Wie relevant sind die Energiepreise für Firmen wirklich?

Der starke Anstieg der Energiepreise seit dem Jahr 2022 hat zu vielen Diskussionen geführt. Doch wie wichtig sind die Energiepreise für die Unternehmen wirklich? Und über welche Kanäle sind die Unternehmen den Energiepreisen ausgesetzt? Zur Beantwortung dieser Frage haben Forscher­innen und Forscher der KOF, der EPFL und der Universität Lausanne eine Unternehmensbefragung durchgeführt, die durch die Enterprise for Society(E4S)-Stiftung sowie die MTEC Foundation gefördert wurde.

Zwischen Mitte Juni und Mitte August 2023 nahmen insgesamt 882 Schweizer Unternehmen an der Online-Befragung teil. Für die Analyse wurde die Stichprobe auf privatwirtschaftliche Unternehmen eingeschränkt. Es wurden beispielsweise Sportvereine aus der Stichprobe ausgeschlossen, die das Bundesamt für Statistik in der Schweizer Unternehmenspopulation dem Wirtschaftszweig «Kunst, Unterhaltung und Erholung» zuordnet. So blieben 737 Befragte übrig.

Die Befragten wurden gefragt, wie viel Prozent der gesamten Betriebsausgaben ihres Unternehmens im Jahr 2022 für Energieprodukte (z.B. Strom, Treibstoff und andere Öl- oder Gasprodukte) ausgegeben wurden. Damit sollte unter anderem ermittelt werden, ob die von den Unternehmen angegebene Bedeutung der Energiekosten durch ihre direkte Energiekosten-Belastung erklärt werden kann.

Die Antworten zeigten, dass dieser Prozentsatz oft gering ist, wobei Energieprodukte nur 3% der gesamten Betriebsausgaben für das typische Unternehmen (Median) ausmachen. Einer von zehn Befragten gab jedoch an, dass sein Unternehmen 14% oder mehr der Gesamtausgaben für Energieprodukte aufwendet.

Nimmt man diese Antworten für bare Münze, könnte man meinen, dass die Entwicklung der Energiepreise für die Schweizer Unternehmen von untergeordneter Bedeutung ist, da der direkte Anteil an den Ausgaben für die meisten von ihnen eher gering ist. Die Energiepreise können jedoch auch über andere Kanäle von Bedeutung sein, z.B. über die Kosten von Vorleistungen, oder sie können die Nachfrage nach den Produkten und Dienstleistungen der Unternehmen beeinflussen.

Um die subjektive Bedeutung der Energiepreise für ihr Unternehmen direkt zu messen, wurden die Befragten gebeten, die Bedeutung der folgenden fünf Faktoren zu bewerten, die «für Ihre Kosten oder die Nachfrage nach Ihren Produkten/Dienstleistungen eine Rolle spielen können»: (i) Wechselkurse (z.B. Schweizer Franken zu Euro), (ii) das allgemeine Zinsniveau in der Schweiz, (iii) das allgemeine Preisniveau/die Inflation in der Schweiz, (iv) Energiekosten und (v) die Entwicklung der Durchschnittslöhne in der Schweiz.

Für gut die Hälfte der Unternehmen sind die Energiekosten wichtig

Insgesamt gaben 54% der Befragten an, dass die Energiekosten für ihr Unternehmen eher oder sehr wichtig sind, während 30% der Befragten angaben, dass die Energiekosten eher oder gar nicht wichtig sind. Im Vergleich zu anderen Faktoren sind die Energiepreise relativ weniger wichtig als die Lohn- und Preisinflation (77% bzw. 75% der Unternehmen halten diese für sehr oder eher wichtig) und der Zinssatz (62%), aber immer noch wichtiger als der Wechselkurs (42%). In Grafik G 4 ist die Bedeutung der Energiekosten für die Unternehmen für verschiedene Grössenkategorien dargestellt. Es zeigt sich, dass die Energiekosten für grössere Unternehmen wichtiger ist als für kleinere Unternehmen.
 

Eine ökonometrische Analyse auf Basis der gesammelten Antworten ergab folgende Erkenntnisse: Die Kostenstruktur spielt eine Rolle, da Unternehmen in der Industrie und im Baugewerbe sowie generell Unternehmen mit einem höheren Energiekostenanteil die Energiekosten in der Regel für wichtiger halten. Dies kann jedoch nicht erklären, warum die Mehrheit der Managerinnen und Manager die Energiekosten trotz eines geringen Kostenanteils als wichtig erachtet. Die weitere Analyse ergab, dass die Energiekosten insbesondere von denjenigen Unternehmen als wichtig angesehen werden, die in ihrem Sektor einer starken Wettbewerbsintensität ausgesetzt sind.

Die Unternehmen wurden auch nach ihren jüngsten Erfahrungen mit den Energiekosten befragt. Das typische Unternehmen verzeichnete in den zwölf Monaten vor Teilnahme an der Umfrage einen Anstieg von 10%. Die Veränderungen bei den Energiekosten waren jedoch ungleichmässig auf die Unternehmen verteilt, wobei eines von zehn Unternehmen einen Anstieg von 40% oder mehr zu verzeichnen hatte. Interessanterweise gaben Managerinnen und Manager, die einen grösseren Anstieg der Energiekosten erlebt haben, auch eine höhere Bedeutung der Energiekosten an, was darauf hindeutet, dass die angegebene Bedeutung mit den jüngsten Erfahrungen der Managerinnen und Manager zusammenhängt und sich schnell ändern kann. Diese Unternehmen sind auch unsicherer, was die zukünftige Entwicklung der Energiekosten angeht. Sowohl der hohe Preisanstieg als auch die grosse Unsicherheit stellen eine direkte Bedrohung für die zukünftige Rentabilität und die Investitionsentscheidungen dieser Unternehmen dar.

Steigende Energiekosten gefährden Investitionen

Einige Unternehmen sind aufgrund ihrer Kostenstruktur in hohem Masse von den Energiekosten abhängig bzw. haben sehr starke Energiekostensteigerungen erlebt. Ein Anstieg der Energiekosten stellt eine direkte Bedrohung für die Investitionen dieser Unternehmen über zwei Kanäle dar. Erstens können ihre internen Mittel durch die gestiegenen Kosten aufgezehrt werden. Zweitens werden diese Unternehmen unsicherer über die künftige Entwicklung der Energiekosten, was ihre Investitionsnachfrage verringern könnte.  

Ansprechpersonen

Prof. Kenza Benhima
Professorin an der Universität Lausanne
Prof. Andreas Fuster
Professor an der EPFL
Dr. Heiner Mikosch
  • LEE G 205
  • +41 44 632 42 33

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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