Sieben Fakten zur Kreislaufwirtschaft

Eine aktuelle Studie der KOF und der Berner Fachhochschule zur Kreislaufwirtschaft zeigt, dass die Schweiz erst am Beginn eines Transformationsprozesses steht. Grundsätzlich schätzt die Studie das Potenzial der Schweiz, zirkuläre Massnahmen effizient umzusetzen und so Wettbewerbsvorteile zu generieren, als hoch ein.

Die Vorteile einer Kreislaufwirtschaft sind für die Schweiz aufgrund des beschränkten Ressourcenvorkommens besonders gross. Die Resultate einer aktuellen Studie der KOF und der Berner Fachhochschule zeigen jedoch, dass der Transformationsprozess auf Unternehmensebene noch nicht weit fortgeschritten ist. Zudem gibt es Hinweise, dass die Transformation ein länger dauernder Prozess ist. Die abwartende Haltung vieler Unternehmen könnte sich bei zunehmender Verknappung wichtiger natürlicher Ressourcen deshalb negativ auf deren Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

Die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der Transformation sind in der Schweiz allerdings gut. Die Schweiz hat, als eines der innovativsten Länder der Welt, komparative Vorteile, die es nutzen könnte, um zirkuläre Massnahmen effizient umzusetzen und so Wettbewerbsvorteile zu generieren. Deshalb wäre es wichtig, aktuell bestehende Hürden gezielt abzubauen. Im Fokus steht dabei die Sensibilisierung der Unternehmen für die Kreislaufwirtschaft, die Diffusion von Anwendungsmöglichkeiten sowie der Abbau von technischen und finanziellen Hürden. Insbesondere Massnahmen zur weiteren Verstärkung der privatwirtschaftlichen Innovationskraft, der Vernetzung der Unternehmen, der Ausbildung und bestimmte Aspekte der Digitalisierung könnten den Transformationsprozess begünstigen.

Basierend auf einem spezifisch entwickelten Konzept zur Abbildung der Kreislaufwirtschaft auf Unternehmensebene, wurden 2020 die rund 8’000 Unternehmen des für die Schweiz repräsentativen KOF Unternehmenspanels schriftlich befragt. Dabei wurde für 27 konkrete Aktivitäten aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft erhoben, in welchen Bereichen die Unternehmen im Zeitraum 2017-2019 messbare Veränderungen erzielt haben. Die erhobenen Daten erlauben einen Vergleich zwischen Industrien, Regionen und Unternehmensgrössenklassen und zeigen so, erstmals für die Schweiz – und wohl auch auf internationaler Ebene – ein repräsentatives und differenziertes Bild der Verbreitung zirkulärer Aktivitäten in den Unternehmen. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft werden an dieser Stelle aufgeführt:

1.   Stand der Transformation: rund 10% der Unternehmen sind substanziell in der Kreislaufwirtschaft tätig.

Die Schweizer Privatwirtschaft steht noch am Beginn des Transformationsprozesses: zwischen 8% und 12% der Unternehmen beschäftigt sich substanziell mit der Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft. 12% der Unternehmen haben zirkuläre Geschäftsaktivitäten substanziell im Geschäftsmodell verankert. 9% der Unternehmen investieren mehr als 10% ihrer Gesamtinvestitionen in die Umsetzung zirkulärer Geschäftsaktivitäten. 8 % der Unternehmen haben mehr als 10 Aktivitäten im Bereich der Kreislaufwirtschaft umgesetzt. Und 12% der Unternehmen erzielen mehr als 10% ihres Umsatzes mit zirkulären Produkten und Dienstleistungen.

2.   Aktivitäten zur Steigerung der Effizienz bilden das Fundament des Transformationsprozesses.

Es zeigt sich, dass die meisten Unternehmen über Aktivitäten zur Steigerung der Effizienz im Produktionsbereich in den Transformationsprozess einsteigen. Diese Effizienzaktivitäten sind von zentraler Bedeutung. Sie bilden bei den meisten Unternehmen das Fundament für die Ausweitung der Aktivitäten auf andere Produktionsstufen und Dimensionen der Kreislaufwirtschaft, wie die Schliessung der Kreisläufe durch Wiederaufbereitung und Steigerung der Lebensdauer der Produkte.

Die am häufigsten umgesetzten Aktivitäten zur Implementierung der Kreislaufwirtschaft auf Unternehmensebene sind:

  • 27% der Unternehmen reduzierten den Materialverbrauch (inkl. Verpackung, Papier) im Produktionsprozess. (Effizienz steigernde Aktivitäten)
  • 19% der Unternehmen reduzierten den ökologischen Fussabdruck bei Neukauf von Produktionsinputs. (Effizienz steigernde Aktivitäten)
  • 19% der Unternehmen ergriffen Aktivitäten zur Erhöhung der Lebensdauer der intern genutzten Produktionsinfrastruktur durch Reparatur, Wartung. (Lebensdauer verlängernde Aktivitäten)
  • 19% der Unternehmen reduzierten die Umweltbelastung im Produktionsprozess (Energieverbrauch, Wasser-, Boden-, Luft- oder Lärmbelastung). (Effizienz steigernde Aktivitäten)
  • 17% der Unternehmen reduzierten den ökologischen Fussabdruck bei Neukauf (Produktion, Transport) von Produktionsinfrastruktur. (Effizienz steigernde Aktivitäten)

3.   In vielen Industrien fehlen «Leuchttürme».

Nicht alle Industrien sind bei der Transformation gleich weit fortgeschritten. Entsprechend unterscheiden sich auch die Herausforderungen (siehe Grafik G 10). In einigen Branchen, wie beispielsweise Elektronik/Instrumente, Fahrzeuge und Pharma ist nicht nur das Niveau der ergriffenen Aktivitäten (Innovationsgrad) in den Unternehmen hoch, sondern auch deren Verbreitung zwischen den Unternehmen ist im Vergleich zum Schweizer Durchschnitt beachtenswert (Frontier Challenge). Im Detailhandel und im Kunststoffbereich gibt es einige «Leuchttürme», jedoch sind die Unterschiede zu den restlichen Unternehmen dieser Sektoren gross, d.h. die Kreislaufwirtschaft ist hier nicht stark verbreitet (Diffusion-Challenge). In anderen Industrien, wie beispielsweise der Textil-/Bekleidungsindustrie und der Metallherstellung, sind sowohl der Innovationsgrad als auch die Verbreitung eher bescheiden (Beginner-Challenge). Im Bereich des Maschinenbaus und Verkehr/Logistik liegt die Herausforderung weniger in der Diffusion der Aktivitäten, sondern eher in der Innovationskraft, d.h. die Intensität der Aktivitäten führender Unternehmen ist in diesen Branchen noch relativ gering. Es fehlt an «Leuchttürmen» (Innovation-Challenge).  

G10

4.   Espace-Mittelland, Zürich und Nordwestschweiz sind im Transformationsprozess am weitesten fortgeschritten.

Ähnlich wie bei den Industrien, gibt es auch auf regionaler Ebene Unterschiede im Transformationsprozess. Diese zeigen sich eher hinsichtlich dem Diffusionsgrad (Anteil der Unternehmen mit mindestens einer umgesetzten Aktivität) und weniger hinsichtlich dem Innovationsgrad (Anteil der umgesetzten Aktivitäten). Generell zeigt sich, dass mit Espace Mittelland, Zürich und Nordwestschweiz einige Regionen bei praktisch allen Indikatoren vergleichsweise hohe Werte erzielen.

5.   Innovationskraft ist wesentlich für den Transformationsprozess.

Unternehmen welche stark in der Kreislaufwirtschaft aktiv sind charakterisieren sich in der Regel über vier Merkmale: Sie zeichnen sich durch eine solide finanzielle Basis aus und verfügen demnach über eine hohe Finanzkraft. Ausserdem investieren sie viel in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen und es gelingt ihnen mit den daraus resultierenden Innovationen hohe Umsatzanteile zu erzielen; sie haben eine hohe Innovationskraft. Der Digitalisierungsgrad und eine hohe Sensibilität für Nachhaltigkeitsthemen sind weitere Charakteristiken von Unternehmen, die im Transformationsprozess schon relativ weit fortgeschritten sind.

6.   Hürden: «Mein Produkt/Dienstleistung eignet sich nicht».

Einstieg und Ausbau der Kreislaufwirtschaft werden primär durch drei Faktoren gehemmt: Zum einen geben viele Unternehmen auf Basis der aktuellen technologischen Möglichkeiten an, dass sich ihre Produkte und Dienstleistungen nicht für die Kreislaufwirtschaft eignen (siehe Grafik G 11). Hier besteht somit die grösste Herausforderung darin, Unternehmen für nachhaltige Lösungen zu sensibilisieren und sie bei der Findung von innovativen Lösungen, welche deren «Eignung» erhöhen, zu unterstützen. Dabei fehlt es sehr oft am Know-how der technischen Umsetzung und damit zusammenhängend an den notwendigen finanziellen Mitteln. Somit wundert es nicht, dass hohen Investitionskosten und Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung weitere wesentliche Hürden im Transformationsprozess sind. Oftmals können, vor allem kleine Unternehmen, dieser Hürde aus eigener Kraft kaum überwinden. Deshalb braucht es wirtschaftspolitische Unterstützung, nicht zuletzt auch deshalb, weil Unternehmen in Netzwerke von Lieferanten und Abnehmern eingebunden sind und es somit oft unternehmensübergreifende Initiativen braucht, um im Transformationsprozess voranzukommen.

G11

7.   Wirtschaftspolitische Herausforderungen: Stärkung der Wissensbasis und Sensibilisierung

Um die Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft zukünftig zu stimulieren, sollten die Hürden abgebaut bzw. die Charakteristik der Unternehmen in Richtung Kreislaufwirtschaft gestärkt werden. Ausgehend von den Ergebnissen stehen folgende drei Handlungsfelder im Fokus:

  • Massnahmen zur Sensibilisierung der Unternehmen für die Kreislaufwirtschaft
  • Abbau von finanziellen Hürden
  • Aufbau von Know-how, um technische Hürden zu reduzieren

Den aktuellen Statusbericht der Schweizer Kreislaufwirtschaft in voller Länge finden Sie externe Seitehier.

Kontakt

Prof. Dr. Martin Wörter
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
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  • +41 44 632 51 51

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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