Digitale Investitionen zahlen sich aus – aber nur wenn sich auch die Unternehmensorganisation wandelt

Obwohl immer mehr Firmen die Vorteile der Digitalisierung erkennen und deshalb in entsprechende Technologien investieren, resultiert daraus nicht zwingend ein Produktivitätsgewinn. Eine neue Studie der KOF zeigt, in welchen Fällen eine Anpassung der Unternehmensorganisation eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit durch IT-Investitionen ermöglicht.

Innovation

Nobelpreisträger Robert M. Solow hat bereits 1987 erkannt, dass Ausgaben für IT die Kompetitivität eines Betriebs nicht direkt beeinflussen. Damals fiel ihm auf, dass die neu eingeführten Personal Computer keinen Effekt auf Produktivitätsmessungen zu haben scheinen. Dieses Phänomen wird auch «Solow-Paradox» genannt.

Eine aktuelle Studie der KOF im Auftrag der Schweizerischen Stiftung für Forschung und Ausbildung «Qualität» (SFAQ) und der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-Systeme (SQS) in Zusammenarbeit mit der Professur für Produktions- und Operationsmanagement (POM) der ETH Zürich befasst sich mit der Digitalisierung in der Schweizer Wirtschaft. Die Kanäle, über welche die Wettbewerbsfähigkeit durch die Digitalisierung erhöht werden kann, werden genauer beleuchtet. Für die Untersuchung wurden Daten der KOF-Innovationserhebung von 2002 bis 2016 sowie der Digitalisierungserhebung 2016 ausgewertet. Diese Umfragedaten basieren auf dem KOF-Unternehmenspanel, welches aus 6500 Firmen besteht (stratifizierte Zufallsstichprobe) und repräsentativ für die Schweizer Wirtschaft ist.

Die deskriptive Analyse in der Studie zeigt zunächst, dass Firmen, welche ihre Funktionen und Aufgaben digitalisieren, häufig eine Produktivitätszunahme verzeichnen können. Laut Tabelle 1 betrifft dies besonders Unternehmen, welche digitale Technologien für die Vernetzung von Informationen und die Automatisierung von Prozessen einsetzen. Die Eingliederung solcher technologischen Innovationen in den Arbeitsalltag bedingt allerdings auch einen organisationalen Transformationsprozess. Neben ausgeprägter Innovationskraft (Artikel) und aktualisierter IT-Sicherheit (Artikel) kann die Studie die Unternehmensorganisation als einen weiteren entscheidenden Faktor für die Steigerung der Produktivität infolge IT-Investitionen identifizieren.

Wettbewerbsfähigkeit nach digitalisierten Funktionen und Aufgaben

Schweizer Unternehmen organisieren sich immer dezentraler

Im ökonometrischen Modell der KOF Studie werden zwei Grössen verwendet, welche die Unternehmensorganisation eines Betriebs klassifizieren. Einerseits wird ein Indikator für die Arbeitszeitflexibilisierung und andererseits für die Zentralisierung von Entscheidungsprozessen berechnet.

Die Arbeitszeitflexibilisierung in einem Unternehmen wird anhand der Bedeutung der Teilzeit- und Temporärbeschäftigung sowie der variablen Jahresarbeitszeit erfasst. Aus diesen Angaben wird eine binäre Variable gebildet, welche den Wert 1 annimmt, wenn die Arbeitszeit in einem Betrieb in hohem Masse flexibel eingeteilt werden kann.

Der zweite Indikator, die Zentralisierung der Entscheidungsprozesse, wird konstruiert, indem die Zuständigkeiten und Kompetenzfestlegungen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden in verschiedenen Situationen abgefragt werden. Dazu gehören zum Beispiel der Kundenkontakt, die Festlegung des Arbeitstempos und die Problembewältigung in einer Firma. Erneut wird eine binäre Variable konstruiert. Der Wert 1 bedeutet hier, dass der Zentralisierungsgrad eines Unternehmens über dem 75. Verteilungsperzentil liegt. Ein Wert von 0 indiziert demnach, dass eine Firma eher dezentral strukturiert ist. In Grafik 8 sieht man den zeitlichen Verlauf des Anteils an befragten Unternehmen, welche einen Wert von 1 erreicht haben, also einen hohen Grad an Zentralisierung aufweisen. Der gemessene Anteil nimmt offenbar stetig ab. Dies bedeutet, dass in immer mehr Firmen die Entscheidungskompetenzen zunehmend an die Mitarbeitenden abgegeben werden.

Dieser Trend wird in der KOF Studie auch am anekdotischen Beispiel einer Schweizer Versicherungsgesellschaft sichtbar: Für die Entscheidungsfindung werden dort vermehrt Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Arbeitsbereichen einbezogen, um die Digitalisierung nach dem «bottom-up»-Prinzip voranzutreiben. Zudem wurden flexible Anreizsysteme eingeführt, um die Mitarbeitenden für die Veränderungen in der Unternehmenskultur zu begeistern.

Entwicklung der Zentralisierung von Entscheidungsprozessen

Eine kohärente Unternehmensorganisation kann den Produktivitätsbeitrag digitaler Investitionen erhöhen

Um von Investitionen in digitale Technologien zu profitieren, müssen einige Voraussetzungen, wie zum Beispiel die oben erwähnte IT-Sicherheit, erfüllt werden.

Ein hoher Zentralisierungsgrad der Entscheidungskompetenzen kann einen positiven Beitrag digitaler Investitionen auf die Wettbewerbsfähigkeit ermöglichen. Bei Firmen, welche pro Mitarbeitenden relativ wenig in IT investieren, steigt die Produktivität, wenn Entscheide zentral getroffen werden. Dieser Zusammenhang wird in Grafik 9 deutlich. Jedoch ist dieses Ergebnis nicht allgemeingültig: Für Betriebe, bei denen pro Beschäftigten relativ viel in digitale Technologien investiert wird, gilt das Gegenteil. Hier fördert die dezentrale Entscheidungsfindung den produktiven Einsatz digitaler Investitionen, wie aus Grafik 10 zu erkennen ist. Die flexible Gestaltung der Arbeitszeiten hingegen führt bei gleich bleibender Unternehmensorganisation zu keinem zusätzlichen Effekt.

Will eine Firma ihre Wettbewerbsfähigkeit mittels IT-Investitionen steigern, muss sie ihre Struktur und vor allem ihre Entscheidungsfindungsprozesse anpassen. Wie eine erfolgreiche Transformation der Unternehmensorganisation aussehen kann, illustriert ein weiteres Beispiel in der KOF Studie. Ein Schweizer Familienunternehmen, welches als Zulieferer für die Bau- und Automobilindustrie tätig ist, hat bereits intensiv in die Digitalisierung investiert. Um davon optimal profitieren zu können, wurde auch die Unternehmensorganisation angepasst. So wird beispielsweise eine offene Kultur der Zusammenarbeit gefördert. Dies geschieht anhand von flacheren Organisationshierarchien und einer Plattform für den Daten- und Informationsaustausch. Das Unternehmen sieht sich in seinem eingeschlagenen Weg bestätigt.

Zentrale Entscheidungsprozesse
Zentralisierte Entscheidungsprozesse und Produktivität

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