Gastgewerbe: Jeder zweite Betrieb fürchtet um seine Existenz

In den Konjunkturumfragen vom Januar gaben etwa 60% der befragten Unternehmen an, dass die Pandemie ihren Umsatz im letzten Jahr geschmälert hat. Besonders betroffen ist das Gastgewerbe: Hier dürfte der Jahresumsatz 2020 um etwa 37% eingebrochen sein, bei fast jedem dritten Betrieb betrug das Minus mehr als 50%. Die Furcht vor dem Konkurs hat im Januar in allen Bereichen wieder zugenommen.

Take-Away

Die Pandemie und die damit einhergehenden freiwilligen oder staatlich verordneten Einschränkungen haben spürbare Konsequenzen für die Schweizer Unternehmen. Um diese Konsequenzen einschätzen zu können, hat die KOF die regulär durchgeführten Konjunkturumfragen vom Januar zum neunten Mal mit Sonderfragen zur Corona-Krise ergänzt. Ungefähr 3000 Unternehmen aus den sechs Wirtschaftsbereichen Verarbeitendes Gewerbe, Bau, Detailhandel1, Projektierung, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sowie übrige Dienstleistungen nehmen monatlich an der Umfrage teil. Quartalsweise werden zudem Unternehmen der Bereiche Gastgewerbe und Grosshandel befragt.

Erwartungen für den Jahresumsatz 2020 tendenziell nach oben revidiert

Die Grafik G 4 zeigt die erwartete Auswirkung der Pandemie auf den Gesamtumsatz für das Jahr 2020 nach Umfragemonat und Wirtschaftsbereich, wobei die Antworten der Firmen nach Unternehmensgrösse gewichtet werden. In den meisten Bereichen wurde im Mai der stärkste negative Einfluss auf den gesamten Jahresumsatz erwartet, danach haben sich die Erwartungen relativ stetig verbessert. Die zweite Infektionswelle hat also kaum zu Korrekturen nach unten geführt. Ein Grund dafür dürften die weniger restriktiven Schutzmassnahmen sein. Ausserdem haben viele Unternehmen sich an die Gegebenheiten angepasst und Wege gefunden, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten, soweit es geht, aufrechtzuerhalten.

Eine Ausnahme bildet das Gastgewerbe. Die Quartalsbeobachtungen zeigen, dass die Betriebe hier im Oktober noch mit einem deutlich weniger negativen Einfluss auf den Jahresumsatz 2020 gerechnet haben als in der Rückschau im Januar 2021. Der gewichtete Jahresumsatz der Branche dürfte um 37% eingebrochen sein, wobei fast jeder dritte Betrieb ein Minus von mehr als 50% verzeichnet hat. Damit ist das Gastgewerbe mit Abstand am stärksten von der Pandemie tangiert. Innerhalb des Gastgewerbes sind die Beherbergungsunternehmen mit einem Umsatzrückgang von 46% stärker betroffen als die Gastronomiebetriebe, welche ein Minus von 33% melden. Ausserdem verzeichnen die Betriebe in den grossen Städten stärkere Umsatzrückgänge als die Betriebe in den Berg- oder Seeregionen.

Erwarteter Einfluss der Pandemie auf den Jahresumsatz 2020

Industrie: Sowohl Export- als auch binnenorientierte Betriebe betroffen

Mit einem Umsatzrückgang von 8% hat die Krise auch die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes stark beeinträchtigt. Allerdings ist das Umsatzminus kleiner ausgefallen als im Mai erwartet; damals wurde mit einem Rückgang von 14% gerechnet. Mit Ausnahme vom Monat November, in dem die Firmen etwas pessimistischer wurden, hellten sich die Erwartungen jeden Monat auf.

Die Industriebranchen sind unterschiedlich stark tangiert: Wenig betroffen sind die Unternehmen der Branchen Kokerei und Mineralölverarbeitung, Herstellung von chemischen Erzeugnissen und Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen (-1%, NOGA 19-21). Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes sind die Hersteller von Textilien, Bekleidung, Leder, Lederwaren und Schuhen mit dem stärksten Rückgang konfrontiert (-18%, NOGA 13-15). Nach industrieller Hauptgruppe unterschieden, verzeichnen die Hersteller von Investitions- und Gebrauchsgütern eine ungünstigere Entwicklung als die Hersteller von Verbrauchs- und Vorleistungsgütern. Unterschiede zeigen sich auch zwischen den Exportklassen, der Zusammenhang zwischen Exportanteil und Umsatzrückgang ist allerdings nicht linear. Die exportorientierten Unternehmen (Exportanteil: 67-100%) erfuhren den stärksten Einbruch (-12%). Ebenfalls erheblich betroffen sind die binnenorientierten Unternehmen (Exportanteil: 0-33%) mit einem Rückgang von 8%. Bei den Unternehmen mit einem Exportanteil zwischen 34% und 66% ist der Rückgang mit 6% etwas weniger markant.

31% der Unternehmen berichten von keinem wesentlichen Einfluss auf den Umsatz

Insgesamt berichten rund 60% der befragten Unternehmen, dass die Krise ihren Jahresumsatz 2020 negativ beeinflusst hat. Gleichzeitig verzeichnen aber rund 9% der Unternehmen einen positiven Effekt. Unter Letzteren finden sich insbesondere Finanz- und Versicherungsdienstleister sowie einige Detailhändler. Die restlichen 31% der Betriebe gaben an, dass ihr Umsatz nicht tangiert wird. Zu dieser Gruppe zählen neben vielen Finanz- und Versicherungsdienstleistern auch ein Grossteil der Unternehmen im Projektierungssektor.

Die Daten wurden zudem mit Regressionen ausgewertet. Die Resultate zeigen, dass kleine Unternehmen und Firmen im Tessin oder in der Genferseeregion mit einem grösseren Umsatzeinbruch rechnen.

Existenzbedrohung nimmt im Januar in allen Bereichen zu

In einer weiteren Sonderfrage geben die Umfrageteilnehmenden an, wie sehr die Existenz ihres Unternehmens durch die Pandemie gefährdet ist. Die Grafik G 5 zeigt die Entwicklung der Anteile seit Mai 2020, unterschieden nach Wirtschaftsbereich. Wiederum sticht das Gastgewerbe hervor: 56% der Betriebe sehen ihre Existenz als stark oder sehr stark bedroht an. Über alle Wirtschaftsbereiche hinweg beträgt der Anteil im Januar 14%, das entspricht dem bisher höchsten Quartalswert. Im Gegensatz zur Entwicklung der Umsatzerwartungen für das Jahr 2020 hat die zweite Infektionswelle in diesem Bereich also Spuren hinterlassen. Im November war die Existenzgefährdung in den meisten Wirtschaftsbereichen etwas angestiegen. Nachdem sie im Dezember wieder etwas gesunken war, fürchten sich die Unternehmen in allen Bereichen im Januar wieder vermehrt vor einem Konkurs.

Die Auswertungen der Daten mittels logistischer Regressionen zeigen, dass kleinere Unternehmen im Tessin oder in der Genferseeregion ansässige Firmen eher in ihrer Existenz bedroht sind. Zudem fürchten Unternehmen, die mit ihrer Verschuldungs- oder Liquiditätssituation zu kämpfen haben, eher um ihr Fortbestehen.

Anteil der Unternehmen, die ihre Existenz als stark oder sehr stark bedroht ansehen

Margen bei 17% der Unternehmen zu tief

Die Unternehmen wurden zudem gefragt, von welchen Faktoren im Rahmen der Pandemie die grösste Beeinträchtigung ausgeht. Der Anteil der Firmen, die nicht beeinträchtigt sind, beträgt aktuell 14%. Nach wie vor stellt der Rückgang der Nachfrage für die Unternehmen die grösste Restriktion dar – 59% der Teilnehmenden sind davon betroffen. Mit der Verschärfung der Eindämmungsmassnahmen im Dezember und Januar wurde vermehrt der eingeschränkte Zugang zu den Kunden als Restriktion genannt. Im Vergleich zum Vormonat stellen zudem die Höhe der Fixkosten und die zu tiefen Margen öfters eine Einschränkung dar.

Während die Nachfrage in allen Bereichen die wichtigste Einschränkung darstellt, zeigen sich bei den restlichen Restriktionen Unterschiede zwischen den Bereichen. Die Verschuldungssituation spielt insbesondere im Gastgewerbe eine wichtige Rolle. Die Bauunternehmen sind dagegen vergleichsweise häufig von den tiefen Margen betroffen. Dass die Kunden Zahlungsschwierigkeiten haben, melden insbesondere die Finanzdienstleister. Die Unternehmen des Gross- und Detailhandels sind hingegen von der Verfügbarkeit von Waren eingeschränkt.

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1) Im Detailhandel wird nur eine kleine Stichprobe von Unternehmen durch die KOF befragt. Die Ergebnisse sind daher für den Gesamtsektor eingeschränkt aussagekräftig.

Die detaillierten Ergebnisse der KOF Konjunkturumfragen (inklusive Tabellen und Grafiken) finden Sie auf unserer Webseite.

In die Ergebnisse der aktuellen KOF Konjunkturumfragen vom Januar 2021 sind die Antworten von mehr als 4500 privatwirtschaftlichen Unternehmen aus der Industrie, dem Baugewerbe und den wichtigsten Dienstleistungsbereichen eingeflossen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von etwa 60%.

Kontakte

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Dr. Klaus Abberger
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KOF Konjunkturforschungsstelle
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