Wie lassen sich geschlechtsspezifische Unterschiede im Hochschulbereich überwinden?

Frauen in Führungspositionen sind im akademischen Sektor immer noch unterrepräsentiert. Ein Professorinnenprogramm soll dies in Deutschland ändern. Eine aktuelle Studie mit Beteiligung der KOF untersucht den Erfolg dieses Förderprogramms.

Einleitung

Massnahmen zur Förderung von Frauen und Männern wurden in grossem Umfang durchgeführt, um geschlechtsspezifische Unterschiede auf den Arbeitsmärkten, einschliesslich der Karriereaussichten und der Löhne, zu beseitigen. Im akademischen Sektor ist die Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen ein anhaltendes Problem. Aus wirtschaftstheoretischer Sicht ist das geschlechtsspezifische Gefälle im akademischen Bereich auf geringere Bildungsinvestitionen von Frauen und geschlechtsspezifische Unterschiede im Wettbewerbsverhalten zurückzuführen. Auch die Diskriminierung von Frauen kann zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden beitragen, indem sie eine sogenannte «gläserne Decke» schafft, die Karrierechancen von Frauen behindert.

Um dieses Problem anzugehen, haben viele politische Entscheidungsträger auf positive Diskriminierungsmassnahmen gesetzt. Das 2007 gestartete Professorinnenprogramm (im Folgenden mit WPP abgekürzt) in Deutschland ist ein einzigartiges, anreizbasiertes Förderprogramm für den akademischen Arbeitsmarkt. Das WPP nennt drei Ziele, von denen zwei – die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und die Erhöhung des Frauenanteils auf allen akademischen Karrierestufen – als langfristig und schwer quantifizierbar angesehen werden können. Das dritte Ziel des WPP hingegen ist die Erhöhung des Anteils von Forscherinnen in wissenschaftlichen Spitzenpositionen (d.h. Professuren) an Universitäten. Da das WPP direkte Mittel zur Erreichung dieses Ziels bereitstellt, ist dies zumindest kurzfristig das wichtigste und greifbarste Ziel. Die Förderung beträgt bis zu 150 000 Euro pro Jahr und Professur über die fünf Jahre jeder Programmrunde. Konkret können die Universitäten bis zu drei Professuren für Frauen finanzieren, die sie nach der Berufung einer Frau beantragen können. So kann eine Universität in einer Programmrunde bis zu 2.25 Mio. Euro erhalten.

Forschungsfragen und Methodik

Eine Studie von Mario Fernandes, Andreas Walter (beide Justus-Liebig-Universität Giessen), Simon Hilber und Jan-Egbert Sturm (beide KOF, ETH Zürich) mit dem Titel «Closing the gender gap in academia? Evidence from an affirmative action program» konzentriert sich auf die -Auswirkungen des Programms auf BWL-Professorinnen und -Professoren in Deutschland. Mit der Untersuchung sollen zwei Hauptfragen beantwortet werden. Erstens: Erhöht das Programm die Wahrscheinlichkeit, dass die neu berufenen BWL-Professoren an Programmuniversitäten weiblich sind, im Vergleich zu Nicht-Programmuniversitäten? Zweitens: Beeinflusst das Programm die Publikationseinstellungskriterien für neu eingestellte Professoren, insbesondere von Frauen, im Vergleich zu Nicht-Programmuniversitäten?

Um diese Fragen zu klären, verwendet die Studie einen Differenz-in-Differenzen-Ansatz mit einem Datensatz von 827 Professoren und Professorinnen für Betriebswirtschaftslehre, die zwischen 1996 und 2017 einen Erstruf an eine deutsche Universität erhalten haben. Dieses natürliche Experiment basiert auf der Annahme, dass sich Programm- und Nicht-Programmhochschulen ohne das WPP parallel entwickelt hätten. Die Forscher bieten drei verschiedene Tests für die Annahme paralleler Trends an und die Ergebnisse unterstützen ihre Angemessenheit in diesem Umfeld.

Auswirkungen des Programms auf die Vertretung der Geschlechter

Die Studie zeigt, dass an Universitäten, die am WPP teilnehmen, mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit (ca. 10 Prozentpunkte mehr) weibliche Professoren neu berufen werden als an nicht teilnehmenden Universitäten. Das Ausmass dieses Effekts ist beträchtlich, wenn man bedenkt, dass der Prozentsatz der weiblichen Professoren in der Stichprobe relativ niedrig ist (ca. 20%). Das Programm hat offenbar erfolgreich dazu beigetragen, den Anteil der neu berufenen Professorinnen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften zu erhöhen.

Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Untersuchungen überein, in denen ebenfalls festgestellt wurde, dass sich das Programm positiv auf die Gesamtvertretung von Professorinnen in allen akademischen Disziplinen auswirkte (Löther, 2019). Die Studie von Fernandes, Walter, Hilber und Sturm trägt jedoch zu zusätzlichen Erkenntnissen bei, indem sie genauere Schätzungen der Auswirkungen des Programms auf neu ernannte Professoren und Professorinnen liefert und mehr über die unterliegenden Mechanismen aussagen kann.

Mechanismen hinter dem Erfolg des WPP

Die Studie geht den Mechanismen hinter dem Erfolg des WPP auf den Grund, indem sie die Publikations-Portfolios neu berufener Wirtschaftsprofessoren analysiert. Veröffentlichungen in von Experten begutachteten Fachzeitschriften sind ein entscheidender Faktor für eine akademische Beförderung und somit ein wesentlicher Faktor im Einstellungsprozess.

Die Analyse zeigt, dass die am Programm teilnehmenden Universitäten die Publikationsanforderungen für neu eingestellte Professorinnen gesenkt haben, ohne dass sich dies auf die Einstiegshürden für männliche Professoren ausgewirkt hat. Dies deutet darauf hin, dass der Erfolg des Programms bei der Erhöhung des Anteils weiblicher Professoren zumindest teilweise durch positive Diskriminierungsmassnahmen erzielt wird. Indem die Programmuniversitäten die Einstiegshürde für Nachwuchswissenschaftlerinnen senken, schaffen sie ein günstigeres Umfeld für Frauen, um eine Professur zu erhalten.

Diese Studie baut auf früheren Forschungsergebnissen auf, die zeigen, dass Veröffentlichungen für die Einstellung und Beförderung in der Wissenschaft wichtig sind (Ayaita et al., 2019; Röbken, 2009). Obwohl die Studienautoren nicht ausschliessen können, dass auch andere Aspekte wie Änderungen bei der Gewichtung der Lehrleistung oder die Einwerbung von Drittmitteln eine Rolle gespielt haben, konzentrieren sie sich aufgrund ihrer qualitativ hochwertigen Daten auf die Publikations-Portfolios als Mass für die wissenschaftliche Leistung.

Implikationen

Die Ergebnisse der Studie haben wichtige Implikationen für die Gleichstellungspolitik im akademischen Arbeitsmarkt. Der Erfolg des Professorinnenprogramms zeigt, dass finanzielle Anreize wirksam sein können, wenn es darum geht, Universitäten zur Umsetzung von Gleichstellungsmassnahmen zu ermutigen. Das Programm motiviert wissenschaftliche Einrichtungen, sich mit Gleichstellungsfragen zu befassen, was zu einem geschlechtergerechteren Arbeitsumfeld führt.

Die positiven Ergebnisse des Programms in der Betriebswirtschaftslehre bieten wertvolle Erkenntnisse für politische Entscheidungsträger, die die Gleichstellung der Geschlechter auf den akademischen Arbeitsmärkten fördern wollen. Im Gegensatz zu vielen früheren Initiativen, deren Ergebnisse uneinheitlich waren, scheinen finanzielle Anreize wie das Professorinnenprogramm einen positiven Wandel in den Einrichtungen auszulösen. Darüber hinaus unterstreicht die hohe Akzeptanz des Programms innerhalb der akademischen Gemeinschaft in Deutschland, die durch die grosse Zahl der Hochschulen, die sich um die Teilnahme beworben haben, belegt wird, sein Potenzial als Modell für künftige Massnahmen zur Förderung der Gleichstellung weltweit.

Wie jede Studie hat auch diese ihre Grenzen. Es fehlen detaillierte Informationen zu den einzelnen Berufungen, die einen besseren Einblick in die direkten Auswirkungen auf bestimmte Fachbereiche innerhalb der BWL ermöglichen würden. Darüber hinaus würde die Analyse längerer Beobachtungszeiträume ein besseres Verständnis der langfristigen Auswirkungen des Programms ermöglichen.

Schlussfolgerung

Diese Studie leistet einen Beitrag zur Literatur über die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Wissenschaft und über politische Massnahmen zur Verringerung des Geschlechtergefälles. Trotz einiger Einschränkungen unterstreichen die Ergebnisse dieser Studie das Potenzial finanzieller Anreize, positive Veränderungen auf den akademischen Arbeitsmärkten voranzutreiben und die Geschlechterkluft in der Wissenschaft zu schliessen.

Die in der Zeitschrift «Research Policy» erschiene Studie «Closing the gender gap in academia? Evidence from an affirmative action program» finden Sie hier: externe Seitehttps://doi.org/10.1016/j.respol.2023.104865

Literatur

Ayaita, A., K. Pull, U. Backes-Gellner (2019): You get what you ‘pay’ for: academic attention, career incentives and changes in publication portfolios of business and economics researchers. J. Bus. Econ. 89 (3), 273–290. externe Seitehttps://doi.org/10.1007/s11573-017-0880-6

Löther, A. (2019): Is it working? An impact evaluation of the German “women professors program”. Sociol. Sci. 8 (4), 116. externe Seitehttps://doi.org/10.3390/socsci8040116

Röbken, H. (2009): Career paths of German business administration academics. German J. Hum. Resour. Manag. 23 (3), 219–236.
externe Seitehttps://doi.org/10.1177/239700220902300303
 

Ansprechperson

Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm
Ordentlicher Professor am Departement Management, Technologie und Ökonomie
Direktor KOF Konjunkturforschungsstelle
  • LEE G 305
  • +41 44 632 50 01

Professur f. Wirtschaftsforschung
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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