Was veranlasst die Unternehmen, ihre Forschungsaktivitäten einzustellen?

Welcher Typus von Unternehmen ist aus der F&E (Forschung und Entwicklung) ausgestiegen und welche Konsequenzen hat das für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz? Diesen Fragen gehen die Autorin und die Autoren der Studie «What Makes Firms Stop Doing R&D in Switzerland?» nach. Dieser Beitrag widmet sich den Ergebnissen der ersten Frage: Welcher Typus von Unternehmen ist aus der F&E ausgestiegen?

Roboter

Der Anteil der Unternehmen mit F&E-Aktivitäten hat sich im Laufe der Zeit stark verändert, nicht nur in der Schweiz, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern. Während in der Schweiz und in Deutschland ein starker Rückgang des Anteils der F&E-aktiven Unternehmen zu beobachten ist, steigt dieser Anteil z.B. in den Niederlanden stark an (siehe Grafik G 1).

G 1

Auf der Grundlage einer «Survival Analysis» untersuchen die Studienautoren, welcher Typus von Unternehmen aus der F&E ausgestiegen ist bzw. welcher Typus von Unternehmen es über einen längeren Zeitraum hindurch schafft, F&E zu betreiben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit eines Unternehmens, über einen längeren Zeitraum F&E zu betreiben, durch mehrere Faktoren gekennzeichnet ist. Der Umfang der bisherigen Innovationsanstrengungen eines Unternehmens und seine Wettbewerbsfähigkeit sind die wichtigsten Merkmale für die Überlebenswahrscheinlichkeit von eigenen F&E-Aktivitäten. Während wettbewerbsfähige Unternehmen eine Wahrscheinlichkeit von 70% hatten, F&E über den gesamten Untersuchungszeitraum (1996 bis 2017) zu betreiben, steigt diese Wahrscheinlichkeit auf 80%, wenn das Unternehmen nicht nur wettbewerbsfähig ist, sondern auch zu den Top-Innovatoren1 gehört. Im Vergleich dazu beträgt die Überlebenswahrscheinlichkeit im F&E-Markt bei weniger wettbewerbsfähigen und weniger innovativen Unternehmen rund 10%. Grafik G 2 zeigt die Überlebenswahrscheinlichkeit der wettbewerbsfähigsten Unternehmen (Reihe: Werte über dem 90%-Punkt2) im Zeitablauf. Die Wahrscheinlichkeit, bei F&E aktiv zu bleiben, sinkt natürlich auch bei diesen Unternehmen, jedoch ist der Rückgang um einiges geringer als bei den weniger wettbewerbsfähigen Unternehmen.

G 2

Für grosse Unternehmen mit internationalen Vertriebskanälen und einer umfangreichen Marketingabteilung ist F&E rentabler

Im Detail betrachtet, ist die Grösse des Unternehmens ein entscheidendes Merkmal für die Überlebenswahrscheinlichkeit von F&E-Aktivitäten. Grössere Unternehmen verfügen beispielsweise eher über sogenannte «komplementäre» Faktoren wie internationale Vertriebskanäle oder umfangreiche Marketingabteilungen, die die Rentabilität von F&E-Aktivitäten erhöhen und damit die Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs aus der F&E verringern. Der Anteil gut ausgebildeter Beschäftigter erhöht die Wahrscheinlichkeit, F&E-aktiv zu bleiben, da die «Absorptionskapazität» von neuem Wissen eines Unternehmens erhöht wird. Dadurch ist es möglich, externes relevantes Wissen für die Innovationsaktivitäten zu entdecken und in die Innovationsabläufe zu integrieren. Der Zugang zu internationalen Märkten (Exportaktivitäten) ist ebenfalls ein entscheidendes Merkmal. F&E ist teuer und mit hohen Fixkosten verbunden. Der Zugang zu grossen Märkten erhöht die Kommerzialisierungsmöglichkeiten des innovativen Produkts oder der Dienstleistung und damit die Wachstumsaussichten des Unternehmens. Die Fixkosten verteilen sich auf einen grösseren Output und verringern das Risiko eines kommerziellen Erfolgs der F&E-Bemühungen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs aus den F&E-Aktivitäten deutlich verringert.

Das technologische Potenzial eines Unternehmens gibt das weltweit privat und öffentlich verfügbare technologische Wissen an, das dem Unternehmen zur Verfügung steht, um marktfähige Innovationen hervorzubringen. Ein hohes technologisches Potenzial bedeutet, dass das Unternehmen bei seinen F&E-Aktivitäten auf eine grosse Wissensbasis (einschliesslich Grundlagenforschung) zurückgreifen kann, was das technologische Risiko (Machbarkeit) von F&E-Projekten verringert.

Der Analyse zufolge erhöht dieses Merkmal auch die Überlebenswahrscheinlichkeit von F&E-Aktivitäten signifikant. Schliesslich wird der Grossteil der F&E-Ausgaben eines Unternehmens aus internen Ressourcen finanziert. Der Umfang der internen Finanzierung steht in engem Zusammenhang mit der Produktivität eines Unternehmens. Zumal externe Investoren in der Regel weniger geneigt sind, riskante F&E-Projekte zu finanzieren, fällt es produktiveren Unternehmen deutlich leichter, F&E-Aktivitäten zu finanzieren. Die «Survival Analyse» zeigt dementsprechend, dass eine hohe Arbeitsproduktivität ebenfalls ein wichtiges Kennzeichen von Unternehmen ist, welche über einen längeren Zeitraum in F&E investieren.

Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit, aus den F&E-Aktivitäten auszusteigen, deutlich höher, wenn die Unternehmen unter einem Mangel an Eigenkapital für ihre Innovationsaktivitäten leiden und ihre innovativen Produkte zu schnell und einfach kopiert werden können. Dies beraubt innovative Unternehmen ihres «first-mover»-Vorteils und macht Innovationsbemühungen weniger rentabel.

Manche produktiven Unternehmen haben F&E gar nicht nötig

Unternehmensmerkmale, die für die Fortführung von F&E-Aktivitäten wichtig sind, sind auch jene Merkmale, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Unternehmen in die F&E einsteigt. Es gibt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel. Produktive Unternehmen, die keine F&E betreiben, haben eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, in F&E-Aktivitäten einzutreten. Eine Erklärung für dieses Ergebnis ist, dass sie ausserhalb dieser spezifischen Innovationsmärkte ein sehr gutes Betriebsergebnis erzielen und es deshalb nicht notwendig ist, in riskante F&E-Aktivitäten zu investieren. Derartige Unternehmen finden sich beispielsweise im Banken- und Versicherungsbereich und auch im Grosshandel.

Die Ergebnisse zum Einstieg in und Austritt aus den F&E-Aktivitäten deuten darauf hin, dass der Anteil der wettbewerbsfähigen und starken Innovatoren auf den F&E-Märkten eher gestiegen ist. Dies wirft die Frage auf, was dieser Strukturwandel für das Produktivitätswachstum und die Verteilung der Produktivitätsgewinne bedeutet. Dieser Frage gehen wir in der nächsten Ausgabe des KOF Bulletins nach.

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1 Das sind Unternehmen, welche hinsichtlich des Umsatzanteils der F&E-Ausgaben und dem Umsatzanteil neuer innovativer Produkte und Dienstleistungen bzw. dem Umsatzanteil wesentlich modifizierter Produkte und Dienstleistungen zu den 10% der Unternehmen (90. Perzentil) mit den höchsten Werten bei diesen Variablen gehören.

2 Das sind jene Unternehmen, die hinsichtlich der folgenden Variablen zu den 10% der Besten gehören: Beschäftigung (Unternehmensgrösse), Wertschöpfung pro Beschäftigten (Produktivität), Anteil der Beschäftigten mit akademischer Ausbildung, Anteil der Beschäftigten mit einer Ausbildung höher als Berufslehre (ohne Akademiker), technologisches Potenzial, Umsatzanteil der Exporte.

Die ganze Studie «What Makes Firms Stop Doing R&D in Switzerland?» finden Sie hier.

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Prof. Dr. Sabien Dobbelaere

Vrije Universität Amsterdam
Niederlande

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