Firmenkonkurse erstmals wieder über dem Vorkrisenniveau

Die Zahl der Firmenkonkurse in der Schweiz hat im März weiter zugelegt und liegt nach einem zweijährigen Tief erstmals wieder über dem Vorkrisenniveau im Jahr 2019. Obwohl der Anstieg sektoral und regional breit abgestützt ist, dürfte eine Konkurswelle weiterhin unwahrscheinlich sein. Der Boom bei den Neugründungen flachte zuletzt wieder ab.

Burostuhl

Die KOF untersucht die Entwicklung der Firmenkonkurse auf Basis von Handelsregisterzahlen, die durch Dun & Bradstreet Schweiz AG gesammelt und aufbereitet werden. Die Daten zeigen, dass die Anzahl der monatlichen Firmenkonkurse zu Beginn der Corona-Krise deutlich eingebrochen ist. Im Jahr 2020 lagen die Firmenkonkurse (ohne konkursamtliche Liquidationen) durchschnittlich rund 19% unter dem Niveau von 2019, im Jahr 2021 immerhin noch 17% (siehe Grafik G 1). Die Anzahl Firmenkonkurse hat sich zuletzt deutlich erholt und lag im März 2022 sogar über dem Vorkrisenniveau. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, ob sich in den vergangenen zwei Jahren eine Konkurswelle angestaut hat.

G 1

Staatliche Stützungsmassnahmen halten Firmen über Wasser

Zur Beantwortung dieser Frage ist es nützlich, die Ursachen für die tiefen Konkurszahlen während der Coronavirus-Pandemie genauer zu betrachten.

(1) Rechtliche Massnahmen. Die unmittelbaren Gründe für den massiven Einbruch der Konkurse im Frühjahr 2020 waren der vom Bundesrat angeordnete Rechtsstillstand (19. März bis 4. April 2020), die anschliessenden Betreibungsferien (bis 19. April) und die ausgesetzte Pflicht zur Überschuldungsanzeige (bis Ende Oktober 2020).

(2) Kredite. Zur Sicherstellung der Liquidität erhielten rund 138 000 Unternehmen im Rahmen des COVID-19-Kreditprogramms des Bundes bis im Juli 2020 Überbrückungskredite im Umfang von 16.9 Mrd. Franken.

(3) Direkthilfen. Zur Deckung des Personalaufwands wurden im Rahmen von Kurzarbeitsentschädigung und Entschädigungen für Selbständigerwerbende rund 20 Mrd. Franken an betroffene Unternehmen ausgezahlt. Mit den seit 2021 verfügbaren kantonalen Härtefallhilfen erhielten bisher 35 000 besonders stark betroffene Unternehmen Direktzahlungen im Umfang von fast 5 Mrd. Franken zur Deckung ihrer Fixkosten.

Die aussergewöhnlichen behördlichen Stützungsmassnahmen haben auch dazu geführt, dass während der Corona-Krise ein anderer Verlauf der Konkurse als während früheren Krisen zu beobachten war. Während der Grossen Rezession im Jahr 2008 und dem Frankenschock im Jahr 2015 folgten keine unmittelbaren Bewegungen der Konkursrate (siehe Grafik G 2). Mit dem Auslaufen vieler Massnahmen ist nun auch die Konkursrate wieder deutlich angestiegen.

G 2

Behördliche Stützungsmassnahmen laufen aus

Viele Stützungsmassnahmen, wie zum Beispiel die vereinfachte Kurzarbeitsentschädigung oder die Härtefallhilfen, dürften demnächst auslaufen. Damit soll auch verhindert werden, dass unproduktive Unternehmen durch staatliche Gelder am Leben erhalten werden – die sogenannte «Zombie-Firmen-Problematik». Es wirft aber die Frage auf, ob nun vermehrt angestaute oder aufgeschobene Konkurse auftreten werden. Zu deren Beantwortung hilft es, zwischen den Ursachen für die geringen Konkursraten zu differenzieren:

(1) Rechtliche Massnahmen. Diese Massnahmen sind bereits seit Längerem ausgelaufen, deshalb ist kaum noch mit Nachholeffekten zu rechnen.

(2) Kredite. Knapp 30% des Kreditvolumens sind bereits zurückbezahlt worden – deutlich vor der Rückzahlungsfrist von acht Jahren. Die erhöhte Verschuldung der Unternehmen könnte zwar punktuell zu Ausfällen führen, die rasche konjunkturelle Normalisierung dürfte diese Problematik aber entschärft haben.

(3) Direkthilfen. Die Direktzahlungen haben es weiten Teilen der Wirtschaft erlaubt, die pandemiebedingten konjunkturellen Verwerfungen auszusitzen. Geht man nun von einer strukturellen Normalisierung aus, dürften die Firmenkonkurse wieder auf das «normale» Vorkrisenniveau zurückkehren. Die Neuverschuldung, die hauptsächlich in der Bilanz des Bundes zu finden ist, dürfte über einen längeren Zeitraum über strukturelle Budgetüberschüsse und SNB-Zusatzausschüttungen abgebaut werden. Für die Unternehmen ist somit keine Zusatzbelastung zu erwarten.

Die zweijährige Phase der niedrigen Konkurszahlen dürfte also nur mit geringen Nachholeffekten verbunden sein. Dennoch ist in der kommenden Zeit wohl mit überdurchschnittlichen Firmenkonkursen zu rechnen. Die Pandemie hat viele Konsumpräferenzen nachhaltig geändert und in einigen Branchen eine Anpassung von Lieferketten erfordert. Dies dürfte in vielen Wirtschaftsbereichen einen Strukturwandel angestossen oder beschleunigt haben – insbesondere im Gastgewerbe, Transportwesen, Handel und anderen kontaktintensiven Dienstleistungsbranchen.

Kräftiger Anstieg in einzelnen Branchen

In einigen Branchen sind die Firmenkonkurse zuletzt über den normalen Schwankungsbereich hinausgestiegen, beispielsweise im Gross- und Detailhandel (siehe Grafik G 3). Obwohl mit einem tendenziellen Anstieg der Insolvenzen gerechnet werden muss, sind die Zahlen in einer sektoralen Betrachtung mit Vorsicht zu interpretieren. Ein vorübergehendes Aufflackern der Konkurszahlen kommt aufgrund der volatilen Datengrundlage sporadisch vor und muss nicht Ausdruck einer sich aufbäumenden Konkurswelle in einzelnen Branchen sein.

G 3

Gründungswelle wieder abgeflacht

Bereits seit dem Sommer 2020 zeigte sich der pandemiebedingte Strukturwandel durch eine erhöhte Gründungsaktivität in einigen Branchen. Insbesondere in den Branchen «Grosshandel und Einzelhandel» sowie «Finanzen, Versicherungen und Immobiliendienstleistungen» hat die beschleunigte Digitalisierung zu einem regelrechten Gründungsboom geführt (siehe Grafik G 4). Die Anzahl Neugründungen ist zuletzt jedoch wieder abgeflacht, wohl auch aufgrund der fortschreitenden Normalisierung der pandemischen und konjunkturellen Situation. Ein Vergleich mit der Finanzkrise im Jahr 2008 zeigt wiederum den ungewöhnlichen wirtschaftlichen Verlauf während der Corona-Krise. So ging die Gründungsaktivität damals in den betroffenen Branchen, beispielsweise in der Finanzbranche und im Bau, deutlich zurück.

G 4

Ruhiger Wellengang trotz geopolitischen Verwerfungen

In vielen Branchen dürfte der weitere Verlauf der Firmenkonkurse davon abhängen, wie stark sich die Konsumpräferenzen geändert und gefestigt haben. Zum Beispiel dürfte es für das Gastgewerbe in den städtischen Gebieten von wesentlicher Bedeutung sein, ob der Geschäftstourismus wieder anzieht oder ob Online-Meetings ein Bestandteil der Post-COVID-Welt bleiben. Der Krieg in der Ukraine scheint die Geschäftslage der Unternehmen bislang nur geringfügig eingetrübt zu haben (mit Ausnahme der Finanz- und Versicherungsdienstleister). Eine Eskalation der Situation würde die konjunkturelle Erholung natürlich beeinträchtigen.

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