Corona-Krise: Vielen Unternehmen fehlt das Geld für Investitionen

In der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise ist die Investitionstätigkeit der Schweizer Unternehmen im Jahr 2020 eingebrochen. Gemäss den Ergebnissen der halbjährlichen KOF Investitionsumfrage wollen die Unternehmen einige ihrer aufgeschobenen Investitionsprojekte im zweiten Pandemiejahr zwar nachholen. Jedem fünften Unternehmen fehlen dazu jedoch die finanziellen Ressourcen, was den Investitionsschub ausbremst.

Franken Kurve

Aufgrund der Corona-Krise erleben die Volkswirtschaften rund um den Globus die stärksten Einbrüche ihrer Wirtschaftsleistungen seit Jahrzehnten – mit ihnen auch die Schweiz. Mit Ausbruch der Pandemie und den Massnahmen, die zu ihrer Eindämmung ergriffen wurden, haben die Schweizer Unternehmen ihre Investitionspläne massiv nach unten revidiert. Das hat sich bereits in früheren Wellen der KOF Investitionsumfrage abgezeichnet.

Sowohl im Herbst 2019 als auch im Frühling 2020 wurden die Unternehmen danach befragt, wie sich ihre Investitionspläne für 2020 im Vergleich zu 2019 ändern würden. Die Unternehmen konnten auf einer dreistufigen Skala angeben, ob sie ihre Investitionen erhöhen, unverändert lassen oder senken werden. Da die Umfrage im Herbst 2019 bis zu 6 Monate vor der Pandemie durchgeführt wurde, sind deren Resultate von der Corona-Krise unbeeinflusst. Umgekehrt fand die Umfrage im Frühling 2020 inmitten der «aussergewöhnlichen Lage» statt.

Unternehmen verzögerten und verzichteten auf Investitionsprojekte

Das Flussdiagram in Grafik 5 zeigt, wie sehr sich die Investitionspläne in dieser Zeit verändert haben. Auf beiden Seiten des Diagramms werden die drei Antwortmöglichkeiten als vertikale Balken dargestellt, deren Höhe den Anteil der Firmen vermittelt, die sich für die jeweilige Antwort entschieden haben. Die Flüsse zwischen ihnen werden durch Bänder dargestellt, deren Breite proportional zur Anzahl der Firmen ist, die ihre Investitionspläne entsprechend geändert haben.

Revision der Investitionspläne für das Jahr 2020

Es zeigt sich deutlich, dass die Pandemie viele Unternehmen zur Revision ihrer Investitionspläne veranlasst hat. Im Herbst 2019 (siehe Balken auf der linken Seite) wollte ein Drittel ihre Investitionen im Jahr 2020 erhöhen, 46% wollten sie unverändert lassen, und 21% wollten sie reduzieren. Während der Pandemie haben 27% der Unternehmen ihre Investitionspläne nach unten korrigiert. Nur 17% haben sie erhöht. Insgesamt beabsichtigten 32% der Unternehmen ihre Investitionen im Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 zu reduzieren, knapp zwei Fünftel wollten sie unverändert lassen und nur 29% wollten sie erhöhen.

Tatsächlich gab über ein Drittel der Befragten an, dass der Verzögerung von Investitionsvorhaben eine mittlere bis hohe Bedeutung in der Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zukam. Über ein Viertel hat in der Krise gar komplett auf Investitionen verzichtet. Nur 15% haben als Antwort auf die Krise neue Investitionsprojekte lanciert.

Zaghafter Aufschwung im zweiten Pandemiejahr

Die Ergebnisse der jüngsten KOF Investitionsumfrage vom Herbst 2020 geben nun einen tieferen Einblick in diese Revisionen und liefern eine erste Einschätzung zu den Investitionsplänen für 2021. Aus den Umfrageresultaten berechnet sich für das vergangene Jahr eine Reduktion der Anlageinvestitionen von nominal 9.2%. Für 2021 rechnen die Umfrageteilnehmenden mit einem Wachstum von 7.3%.
Das für das Jahr 2021 erwartete Investitionswachstum verteilt sich gleichermassen auf die Industrie (+6%) und den Dienstleistungssektor (+7%). Firmen aus dem Baugewerbe hingegen wollen ihre Investitionen weiter reduzieren (-2%). Aber auch innerhalb des Dienstleistungssektors offenbaren sich grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Während die Gross- und Detailhändler mit einem kräftigen Investitionsschub rechnen (+12% respektive +18%), wird das Gastgewerbe besonders stark von der Krise beeinträchtigt. Nachdem Hotels und Restaurants ihre Investitionstätigkeit bereits im Pandemiejahr um 28% zurückgefahren haben, rechnen sie 2021 mit einem weiteren Rückgang um 18%.

Jedem fünften Unternehmen fehlen die finanziellen Ressourcen

Dass der Investitionsrückgang im vergangenen Jahr grösser ausfällt als das Investitionswachstum in diesem Jahr, legt die Vermutung nahe, dass sich die Investitionen nur langsam und schleppend von der Corona-Krise erholen werden. Ein wesentlicher Grund dafür ist in der finanziellen Situation der Unternehmen zu finden. In der Umfrage wurden die Unternehmen gefragt, welchen Einfluss die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen und die erwartete Ertragslage auf ihre Investitionstätigkeit im Jahr 2021 hat. Ihre Einschätzungen konnten sie auf einer 5-stufigen Skala nuancieren.

Die Unternehmen geben vermehrt an, dass sich die aktuelle finanzielle Situation negativ auf die Investitionspläne in diesem Jahr auswirkt. Per Saldo ist der Einflussfaktor seit der Befragung im Herbst 2019 in allen Sektoren um rund 20 Punkte gefallen (siehe G 6). Sowohl im Baugewerbe als auch im Dienstleistungssektor erreicht er damit einen neuen Tiefstand. Im Verarbeitenden Gewerbe herrschte zuletzt im Herbst 2015 nach Aufhebung des Mindestkurses von 1.20 CHF/EUR eine ähnlich angespannte Situation. Insgesamt geben 22% aller befragten Unternehmen an, dass ihre Investitionen 2021 durch ihre finanziellen Ressourcen leicht bis deutlich in negative Richtung beeinflusst werden.

Finanzielle Ressourcen und Investitionstätigkeit im 2020

Gehemmter Investitionsschub kann Erholung ausbremsen

Besonders ausgeprägt und seit Beginn der Erhebung einmalig ist diese Entwicklung im Dienstleistungssektor. Dies offenbart Grafik 7, die den Einfluss der finanziellen Ressourcen auf die Investitionsaktivität nach Branche aufschlüsselt und dabei die Abweichung des Saldos für das Jahr 2021 von seinem langjährigen Durchschnitt (2014-2020) zeigt.1

In der Reisebranche (NOGA 79: Reisebüros, Reiseveranstalter und Erbringung sonstiger Reservierungsdienstleistungen) ist die Veränderung am negativsten. Zwei von drei Reisebüros beklagen, dass ihre Investitionen durch die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen leicht oder deutlich gedämpft werden. Aber auch im Verkehr (NOGA 49: Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen, NOGA 50: Schifffahrt, NOGA 51: Luftfahrt) und im Hochbau (NOGA 41) wirkt sich die Ertragslage negativ auf die Investitionen aus. Dort ist jedes dritte Unternehmen betroffen.

Finanzielle Ressourcen und Investitionstätigkeit

Am anderen Ende des Spektrums hat sich die Ertragslage in wenigen Branchen positiv entwickelt und die Investitionsdynamik in der Pandemie gar angeregt. Zu diesen Branchen zählen beispielsweise die Werbung und Marktforschung (NOGA 73), das Verlagswesen (NOGA 58), der Tiefbau (NOGA 42) oder die Pharmaindustrie (NOGA 21: Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen).

Trotz der grossen Unterschiede über die einzelnen Branchen hinweg überwiegt die Zahl derer, bei denen sich die finanzielle Situation seit der Pandemie verschlechtert hat. Aus der Forschung ist bekannt, dass die finanzielle Position der Unternehmen eine wesentliche Determinante der Investitionsausgaben ist. Die Befunde aus der jüngsten KOF Investitionsumfrage legen nahe, dass sich die finanzielle Situation in zahlreichen Branchen bereits heute negativ in der Investitionstätigkeit der Schweizer Unternehmen niederschlägt. Das kann die negative Entwicklung in ohnehin schon vulnerablen Wirtschaftszweigen weiter verschärfen oder die an die Krise anschliessende Erholung deutlich verzögern.

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