Bankenregulierung: Die vielen Tücken der bail-in Bonds

«Bail-in Bonds» sind auf den ersten Blick eine attraktive Idee, um in Schieflage geratene Banken zu rekapitalisieren. Im Fall der Credit Suisse wurden aber gemäss FINMA Verlustpuffer im Umfang von über 50 Mrd. Fr. zur Rekapitalisierung nicht aktiviert, weil keine Zwangssanierung angeordnet wurde. Bail-in Bonds, die nur durch eine Staatsintervention abgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt werden können, haben eine Reihe von Tücken, die in diesem Beitrag diskutiert werden.

Das «Too-big-to-fail»-Regelwerk soll die Sanierung oder Liquidation systemrelevanter Banken im Insolvenzfall koordinieren. Die Eidgenössische Finanzaufsicht (FINMA) verzichtete aber darauf, die Credit Suisse einer Zwangssanierung zu unterziehen oder sie gar in Konkurs gehen zu lassen. Grund dafür waren unter anderem die Sorge, durch eine Sanierung grössere Verwerfungen an den internationalen Finanzmärkten auszulösen, und die Ungewissheit, ob eine Sanierung überhaupt hätte gelingen können. Durch diese Entscheidung wurden bail-in Bonds im Umfang von über 50 Mrd. Fr. im Verlustpuffer der Credit Suisse nicht aktiviert.

Dieses Nicht-Handeln ruft nach einer Reform des Regelwerks, um die Sanierungs- und Konkursverfahren für global agierende und systemrelevante Banken praxistauglicher zu machen. Dies stellt die Schweiz vor allem aus drei Gründen vor grosse Herausforderungen. Erstens betreffen die Sanierungs- und Konkursverfahren die Jurisdiktionen verschiedener Länder.

Zweitens können die Sanierungs- oder Notfallpläne die Ansteckungsdynamik einer in Schieflage geratenen Bank nicht sicher eindämmen, da solche Schieflagen meist in einem fragilen Umfeld stattfinden.

Drittens sind die Notfallpläne aufgrund der Komplexität praktisch nur schwer umsetzbar. Sanierungs- und Konkursverfahren für globale Grossbanken, die ohne grosse Verwerfungen in den internationalen Finanzmärkten auskommen, sind ordnungspolitisch erforderlich, aber aufgrund dieser Probleme gerade für die Schweiz sehr schwer zu realisieren.

Deshalb könnte eine konzeptionell einfachere Massnahme zur weiteren Stabilisierung des Bankensystems beitragen: die Verschiebung internationaler Standards in den Verlustpuffern weg von bail-in Bonds hin zu Eigenkapital. Der vorliegende Beitrag beleuchtet die Idee und auch die vielfältigen Tücken der bail-in Bonds gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung von Grossbanken in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft.

Die vielversprechende Idee mit den Wandelanleihen

Die Bankenrettung durch Wandlung oder Reduktion von Gläubigerforderungen, der sogenannte «Bail-in», ist international zur Standardmethode der Bankenrettung geworden. Bail-in Bonds spielen dabei eine wichtige Rolle. Dies sind bedingte Pflichtwandelanleihen, welche in Eigenkapital umgewandelt werden, wenn entweder die Eigenmittel des Emittenten einen vorbestimmten Schwellenwert unterschreiten und/oder wenn ein staatlicher Eingriff, wie ein erzwungenes Sanierungsverfahren, stattfindet. Dazu können auch Anleihen gehören, deren Forderungen bei einem auslösenden Ereignis vollständig verfallen.

Es gibt eine Umwandlungsrangfolge, die bestimmt, wie die bail-in Bonds je nach Ereignis und Schwellenwert zur Rekapitalisierung einer Bank umgewandelt werden. Im Fall der Credit Suisse wurden bail-in Bonds vom Typ AT1 im Wert von rund 16 Mrd. Fr. vollständig abgeschrieben. Über 50 Mrd. Fr. weitere ausgewiesene Verlustpuffer, bestehend aus bail-in Bonds, wurden jedoch nicht zur Rekapitalisierung eingesetzt. Um diese zu aktivieren, hätte die FINMA ein Zwangssanierungsverfahren einleiten müssen.

Dem allgemeinen Prinzip von bail-in Bonds, wie auch im Fall der Credit Suisse, scheint etwas Magisches anzuhaften; mit einem Schlag kann eine Bank wieder solvent werden. Dies weckt die Assoziation mit «Schrödingers Katze», die gleichzeitig lebt und tot ist, so dass eine Bank in Schieflage kurzerhand zu einer «Schrödinger-Bank» wird – solvent und zugleich insolvent. Was auf den ersten Blick wie Magie aussieht, ist auf den zweiten Blick ein problematischer Weg, der in der wissenschaftlichen Literatur bereits thematisiert worden ist und nun neu an Aktualität gewonnen hat. Die Nachteile von bail-in Bonds werden am Beispiel der Credit Suisse für die Schweiz deutlich.

Die Auslösungsproblematik

Eigenkapital fängt Verluste automatisch auf und verhindert dadurch, dass ein Unternehmen in Konkurs geht. Im Gegensatz dazu absorbieren bail-in Bonds nur dann Verluste, wenn der im Voraus spezifizierte Wandlungsauslöser, zum Beispiel eine Intervention der Finanzmarktaufsicht, aktiviert wird. Das macht sowohl die Konzeption wie auch die Anwendung von bail-in Bonds komplex.

Die Verlustabsorption mittels Eigenkapital ist hingegen einfach; sie ist an keine Bedingungen geknüpft und erfordert nicht die Auslösung eines Sanierungs- oder Konkursverfahrens. Die Verlustabsorption durch Eigenkapital senkt vielmehr die Wahrscheinlichkeit einer Staatsintervention. Zudem gilt immer, dass eine Bank, die über mehr Eigenkapital verfügt, auch bessere Möglichkeiten hat, liquide Mittel zu beschaffen, weil sie kreditwürdiger ist.

Zudem kann es zu Unsicherheiten über die Umwandlungsrangfolge kommen. Auch wenn die von den Behörden vorgenommene Totalabschreibung der AT1 bail-in Bonds, bei gleichzeitig positivem Kaufpreis für die Credit-Suisse-Aktien, rechtlich einwandfrei ist, bleibt eine Unsicherheit zurück, was alles bei bail-in Bonds und bei welcher Intervention des Staates genau passieren kann. Das kann zu den Risikoprämien beitragen, welche die Banken für die Finanzierung durch bail-in Bonds zahlen müssen, solange man nicht von einer allgemeinen Staatsgarantie ausgeht.

Die Ansteckungsproblematik

Wie die FINMA selbst bestätigt hat, war sie sich nicht sicher, ob die Credit Suisse das Vertrauen der Anleger nach einer Sanierung hätte wiedergewinnen können. Aus diesem Grund hat sie die Umwandlung des Gros der bail-in Bonds nicht veranlasst. Es ist daher unsicher, ob bail-in Bonds neben ihrer theoretischen Eigenschaft, im Krisenfall in Eigenkapital umgewandelt zu werden, auch tatsächlich im grossen Umfang als Sanierungstool eingesetzt werden können.

Zudem bedeutet die Umwandlung von bail-in Bonds in Aktien umfangreiche Forderungsverluste auf Seiten der Gläubiger, was gefährliche Ansteckungseffekte zeitigen kann. Das Ausmass dieser Effekte hängt davon ab, wer die bail-in Bonds hält, zum Beispiel Banken, Versicherungen, Investitionsgesellschaften oder Pensionskassen, und wie stark diese Institutionen selbst verschuldet sind. Die Umwandlung der bail-in Bonds kann eine bereits angeschlagene Gläubigerinstitution in Schieflage bringen, so dass auch die von ihr emittierten bail-in Bonds umgewandelt werden müssen und so fort.

Die Aktivierung der Verlustpuffer kann also die initiale Krise geradezu multiplizieren. Vor dem Hintergrund des fragilen Umfelds im internationalen Bankensektor konnte man derlei Ansteckungsgefahren bei einer Sanierung der Credit Suisse nicht ausschliessen. Wäre der gleiche Verlustpuffer in Form von Eigenkapital anstelle von bail-in Bonds vorgelegen, hätte der schlechte Geschäftsgang der Credit Suisse bei geringerem Risiko aufgefangen werden können.

Der diskretionäre Spielraum beim Bail-in

Offensichtlich führen bail-in Bonds auch zu unbeabsichtigten politisch-ökonomischen Verwicklungen, weil die Aufsichtsbehörden einen grossen diskretionären Spielraum haben, ob Forderungsverzichte ausgelöst werden oder nicht. Wenn eine Aufsichtsbehörde Informationen hat, dass die bail-in Bonds hauptsächlich im Ausland gehalten werden, wird sie womöglich eher bereit sein, die Umwandlung auszulösen und ein Sanierungs- und Konkursverfahren einzuleiten.

Falls jedoch ein grösserer Teil der bail-in Bonds im Inland gehalten wird, werden die Anreize für die Umwandlung aufgrund der unbestimmten Auswirkungen auf die Gläubigergesellschaften geringer ausfallen. Wenn zudem die Aufsicht gar nicht genau weiss, wen der Forderungsverzicht am Schluss treffen wird, wird sie zögern, die massiven Wertverluste durch ihre Entscheidungen zu initiieren.

Der beträchtliche diskretionäre Spielraum der staatlichen Behörden, der die Aktivierung der Verlustpuffer betrifft, ist nicht nur ordnungspolitisch delikat. Er lädt auch ausländische Behörden dazu ein, Einfluss auf die Finanzmarktaufsicht zu nehmen, da ihre Entscheidungen womöglich grosse Verluste bei ausländischen Finanzinstituten und Investoren verursachen können. Ausserdem trägt die Unsicherheit über den Wandlungsauslöser zu den Risikoprämien der bail-in Bonds bei, solange man nicht von einer allgemeinen Staatsgarantie ausgeht.

Selbstverständlich führen Konkurse allgemein dazu, dass ungesicherte Fremdkapitalgeber Verluste erleiden und dass dies unter hoheitlicher Verfahrensführung geschieht. Bei Banken und bail-in Bonds handelt es sich jedoch um weit grössere Spielräume des Staates als in normalen Konkursverfahren.

Schlussfolgerungen

Es bietet sich an, Verlustpuffer nicht mehr über bail-in Bonds, sondern in angemessenem Umfang durch Eigenkapital bereitzustellen. Dieser Schritt würde das Vertrauen in die Banken stärken und die Wahrscheinlichkeit von Schieflagen und deshalb auch von Liquiditätsengpässen verringern. Denn eine Bank, die mehr Eigenkapital hat und nicht auf die Aktivierung der Verlustpuffer durch eine Aufsichtsbehörde angewiesen ist, hat auch bessere Möglichkeiten, sich lange vor einem Krisenfall liquide Mittel zu beschaffen.

Da bail-in Bonds ein internationaler Standard sind, bedarf es auch einer internationalen Lösung, sie durch Eigenkapital zu ersetzen. Das kann nicht auf einen Schlag gelingen, sondern braucht eine angemessene Übergangszeit. Zudem muss geklärt werden, in welchem Ausmass bail-in Bonds Eigenkapital ersetzen sollen.

Da Banken bei der Emission von bail-in Bonds Risikoprämien zahlen müssen, solange man nicht von einer allgemeinen Staatsgarantie ausgeht, steht die Frage im Raum, ob die Fremdfinanzierung durch bail-in Bonds tatsächlich viel günstiger ist als Eigenkapitalfinanzierung, wie gemeinhin angenommen wird. Davon hängt letztlich auch ab, wie die Reform der Verlustpuffer die Kreditvergabe der Banken und damit die Realwirtschaft beeinflussen würde. Zur Klärung dieser Frage kann auch die wissenschaftliche Forschung beitragen.

Selbstverständlich bliebe auch nach diesem Schritt eine grundlegende Auseinandersetzung mit weiteren Schwächen des «Too-big-to-fail»-Konzepts zentral.

Dies ist der zweite Beitrag einer Serie zu Beiträgen über Banken und Geld. Den ersten Beitrag zum Thema «Too-big-to-fail: Warum die Notfallpläne nicht angewendet werden (können)» finden Sie hier: https://kof.ethz.ch/news-und-veranstaltungen/kof-news0/2023/03/too-big-to-fail-warum-die-notfallplaene-nicht-angewendet-werden-koennen.html

Kontakt

Prof. Dr. Hans Gersbach
Ordentlicher Professor am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE F 101
  • +41 44 632 82 80

Makroökonomie, Gersbach
Leonhardstrasse 21
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