Klimarisiken und Investitionen: Wie Schweizer Unternehmen mit dem Klimawandel umgehen

Viele Schweizer Unternehmen sehen ihre Geschäftstätigkeit zwar physischen Klimarisiken ausgesetzt, betrachten den ökologischen Wandel dennoch überwiegend als Chance denn als Risiko. Die Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels beschleunigen sich und im Vergleich mit der EU zählt die Schweiz zu den Vorreitern. Mit einem neuen Fragenblock in ihrer Investitionsumfrage beleuchtet die KOF die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels aus Sicht der Schweizer Unternehmen.

Der Klimawandel stellt die Gesellschaft als Ganzes und die Unternehmen als Teil von ihr vor epochale Herausforderungen. Zum einen konfrontiert der Klimawandel die Unternehmen mit kaum kontrollierbaren Ereignissen, die sich kurz- oder langfristig negativ auf ihre Vermögenswerte und Produktivität auswirken können. So können extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen ganze Produktionsanlagen zerstören oder längerfristig erhöhte Temperaturen die Arbeitsproduktivität verringern. Zum anderen sind Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels mit grossen Unsicherheiten behaftet und der Übergang zu einer postfossilen Wirtschaft erfordert von den Unternehmen ein hohes Mass an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

Folglich sind die Unternehmen mit zwei Arten von klimabezogenen Risiken konfrontiert: physische Risiken, die sich direkt aus dem Klimawandel und den Folgen potenziell damit verbundener Wetterereignisse ergeben, und Übergangsrisiken, die sich aus der Reaktion der Gesellschaft auf den Klimawandel und dem Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ergeben.

Neue Fragen zu Klima und Wetterereignissen in der KOF Investitionsumfrage

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels zu erfassen und damit Erkenntnisse für dessen Eindämmung zu gewinnen, ist ein besseres Verständnis dieser Risiken aus unternehmerischer Sicht erforderlich. Zu diesem Zweck hat die KOF die Frühjahrsausgabe ihrer halbjährlichen Investitionsumfrage um Fragen ergänzt, wie Unternehmen Klimarisiken wahrnehmen und welche Massnahmen sie ergreifen, um diesen Risiken zu begegnen.

Die Fragen orientieren sich an der Investitionsumfrage der EIB-Gruppe1, die jährlich rund 12 000 Unternehmen aus den 27 EU-Ländern befragt. Seit 2020 enthält sie einen Fragenblock zum Thema Klima. Die Anlehnung an diese Fragen ermöglicht einen Vergleich der für die Schweiz gewonnenen Erkenntnisse mit internationalen Umfrageresultaten. So können im Folgenden die Ergebnisse für die Schweiz mit den aktuellen Resultaten der EIB-Investitionsumfrage verglichen werden, die derzeit aus dem Jahr 2022 stammen.

Physische Klimarisiken für viele Unternehmen eine Realität

Fast drei Viertel der Schweizer Unternehmen sehen sich physischen Klimarisiken ausgesetzt (siehe Grafik G 6). Im Rahmen der Investitionsumfrage wurden die Unternehmen befragt, welchen Einfluss potenziell mit dem Klimawandel verbundene Wetterereignisse auf ihre Geschäftstätigkeit haben würden. Knapp ein Fünftel der Befragten berichtet von einem grossen und 54% von einem geringen Einfluss.

Während mehr Grossunternehmen ihre Geschäftstätigkeit von physischen Risiken beeinflusst sehen als kleine und mittelgrosse Unternehmen, gibt es kaum Unterschiede in der Wahrnehmung physischer Risiken zwischen den einzelnen Sektoren. Im internationalen Vergleich sehen sich mehr Unternehmen aus der Schweiz physischen Klimarisiken ausgesetzt als Unternehmen aus den EU-Ländern. Insgesamt sehen nur 57% der Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten ihre Geschäftstätigkeit von physischen Risiken beeinflusst. 17% berichten von einem grossen und zwei Fünftel von einem geringen Einfluss.

Unternehmen sehen den ökologischen Wandel überwiegend als Chance denn als Risiko

Die Schweizer Unternehmen scheinen sich mehrheitlich der Risiken bewusst zu sein, die mit dem ökologischen Wandel verbunden sind. Auf die Frage, wie sich der Übergang zu strengeren Klimastandards und -vorschriften in den nächsten fünf Jahren auf ihr Unternehmen auswirken wird, sieht fast die Hälfte der Unternehmen dies als Chance und 27% sehen es als Risiko (siehe Grafik G 7). Rund 28% sehen keine Auswirkungen für ihr Unternehmen. Damit rechnen in der Schweiz mehr Unternehmen mit Auswirkungen der ökologischen Transition als in der EU und der Wandel wird hier insgesamt optimistischer bewertet.

39% der Firmen aus den EU-Ländern nehmen keine Übergangsrisiken wahr, 32% bewerten sie als Risiko und 29% als Chance. Vor allem Grossunternehmen und Unternehmen aus dem Baugewerbe beurteilen den ökologischen Wandel als Chance. Dagegen ist der Anteil der Unternehmen, die den ökologischen Wandel als Risiko sehen, in der Industrie mit einem Drittel am höchsten.

Da Übergangsrisiken unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Geschäftsbereiche haben können, wurden die Unternehmen zusätzlich gebeten, die Auswirkungen anzugeben, die der Übergang zu geringen CO2-Emissionen in den nächsten fünf Jahren auf ihre Marktnachfrage, ihre Lieferkette und ihre Reputation haben wird. Daraus geht hervor, dass die Unternehmen den ökologischen Wandel eher mit positiven als mit negativen Auswirkungen auf ihre Nachfrage und ihren Ruf in Verbindung bringen. Dies gilt jedoch nicht für die Lieferketten, wo die Unternehmen eher negative Auswirkungen erwarten.

Schweizer Unternehmensinvestitionen zur Bekämpfung des Klimawandels beschleunigen sich

Mehr als die Hälfte der Schweizer Unternehmen hat im vergangenen Jahr Investitionen getätigt, um die Auswirkungen von Wetterereignissen zu bekämpfen und CO2-Emissionen zu reduzieren (siehe Grafik G 8). Und die Investitionen zur Bekämpfung des Klimawandels dürften in naher Zukunft weiter an Fahrt gewinnen. Denn mit 72% planen fast drei Viertel aller Unternehmen solche Investitionen in den nächsten drei Jahren.

Damit nimmt die Schweiz im Vergleich zu den EU-Ländern eine Vorreiterrolle ein. Mit durchschnittlich 45% haben in der Vergangenheit bereits weniger Unternehmen aus der EU in die Reduktion von CO2-Emissionen investiert als Schweizer Unternehmen. Und mit 51% planen auch in naher Zukunft weniger Unternehmen aus der EU als aus der Schweiz entsprechende Investitionen. Damit ist die Schweiz am ehesten mit Ländern wie Dänemark, Slowenien oder Litauen vergleichbar, was die Klimainvestitionen ihrer Unternehmen angeht (siehe Grafik G 9).

Ein Vorbehalt bei diesem Vergleich ist, dass die derzeit verfügbaren Daten aus der EIB-Umfrage aus dem Jahr 2022 stammen und sich somit auf minimal andere Zeiträume beziehen als die Daten der KOF Investitionsumfrage2 (siehe Anhang «Daten und Methodik» für weitere Details).

In der Schweiz werden Klimainvestitionen in erster Linie von Grossunternehmen mit mehr als 250 Vollzeitstellen getätigt. 59% von ihnen haben im vergangenen Jahr entsprechend investiert und 78% planen weitere Investitionen in den nächsten drei Jahren. Im Gegensatz dazu haben nur 49% der KMU Klimainvestitionen getätigt und zwei Drittel von ihnen planen, dies auch in naher Zukunft zu tun. Branchenübergreifend investieren 60% der Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes in die Verringerung ihrer CO2-Emissionen. Im Baugewerbe und bei den Dienstleistern liegt der entsprechende Anteil bei weniger als der Hälfte.

------------------------

1Die EIB-Gruppe besteht aus der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds.

2Die Daten der KOF Investitionsumfrage stammen vom Frühling 2023; die in der Vergangenheit getätigten Investitionen von Unternehmen in der Schweiz beziehen sich auf das Jahr 2022, die in naher Zukunft geplanten Investitionen auf die nächsten drei Jahre (2024–2026). Die Daten der Investitionsumfrage der EIB-Gruppe stammen aus dem Jahr 2022; die in der Vergangenheit getätigten Investitionen von Unternehmen aus den EU-Mitgliedstaaten beziehen sich auf das Jahr 2021, die in naher Zukunft geplanten Investitionen auf die nächsten drei Jahre (2023–2025).

Daten und Methodik

KOF Investitionsumfrage

Die Investitionsumfrage der KOF dient der zeitnahen Erfassung der Investitionstätigkeit von Schweizer Unternehmen. Sie wird seit 1967 durchgeführt und enthält Fragen zu Investitionsplänen und -zielen, zu Investitionszwecken und Einflussfaktoren auf Investitionen.

Die Teilnehmer sind private Schweizer Unternehmen mit mehr als zwei Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten, die alle Wirtschaftszweige der Schweiz, mit Ausnahme der Landwirtschaft, abdecken. Das Teilnehmerpanel ist eine geschichtete Zufallsstichprobe, die sicherstellt, dass es sich um eine repräsentative Stichprobe der Schweizer Wirtschaft für jede Unternehmensgrössenklasse (gemessen an der Anzahl Beschäftigten) auf Branchenebene (NACE-Ebene «Abteilung») handelt.

Die Umfrage wird halbjährlich jeweils im Frühling und im Herbst durchgeführt. Es steht den Unternehmen frei, die Investitionsumfrage in Deutsch, Französisch, Italienisch oder Englisch und den Fragebogen entweder auf Papier oder direkt im Internet auszufüllen.

Die Umfrage im Frühling 2023 wurde vom 21. Februar bis 15. Mai 2023 durchgeführt. Insgesamt wurden 5858 Unternehmen angeschrieben, von denen 2488 Unternehmen geantwortet haben. Die entsprechende Rücklaufquote beträgt 43%.

Investitionsumfrage der EIB-Gruppe

Die Investitionsumfrage der EIB-Gruppe dient der Erfassung der Investitionstätigkeit und -finanzierung europäischer Unternehmen. Seit 2020 enthält sie einen Fragenblock zum Thema Klima.

Die Teilnehmer stammen aus der Datenbank ORBIS des Bureau van Dijk. Die Stichprobe umfasst nicht finanzielle Unternehmen (NACE-Ebene «Abschnitte» C bis J) mit mindestens fünf Beschäftigten aus den 27 EU-Mitgliedstaaten. Seit 2019 wird die Umfrage auch in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Das Teilnehmerpanel ist eine geschichtete Zufallsstichprobe und repräsentativ auf den Ebenen EU, Länder, Sektoren und Unternehmensgrössenklassen.

Die Umfrage wird seit 2016 jährlich per Telefon durchgeführt. Zusätzliche Module werden teilweise über das Internet realisiert. Die Umfrage aus dem Jahr 2022 wurde im Zeitraum von April bis Juli 2022 durchgeführt. Befragt wurden rund 12 000 Unternehmen aus Europa und 800 Unternehmen aus den Vereinigten Staaten.

Vergleichbarkeit der KOF- und EIB-Daten

Die Daten der KOF Investitionsumfrage wurden im Frühling 2023 erhoben. Die Daten der Investitionsumfrage der EIB-Gruppe stammen aus dem Jahr 2022 und sind öffentlich unter externe Seitehttps://data.eib.org/eibis/ verfügbar.

Die Fragen sind vom Wortlaut her in beiden Umfragen vergleichbar. Die Referenzzeitpunkte und Bezugszeiträume der Fragen sind insofern identisch, als dass sich die Realisationen auf das vergangene Jahr und die Erwartungen auf die nächsten drei bzw. fünf Jahre beziehen.

Die Stichproben der beiden Erhebungen unterscheiden sich im Wesentlichen in der sektoralen Abdeckung (die KOF befragt Unternehmen aus den NACE-«Abschnitten» C bis S, die EIB-Gruppe aus den NACE-«Abschnitten» C bis J), in der Einbeziehung kleiner Unternehmen (die EIB-Gruppe befragt Unternehmen mit mehr als fünf Beschäftigten, die KOF auch Mikro-Unternehmen mit zwei bis fünf Beschäftigten) und in der Granularität der Schichtung (die KOF schichtet ihre Stichprobe pro drei Unternehmensgrössenklassen und 75 NACE-«Abteilungen», die EIB-Gruppe schichtet ihre Stichprobe für jedes Land pro vier Unternehmensgrössenklassen und vier Sektoren).

Die EIB-Gruppe gewichtet ihre Erhebungsergebnisse mit Daten zur Wertschöpfung zu Faktorkosten (Bruttoeinkommen aus betrieblicher Tätigkeit nach Bereinigung um betriebliche Subventionen und indirekte Steuern) als Grundgesamtheit. Innerhalb einer Grössenklasse-Sektor-Schicht erhält jedes Unternehmen das gleiche Gewicht. Die Ergebnisse der KOF Investitionsumfrage sind nach Beschäftigung gewichtet.

Ansprechperson

Pascal Seiler
  • LEE G 113
  • +41 44 632 89 44

KOF FB Konjunkturumfragen
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

Ähnliche Themen

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert