Arbeitsmarkt: Zahl der Beschäftigten um mehr als 0.6 Mio. nach oben revidiert

Die Revision der Beschäftigungsstatistik führt dazu, dass die Zahl der Beschäftigten in der Schweiz deutlich höher ist, als bisher angenommen wurde. Viele kleine Firmen und viele Angestellte mit sehr kleinem Pensum wurden nicht erfasst. Die neuen Reihen zeigen: Letztes Jahr hat vor allem das Verarbeitende Gewerbe gelitten. Für dieses Jahr rechnet die KOF mit einem bescheidenen Anstieg der gesamten Beschäftigtenzahl.

Seit Kurzem hat die Schweiz eine revidierte Beschäftigungsstatistik (BESTA). Die neuen Daten beruhen teilweise auf einer Verknüpfung von Registerdaten aus der AHV-Statistik und dem Betriebs- und Unternehmensregister des Bundesamtes für Statistik (BFS), werden aber am aktuellen Rand wie bis anhin mit Hilfe einer quartalsjährlichen Umfrage zur Beschäftigungsentwicklung bei Unternehmen fortgeschrieben. Die Stichprobe dieser Quartalsbefragung ist gross: In der Vergangenheit nahmen im Durchschnitt rund 18 000 Unternehmen teil.

Die neuen Reihen zeigen, dass die Zahl der Beschäftigten in der Schweiz deutlich höher ist als bisher angenommen. Lag die saisonbereinigte Zahl der Beschäftigten gemäss alter Statistik anfangs 2015 bei 4.23 Millionen, stieg diese Zahl in der neuen Statistik auf 4.86 Millionen – ein Unterschied von nicht weniger als 627 000 Beschäftigten. Während das Niveau also substanziell höher liegt, hat sich am Wachstum der Beschäftigung nur wenig geändert (siehe G 4). Das hängt damit zusammen, dass die Zahl der Beschäftigten in der Vergangenheit (noch) nicht gemäss neuer Methodik berechnet werden konnte, sondern bislang die neuen Beschäftigungsreihen lediglich mit den Wachstumsraten der alten Reihen in die Vergangenheit retropoliert wurden.

Für die grosse Anpassung der Zahl der Beschäftigten sind gemäss BFS zwei Gründe verantwortlich: Erstens umfasst die Beschäftigungsstatistik – im Einklang mit internationalen Standards – nun auch Beschäftigte, die 1 bis 6 Stunden pro Woche arbeiten. Andererseits hat die Neukonzeption der Beschäftigungsstatistik dazu geführt, dass viele kleine und kleinste Unternehmen neu ins Betriebsregister des BFS aufgenommen werden konnten. Mit anderen Worten: Die Beschäftigungsstatistik hatte viele kleine Firmen und viele Angestellte mit sehr kleinem Pensum bislang nicht abgedeckt. Letzteres erklärt denn auch, warum der Unterschied zwischen alter und neuer Reihe deutlich geringer ausfällt, wenn die Zahl der Beschäftigten in Vollzeitäquivalente (VZÄ) umgerechnet wird.

Revision löst Rätsel der Arbeitsmarktstatistik
Durch die Erhöhung der Zahl der Beschäftigten auf über 4.8 Millionen Personen ist ein lange ungelöstes Rätsel der Schweizer Arbeitsmarktstatistik gelöst worden. Dieses bestand darin, dass die Zahl der Personen, die bei einer Haushaltsbefragung des BFS angaben, erwerbstätig zu sein, deutlich höher war als die Zahl der Personen, die gemäss Unternehmenserhebungen zum gleichen Zeitpunkt beschäftigt waren. Der Unterschied war frappant: Erwerbstätige zählte die Schweiz seit letztem Jahr rund 5 Millionen, während die Zahl der Beschäftigten bei nur 4.3 Millionen lag. Diese grosse Differenz hatte man nicht durch konzeptionelle Unterschiede in den beiden Statistiken erklären können. Durch die nun erfolgte Korrektur der Beschäftigungsstatistik hat sich einmal mehr erwiesen, dass die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE), auf Basis derer die Zahl der Erwerbstätigen in der Schweiz ermittelt wird, die strukturelle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erstaunlich akkurat wiedergibt.

Beschäftigungsentwicklung im letzten Jahr mässig
Die neuen Beschäftigungsreihen geben erstmals Auskunft darüber, wie sich die Beschäftigung in der zweiten Hälfte des letzten Jahres in verschiedenen Branchen entwickelt hat. Deutliche Spuren hinterliess die Frankenaufwertung in gewissen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes. Besonders stark betroffen waren die Branchen der Maschinen- und Elektroindustrie, in denen im Verlaufe des Jahres insgesamt rund 8000 Vollzeitstellen verloren gingen. Betroffen davon war auch die Uhrenindustrie, in welcher 1200 Vollzeitstellen abgebaut wurden. Gegenteilig entwickelte sich die Beschäftigung in der Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie. In diesen Branchen konnten jeweils mehr als 1000 vollzeitäquivalente Stellen neu geschaffen werden. Abgenommen hat im Vorjahresvergleich hingegen die Beschäftigung im Detailhandel (-3800 Vollzeitstellen) und im Baugewerbe (-2100 Vollzeitstellen). Dass im Baugewerbe im 4. Quartal weniger vollzeitäquivalente Beschäftigte gezählt wurden als im Jahr davor, gab es zuletzt 2008. Gelitten unter der Frankenstärke hat auch die Beschäftigtenentwicklung bei den Finanzdienstleistern. Im Vorjahresvergleich nahm die Beschäftigung in Vollzeitstellen umgerechnet um 2600 Stellen ab. Dass die Schweiz Ende 2015 doch mehr VZÄ-Beschäftigte aufwies als das Jahr davor – nämlich rund 13 500 –, lag vor allem an jenen wissensintensiven Dienstleistungsbranchen, die in den letzten Jahren fast immer gewachsen sind: Beispiele sind das Versicherungswesen (+1000 Vollzeitstellen), die Unternehmensberatung (+1500 Vollzeitstellen), die Architektur- und Ingenieurbüros (+1850) und vor allem auch das Gesundheits- und Sozialwesen (+11 400).

Allmähliche Erholung des Arbeitsmarktes im Jahr 2016

Der Arbeitsmarkt dürfte sich in den nächsten Monaten nur allmählich von den Folgen des Frankenschocks erholen. Zwar dürfte das Beschäftigungswachstum in diesem Jahr etwas breiter abgestützt sein, als dies im letzten Jahr der Fall war. Trotzdem ist im laufenden Jahr nur mit einem verhaltenen Beschäftigungswachstum zu rechnen. Gemäss Prognose resultiert ein Anstieg der VZÄ-Beschäftigung im Vorjahresvergleich von 0.4%. Im nächsten Jahr ist mit einem Wachstum von 0.8% zu rechnen. Ähnlich bescheiden entwickelt sich die Zahl der Erwerbstätigen, die im laufenden Jahr gemäss Prognose um 0.7% zunimmt. Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt dürfte den zuletzt beobachteten Anstieg der Arbeitslosigkeit nur bremsen. Mit einer nachhaltigen Abnahme der saisonbereinigten Zahl der Arbeitslosen rechnen wir in diesem Jahr nicht. Im Jahresmittel dürfte die Quote der registrierten Arbeitslosen 3.5% betragen. 2017 resultiert eine Arbeitslosenquote von 3.6%. Die Arbeitslosenquote gemäss International Labour Organization (ILO), die auch Arbeitslose mitzählt, die ausgesteuert wurden oder die sich nicht beim Arbeitsamt registrierten, steigt parallel dazu ebenfalls tendenziell leicht an. Sie dürfte 2016 im Schnitt 4.8% betragen, was aus historischer Sicht ein hoher Wert ist.

Ansprechpartner

Dr. Michael Siegenthaler
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
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KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
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Schweiz

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