnahme von grossen Margenverlusten um 3% steigern konnte, muss revidiert werden. Den Angaben des Bundesamts für Statistik (BFS) zufolge nahm die Produktion nun um 0.9% ab und trug damit –0.2 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Den stärksten Rückgang verzeichneten jedoch die Banken (–9%), die einen negativen Wachstumsbeitrag von 0.5 Prozentpunkten lieferten.

Schleppende Erholung auf dem Arbeitsmarkt

Die Situation am schweizerischen Arbeitsmarkt war in diesem Jahr von den Nachwirkungen der Konjunkturabschwächung im vergangenen Jahr geprägt. Das kräftige Beschäftigungswachstum der letzten Jahre konnte in den vergangenen Quartalen nicht mehr erreicht werden. Als Folge stieg die Arbeitslosigkeit. Die Zuwanderung war in den letzten Quartalen ebenfalls niedriger. Die Signale, die vorlaufende Indikatoren und harte Zahlen für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt aussenden, sind nicht eindeutig. Zwar haben viele vorlaufende Indikatoren in den letzten Wochen und Monaten die Talsohle durchschritten und sind wieder leicht gestiegen. Das deutet darauf hin, dass sich der Arbeitsmarkt in der zweiten Jahreshälfte und im kommenden Jahr langsam von der Delle, die der Frankenschock verursacht hat, erholen wird. Trotzdem sind die meisten Indikatoren immer noch auf recht tiefem Niveau. Zudem dürften die schleppende Entwicklung der Weltwirtschaft, eine gedämpfte Konsumentenstimmung und strukturelle Probleme in gewissen Sektoren – wie beispielsweise eine tiefe Profitabilität in einigen Industriebranchen und im Bankensektor – die Beschäftigungsentwicklung belasten. Aufgrund des gemächlichen Beschäftigungsaufbaus bildet sich auch die Arbeitslosigkeit kaum zurück. Saisonbereinigt dürfte die Quote der registrierten Arbeitslosen – die Arbeitslosenquote gemäss SECO – in diesem Jahr 3.3% und im nächsten Jahr durchschnittlich 3.4 % betragen. Die Arbeitslosenquote gemäss International Labour Organization (ILO) kommt in diesem Jahr bei 4.6% zu liegen und im kommenden Jahr bei 4.7% (siehe G 2).

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit mit Prognose
Quelle: KOF

Gedämpfte Konsumlaune der Verbraucher

In den kommenden Quartalen dürfte das Wachstum der Konsumausgaben bescheiden bleiben. Die Konsumenten sind gemäss dem Konsumentenstimmungsindex des SECO nach wie vor skeptisch; der Index stagniert seit einem Jahr unterhalb des langfristigen Durchschnitts. Insgesamt wird das real verfügbare Einkommen im laufenden Jahr um 1.3% zulegen, während die Beschäftigung stagnieren dürfte. Im Jahresergebnis nimmt der private Konsum 2016 um 1% zu, 2017 steigt das Wachstum auf 1.2%.

Die Preisentwicklung seit Anfang 2015 war klar von der Anpassung an die neue Wechselkursrealität geprägt. Die Vorjahresteuerung, gemessen am Landesindex der Konsumentenpreise, lag im August nur noch knapp im negativen Bereich. Dazu beigetragen hat die Stabilisierung des Ölpreises in den letzten Monaten bei knapp unter 50 US-Dollar. Damit bleibt die Teuerungsprognose für 2016 unverändert bei –0.4%. Wegen der erwarteten schwachen Nominallohnentwicklung und einer unterdurchschnittlichen Entwicklung der Mieten bleibt der Teuerungsdruck aber weiterhin gering. Für das nächste Jahr erwartet die KOF eine geringfügig positive Jahresteuerung von 0.2% und für 2018 dann eine leicht höhere Inflation von 0.3% (siehe G 3).

Konsumentenpreise mit Prognose
Quelle: KOF

Bauinvestitionen erholen sich, Dynamik der Ausrüstungsinvestitionen von Sonderfaktoren geprägt

Die momentane Investitionsneigung in der Privatwirtschaft ist als verhalten zu bezeichnen, so kommen beispielsweise die grössten Impulse im Bau vom öffentlichen Sektor. Aufgrund der verhaltenen Entwicklung in den ersten zwei Quartalen geht die KOF von einer Stagnation der Bauwirtschaft im aktuellen Jahr aus. Allerdings sind die Finanzierungsbedingungen nach wie vor attraktiv und das wirtschaftliche Umfeld verbessert sich kontinuierlich. Aufgrund dieser guten Fundamentaldaten sowie hoher Investitionen in Spitalbauten und in Infrastrukturprojekte wird sich die Bauwirtschaft im nächsten Jahr erholen und einen Zuwachs von 1.2% erzielen. Die Ausrüstungsinvestitionen werden in der nächsten Zeit durch die Auslieferung von bereits seit Langem bestellten Schienen- und Luftfahrzeugen dominiert. Mit dem Wegfall der Sonderfaktoren sinken die Ausrüstungsinvestitionen im nächsten Jahr um 0.4% und erholen sich erst 2018 wieder.

Aussenhandel: Exportwachstum dank Pharmaindustrie

Die schweizerische Exportwirtschaft scheint auf den ersten Blick den Frankenschock vom letzten Jahr angesichts eines soliden Exportwachstums im ersten Halbjahr 2016 verdaut zu haben. Allerdings war das Exportwachstum der vergangenen Quartale höchst ungleich abgestützt: So sind die Zuwächse im Warenhandel fast ausschliesslich auf ein starkes Exportwachstum bei den pharmazeutischen Produkten zurückzuführen. Nach den starken Rückschlägen im letzten Jahr belebt sich der Handel mit den EU-Ländern, welche für die Schweiz nach wie vor den wichtigsten Exportmarkt bilden, zunehmend. Für das zweite Halbjahr rechnet die KOF entsprechend mit einer zögerlichen Exportentwicklung. Erst im nächsten Jahr dürfte eine breiter abgestützte Exporterholung einsetzen mit Zuwächsen von 2.3% im nächsten und 3.6% im übernächsten Jahr. Bei den Importen prognostiziert die KOF eine schwache Entwicklung. Nächstes Jahr dürften die Importe von Waren und Dienstleistungen wieder stärker zulegen. Neben der positiven Entwicklung im Exportsektor sind hier zusätzliche Investitionsgüterimporte massgeblich.

Die detaillierten Zahlen zur aktuellen KOF Konjunkturprognose finden Sie hier.

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Yngve Abrahamsen
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