Männer, die eine Teilzeitstelle suchen, werden benachteiligt

Noch immer ist die Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt. Ein Grund ist, dass nur wenige Männer Teilzeit arbeiten. Die Analyse von Rekrutierungsentscheiden auf einer Online-Arbeitsmarktplattform zeigt, dass dies unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass Männer, die eine Teilzeitstelle suchen, von Rekrutierenden benachteiligt werden.

Während Frauen in der Schweiz rund 60% der unbezahlten Arbeit erledigen, ist es bei der bezahlten Arbeit genau umgekehrt: Dort sind die Männer für 60% des Arbeitsvolumens verantwortlich (Quelle: BFS). Das liegt einerseits daran, dass Frauen seltener einer Erwerbsarbeit nachgehen, und andererseits daran, dass sie viel häufiger Teilzeit arbeiten als Männer. Während 59% der erwerbstätigen Frauen eine Teilzeitstelle innehaben, liegt der entsprechende Anteil bei den Männern bei 18% (Quelle: BFS). Dies hat einerseits mit den Stellensuchenden zu tun. Denn Männer suchen deutlich seltener eine Teilzeitanstellung als Frauen. Dies dürfte unter anderem auf die immer noch traditionellen Geschlechterrollen zurückzuführen sein, denen zufolge Frauen die Hausarbeit erledigen, während Männer das Geld heimbringen. Andererseits tragen auch die Unternehmen zu der ungleichen Verteilung von Erwerbsarbeit bei. Dies zeigt eine noch unveröffentlichte Studie, die das Such- und Auswahlverhalten Tausender Personalverantwortlicher auf einer der grössten Online-Arbeitsmarktplattformen der Schweiz analysiert.

Auf Job-Room, der Online-Arbeitsmarktplattform des Staatssekretariats für Wirtschaft, können registrierte Stellensuchende ihr (anonymisiertes) Profil aufschalten lassen. Rekrutierende können sich anschliessend durch die Profile klicken, um nach geeignetem Personal für ihre offenen Stellen zu suchen. Während zehn Monaten im Jahr 2017 wurde jeder einzelne dieser Klicks erhoben. In diesem Zeitraum führten mehr als 43 000 Personalverantwortliche rund 450 000 Suchanfragen aus und klickten sich durch die Profile von mehr als 200 000 unterschiedlichen Stellensuchenden. Insgesamt wurden mehr als 4 Mio. Profilaufrufe dokumentiert, das heisst 4 Mio. Entscheidungen für oder gegen eine Stellensuchende oder einen Stellensuchenden. Diese riesige Datenmenge erlaubt es, zu untersuchen, welche Charakteristika der Jobsuchenden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie von Personalverantwortlichen kontaktiert werden, und welche Charakteristika ein Hindernis darstellen. Eines dieser Charakteristika ist der Wunsch nach Teilzeitarbeit. Auf Job-Room können Stellensuchende angeben, wie viele Stellenprozente sie arbeiten wollen. Welche Auswirkungen hat der Wunsch nach Teilzeitarbeit auf die Chance, von Rekrutierenden kontaktiert zu werden?

Es kommt darauf an, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Grafik G 5 zeigt den Effekt des gewünschten Arbeitspensums auf die Wahrscheinlichkeit, kontaktiert zu werden, für Männer und Frauen. Dabei werden Personen verglichen, die vom selben Personalverantwortlichen für die gleiche Stelle beurteilt werden und abgesehen vom gewünschten Arbeitspensum und Geschlecht dieselben Charakteristika aufweisen. Referenzkategorie sind Männer, die eine Vollzeitstelle suchen. Die Abbildung zeigt, dass der Wunsch nach Teilzeitarbeit sowohl für Männer als auch für Frauen ein Hindernis für eine Anstellung darstellt, wobei die Kontaktwahrscheinlichkeit abnimmt, je geringer das gewünschte Arbeitspensum ist. Der Nachteil, den der Wunsch nach einer Teilzeitstelle mit sich bringt, ist jedoch bei Männern deutlich ausgeprägter als bei Frauen. Ein Mann, der eine 90%-Anstellung sucht, weist eine um 16% geringere Kontaktwahrscheinlichkeit auf als ein Mann mit ansonsten identischen Merkmalen auf der Suche nach einer Vollzeitstelle. Bei Frauen ist der Nachteil weniger als halb so gross. Am grössten ist die Benachteiligung von Männern auf der Suche nach einer 50%- bis 59%-Anstellung. Ihre Wahrscheinlichkeit, kontaktiert zu werden, reduziert sich um ganze 28%. Dieser Effekt auf die Kontaktwahrscheinlichkeit ist deutlich grösser als der Effekt anderer Charakteristika wie Ausbildung oder Arbeitserfahrung.

Effekt des gewünschten Arbeitspensums

Ein teilzeitarbeitender Mann widerspricht dem traditionellen Rollenbild

Weshalb werden Männer, die eine Teilzeitstelle suchen, von Rekrutierenden stärker abgestraft als Frauen? Da bei der Schätzung der Effekte Stellensuchende verglichen wurden, die vom selben Personalverantwortlichen für denselben Job in Betracht gezogen wurden, kann es nicht an Unterschieden zwischen den Berufen liegen, in denen Männer und Frauen nach Arbeit suchen. Vielmehr scheint es so zu sein, dass sich auch Rekrutierende bei ihrer Einstellungsentscheidung von traditionellen Rrollenbildern leiten lassen.

Im Gegensatz zu einer teilzeitarbeitenden Frau widerspricht ein teilzeitarbeitender Mann dem traditionellen Rollenbild, demzufolge der Mann die Rolle des Haupternährers innehat und sich die Frau um den Haushalt kümmert. Männer, die eine Teilzeitstelle anstreben, erscheinen Rekrutierenden offenbar als suspekt – und zwar bereits dann, wenn ein Mann ein 90%-Pensum sucht. Während bei den Frauen die Benachteiligung aufgrund eines Teilzeitwunsches kontinuierlich ansteigt, je geringer das gesuchte Pensum ist, beobachten wir bei den Männern einen grossen Sprung in der Kontaktwahrscheinlichkeit zwischen denen, die eine Vollzeitstelle suchen, und denjenigen, die ein 90%-Pensum suchen. Auch dies spricht dafür, dass die Benachteiligung der Männer vor allem auf das Signal zurückzuführen ist, dass der Wunsch nach einer Teilzeitbeschäftigung aussendet, und weniger mit realen Schwierigkeiten bei der Integration von Teilzeitbeschäftigten in die Arbeitsabläufe zu tun hat. Dabei kann es sich durchaus auch um eine unbewusste Reaktion auf Seiten der Rekrutierenden handeln.

Ausgeglichenere Verteilung von Erwerbsarbeit wird abgebremst

Was für Folgen hat die stärkere Benachteiligung von Teilzeitarbeit suchenden Männern im Vergleich zu Frauen, die eine Teilzeitstelle suchen? Sie führt unter anderem dazu, dass Männer noch geringere Anreize haben, das Arbeitspensum zu reduzieren. Dadurch wird eine ausgeglichenere Verteilung von Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern abgebremst. Möchte man eine ausgeglichenere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern fördern, müsste daher nicht nur bei den Arbeitnehmenden und Stellensuchenden ein Umdenken stattfinden, sondern auch bei den Unternehmen.

Literatur

Kopp, Daniel (2021): The gender biased part-time penalty in hiring. Evidence from recruiter behavior on an online recruitment platform. Unpubliziertes Manuskript. KOF Analysen Sommer 2021.

Kontakt

Dr. Daniel Kopp
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 218
  • +41 44 633 87 15

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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