Konkurswelle: Aufgeschoben oder aufgehoben?

Im vergangenen Jahr sind deutlich weniger Firmen Konkurs gegangen, als es in normalen Zeiten zu erwarten gewesen wäre. Dies ist auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Stützungsmassnahmen zurückzuführen. Zuletzt sind die Konkurse deutlich gestiegen. Mit einer schlagartigen Konkurswelle ist dennoch weiterhin nicht zu rechnen.

Der wirtschaftliche Einbruch im vergangenen Jahr führte zu einer bedrohlichen Lage. Die Einkünfte vieler Unternehmen, die zu normalen Zeiten erfolgreich gewirtschaftet haben, waren von den Eindämmungsmassnahmen und der allgemeinen Konsumzurückhaltung unmittelbar betroffen. Die Behörden reagierten rasch, zum einen mit rechtlichen Massnahmen. Der vom Bundesrat angeordnete Rechtsstillstand (19. März bis 4. April 2020) und die anschliessenden Betreibungsferien (bis 19. April) verschafften den Unternehmen Luft zum Atmen. Zudem wurde die Pflicht der Unternehmen zur Überschuldungsanzeige bis Ende Oktober ausgesetzt. Aber auch wirtschaftliche Stützungsmassnahmen wurden rasch und unkompliziert umgesetzt. Zur Sicherung der Liquidität konnten Unternehmen bis Ende Juli vom Bund verbürgte COVID-19-Überbrückungskredite beantragen. Die Ausweitung und Vereinfachung der Kurzarbeit erlaubte es zudem den betroffenen Unternehmen, die fix anfallenden Personalkosten zu decken.

Deutlich weniger Firmenkonkurse aufgrund von Stützungsmassnahmen

In der Folge resultierte für die Schweiz insgesamt ein beispiellos scharfer Rückgang der Konkurse, wie sich aus Handelsregisterzahlen zeigt, die Bisnode D&B der KOF für ein Konkursmonitoring zur Verfügung stellt. Zwischen März und Juli 2020 lagen die Konkurse (inkl. konkursamtlicher Liquidiationen1 ) durchschnittlich 21% niedriger als in derselben Vorjahresperiode. Dies wird in Grafik 1 verdeutlicht, aus der die monatlichen Konkursraten für die Schweiz insgesamt und für die Grossregionen ersichtlich sind.  

BankrottAbbildung 1: Ausfallraten nach Grossregionen

Auch nach dem Auslaufen vieler Stützungsmassnahmen trat nur vereinzelt eine überdurchschnittliche Anzahl Konkurse auf. So flackerten die Konkurse in Zürich und der Nordwestschweiz im Herbst 2020 kurz auf, eine Konkurswelle blieb jedoch aus. Im März 2021 stiegen nun aber in mehreren Regionen deutlich an. Die gesamtschweizerische Konkursrate liegt nun zum ersten Mal seit Beginn der Krise deutlich über dem Trend.

Konkurse in indirekt betroffenen Branchen

In einer sektoralen Betrachtung fällt auf, dass diejenigen Branchen, die von den behördlichen Eindämmungsmassnahmen stark betroffen waren, keine überdurchschnittlichen Konkurszahlen aufwiesen. Grafik 2 zeigt, dass beispielsweise der Einzelhandel, das Gastgewerbe oder die Unterhaltungsbranche bis zuletzt keine merklichen Anstiege verzeichneten. Stattdessen litten eher Unternehmen, die den betroffenen Branchen in der Wertschöpfungskette nachgelagert oder von Verhaltensänderungen direkt betroffen sind. Dies betraf beispielsweise Personentransportunternehmen, Gebäudereinigungs- und Instandhaltungsfirmen, Wäschereien, Coiffeur- und Kosmetikstudios. Im März stiegen die Konkurse im Bereich Gastgewerbe und Unterhaltungs-/Freizeitindustrie allerdings deutlich an.

Abbildung 2: Firmenkonkurse nach Sektoren (ohne konkursamtliche Liquidationen)

Vergleich mit früheren Krisen

Die Corona-Krise ist einzigartig im Vergleich mit vergangenen Krisen. Grafik 3 zeigt die kumulierte Abweichung vom zyklisch bereinigten Trend an. Sie gibt dementsprechend wieder, wie viel mehr oder weniger Firmen Konkurs anmelden mussten als in normalen Zeiten. Beispielsweise machte die Eurokrise und die darauffolgende Aufwertung der Franken den meisten Branchen zu schaffen und dem Frankenschock folgte ein Zeitraum, in dem im Verarbeitenden Gewerbe mehr Unternehmen Konkurs anmelden mussten als üblich. Seit Beginn der Corona-Krise entwickeln sich die Konkurse in sämtlichen Branchen dagegen deutlich unterdurchschnittlich. Der Unterschied zu den früheren Krisenzeiten dürfte in den massiven staatlichen Stützungsmassnahmen begründet sein.  

Abbildung 3: Kumulative über- und unterdurchschnittliche Konkurshäufigkeit

Firmengründungen trotz wirtschaftlicher Unsicherheit zuletzt hoch

Aus Grafik 4 wird ersichtlich, dass sich – trotz der wirtschaftlichen Unsicherheit – seit Beginn der Krise eine überdurchschnittliche Anzahl von Firmen neu ins Handelsregister eingetragen haben. Dies lässt sich auch in Sektoren feststellen, die von der Krise direkt betroffen waren – wie zum Beispiel im Handel oder zuletzt im Gastgewerbe. Das ist grundsätzlich als positives Signal zu werten. Ein Gutteil dieser Entwicklung ist durch Nachholeffekte nach dem Einbruch der Neugründungen im Frühjahr getrieben. Weiterhin dürften einige Branchen von den pandemiebedingten Veränderungen profitieren, wie z.B. Internethändler, Informatikdienstleister, Lieferdienste und die chemisch-pharmazeutische Industrie. Auch könnten betriebliche Reorganisationsprozesse eine Rolle spielen.

Abbildung 4: Firmengründungen nach Sektoren

Mehr Konkurse sind zu erwarten

Die Frage steht weiterhin im Raum, ob und wann mit einem weiteren Anstieg der Konkurse zu rechnen ist. Seit dem Beginn des Jahres laufen die kantonalen Härtefallprogramme, in deren Rahmen die stark betroffenen Unternehmen A-fonds-perdu-Beiträge erhalten. Auch von anderen Stützungsprogrammen, wie dem COVID-Erwerbsersatz und der Kurzarbeit, wird weiterhin Gebrauch gemacht. Dies dürfte die negativen Auswirkungen der zweiten und der dritten Pandemiewelle abdämpfen. Mit dem Abklingen der Pandemie wird wohl auch die wirtschaftliche Erholung wieder in die Gänge kommen, wovon das Gastgewerbe und der Detailhandel profitieren dürften. Trotzdem ist die Unsicherheit über den weiteren wirtschaftlichen Verlauf gross und die Verschuldung vielerorts angestiegen – teilweise wohl auf ein nicht nachhaltiges Niveau. Zudem ist in einigen Branchen ein Strukturwandel angelaufen. Das Ausscheiden von Unternehmen, die unter den veränderten Umständen nicht mehr lebensfähig sind, ist Bestandteil der Schumpeterschen «kreativen Zerstörung». Ein Anstieg der Konkurse in der kommenden Zeit wird sich deshalb wohl nicht vermeiden lassen, die behördlichen Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft haben jedoch einen schockartigen Anstieg unterbunden.

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1) Eine konkursamtliche Liquidation erfolgt, falls ein Organisationsmangel vorliegt und dieser nicht rechtzeitig behoben wird. Ein solcher liegt vor, wenn die Organisation einer Gesellschaft hinsichtlich ihrer Verwaltung, Vertretung oder der Revision nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Dies ist nicht selten ein Anzeichen dafür, dass eine Unternehmung auch in einer wirtschaftlichen Notlage ist.

2) Vgl. Medienmitteilung vom November 2020.

Dr. Florian Eckert
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KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
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