Unternehmen revidieren Investitionspläne in der «ausserordentlichen Lage» deutlich

Die KOF Investitionsumfrage ermöglicht es, den kausalen Effekt der COVID-19-Pandemie auf die Investitionstätigkeit der Schweizer Unternehmen abzuschätzen. Demnach haben diese infolge der Pandemie ihre Investitionspläne für Ausrüstungen für das laufende Jahr um 7.3 Prozentpunkte reduziert, ihre Investitionspläne für Forschung und Entwicklung gar um 14.9 Prozentpunkte. Dies hat weitreichende Folgen für den weiteren Verlauf der Rezession und die Dynamik der darauf folgenden wirtschaftlichen Erholung.

Forschung

Die diesjährige Frühjahrsumfrage, die vom 25. Februar bis 15. Mai 2020 durchgeführt wurde und an der 3104 Unternehmen teilgenommen haben, wird wesentlich von der COVID-19-Pandemie beeinflusst. In die Befragungsperiode fallen der erste positiv auf SARS-CoV-2 getestete Schweizer, der erste Schweizer Todesfall, die schweizweite Verbreitung des Virus sowie die vom Bund daraufhin getroffenen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie.

Diese Vorkommnisse haben die Investitionsvorhaben der Unternehmen unweigerlich beeinflusst, was sich deutlich im Antwortverlauf der Umfrageteilnehmenden widerspiegelt. Insbesondere nach der Erklärung der «ausserordentlichen Lage» durch den Bundesrat am 16. März fallen die Investitionspläne der Firmen in der Tendenz tiefer aus.

Die halbjährliche Durchführung und Wiederholung derselben Fragen über die verschiedenen Erhebungswellen der KOF Investitionsumfrage hinweg ermöglichen eine eingehendere Untersuchung, inwiefern die Unternehmen ihre Investitionspläne infolge der Pandemie verändert haben.

Differenz-von-Differenzen-Analyse mit «ausserordentlicher Lage» als Stichdatum

Im Herbst 2019 wurden die Unternehmen zu ihren Investitionsplänen für das nächste Jahr befragt. Im Frühjahr 2020 wurden sie erneut gefragt, welchen Betrag sie im laufenden Jahr für Investitionen ausgeben wollen. Mithilfe dieser Daten und einem sogenannten Differenz-von-Differenzen-Ansatz kann vertieft untersucht werden, ob und wie die Unternehmen ihre Investitionspläne im Frühjahr 2020 im Vergleich zu denjenigen verändert haben, die sie noch in der Erhebung vom Herbst 2019 geäussert hatten – je nachdem, ob sie die Investitionsumfrage im Frühjahr 2020 noch vor oder schon während der COVID-19-Pandemie ausgefüllt haben.1

Die Revision der Investitionspläne wird demnach für zwei Gruppen von Unternehmen separat berechnet. Firmen, welche die Frühjahrsumfrage vor Ausbruch der Pandemie ausgefüllt haben, gehören zur ersten Gruppe; jene, die während der Pandemie geantwortet haben, zur zweiten Gruppe. Als Stichdatum für die Gruppenzuordnung wird der 16. März 2020 gewählt, an dem der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» erklärt und weitreichende Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung und zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen hat.

Grafik G 1 zeigt die daraus resultierenden, mittleren Änderungen der geplanten Ausrüstungsinvestitionen je Gruppe für das jüngste Umfragepaar (Herbst 2019/Frühjahr 2020) sowie für drei weitere, vorherige Umfragepaare (Herbst 2016/Frühjahr 2017; Herbst 2017/Frühjahr 2018; Herbst 2018/Frühjahr 2019). So beschreiben die letzten Datenpunkte im Jahr 2020 beispielsweise, inwiefern die Unternehmen ihre für 2020 geplanten Investitionen in Ausrüstungen zwischen den Befragungen im Herbst 2019 und Frühjahr 2020 im Durchschnitt verändert haben.

Die meisten Werte liegen um die Nulllinie, was bedeutet, dass die Unternehmen ihre Investitionsvorhaben zwischen den beiden Umfragewellen in der Regel nicht massiv verändern. Zum Jahresende sind die Budgets für das nächste Jahr verabschiedet und die Unternehmen haben für gewöhnlich wenig Anlass, diese zwischen Herbst und Frühjahr grundlegend zu überarbeiten.

Revision Investitionspläne Ausrüstungen

Das verhält sich dieses Jahr anders. Insbesondere die Unternehmen der zweiten Gruppe haben ihre Pläne zuletzt deutlich nach unten revidiert. Für die weitere Analyse ist es nun besonders wichtig, dass die beiden Linien vor dem gewählten Stichdatum parallel verlaufen. Die Idee der Differenz-von-Differenzen-Methode besteht nämlich darin, auf Basis dieses gemeinsamen Trends im Antwortverhalten der beiden Gruppen vor der Pandemie zu argumentieren, dass ohne COVID-19 auch im Frühjahr 2020 die rote Linie parallel zur blauen Linie verlaufen wäre. Unter dieser Annahme ergibt sich der Einfluss der Pandemie auf die Investitionspläne der Firmen, indem die geplante Revision derjenigen, die vor dem 16. März 2020 an der Umfrage teilgenommen haben, von der Revision jener subtrahiert wird, die nach dem 16. März geantwortet haben. Er ergibt sich demnach aus der Differenz der Differenzen.

Effekte nach Branchen unterscheiden sich stark

Im betrachteten Fall ist die Differenz negativ. Im Durchschnitt haben die Unternehmen ihre für dieses Jahr geplanten Ausrüstungsinvestitionen infolge der Pandemie um 7.3 Prozentpunkte nach unten revidiert. Mithilfe eines Regressionsmodells lässt sich schätzen, dass diese Veränderung und der in der Grafik illustrierte negative Effekt der Pandemie auf die Investitionspläne mit einer gewissen Irrtumswahrscheinlichkeit statistisch gesichert ist.

Darüber hinaus kann die Analyse mit derartigen Regressionsmodellen weiter vertieft werden. So zeigt sich beispielsweise, dass die Industrie (-11.1 PP) im Aggregat wesentlich stärker betroffen ist als der Dienstleistungssektor (-1.1 PP). Der Effekt auf den Bausektor ist dagegen nicht statistisch signifikant.

Die Heterogenität innerhalb der Sektoren ist beträchtlich, auf die einzelnen Branchen wirkt sich die Pandemie sehr unterschiedlich aus. Unter den Dienstleistern werden Verkehr und Tourismus (-52.5 PP), das Gastgewerbe (-48.1 PP) sowie der Detailhandel (-16.2 PP) besonders stark von der Krise beeinträchtigt. Umgekehrt hat sie sich positiv auf die Ausrüstungsinvestitionen in der Nachrichtenübermittlung (+74.5 PP), Finanzbranche (+63.1 PP) und Informationstechnologie (+26.7 PP) ausgewirkt.

Im Verarbeitenden Gewerbe sollen die Ausrüstungsinvestitionen infolge der Pandemie vor allem in der Herstellung von elektrischen Geräten und Ausrüstungen (-26.4 PP) sowie dem Maschinen- und Fahrzeugbau (-4.6 PP) reduziert werden. Im Gegensatz dazu wurden die Investitionspläne in der Nahrungs- und Genussmittel-Industrie (+13.0 PP) deutlich erhöht.

Tessiner Unternehmen revidieren Pläne am deutlichsten

Des Weiteren weist die Reaktion der Unternehmen eine grosse regionale Variation auf und korreliert mit der pro Region gemeldeten Zahl von bestätigten COVID-19-Fällen. Das Tessin und die Genferseeregion zählen zu den am stärksten betroffenen Gebieten; mehr als die Hälfte aller in der Schweiz bestätigten Fälle entfallen auf diese beiden Regionen.2 Die Fallquoten, gemessen an der Wohnbevölkerung, betragen 0.95% bzw. 0.75%. Die im Tessin ansässigen Unternehmen haben ihre Investitionspläne denn auch am stärksten reduziert (-62.1 PP), gefolgt von jenen aus der Genferseeregion (-30.6 PP). Demgegenüber sind die Punktschätzungen in der Zentral- und Ostschweiz am höchsten (+0.9 PP bzw. -0.9 PP), wo die Fallquoten mit 0.19% bzw. 0.20% schweizweit am tiefsten sind.

Dieselben Betrachtungen lassen sich auch für die in der Umfrage erhobenen Bauinvestitionen und Investitionen in Forschung & Entwicklung anstellen. Grafik G 2 zeigt die mittleren Änderungen der geplanten Bauinvestitionen je Gruppe. Zwar ist der durchschnittliche Behandlungseffekt auch in diesem Fall negativ. Die Regressionsmodelle zeigen aber, dass diese Differenz nicht statistisch gesichert ist. Das liegt unter anderem daran, dass die Annahme der parallelen Trends in den Veränderungen der Reihen in der Vergangenheit nicht erfüllt ist.

Revision Investitionspläne Bauten

Grafik G 3 zeigt die mittleren Änderungen der geplanten Investitionen in Forschung & Entwicklung. Der durchschnittliche Behandlungseffekt fällt für diese Investitionsart negativer aus als für die Ausrüstungsinvestitionen. Verglichen mit den Umfrageantworten vor Beginn der Pandemie haben die Unternehmen ihre Investitionspläne für Forschung & Entwicklung in diesem Jahr um 14.9 Prozentpunkte gesenkt. Diese Differenz ist statistisch signifikant.

Revision Investitionspläne F&E

Aussichten auf eine «V-Rezession» schwinden

Insgesamt zeigen die auf diese Weise analysierten Umfragedaten, dass die Pandemie die Investitionspläne der Unternehmen stark negativ beeinflusst hat. Dieser Befund ist aus mindestens zwei Gründen besorgniserregend.

Zum einen schwinden mit ihm die Aussichten auf eine zwar schmerzhafte, dafür aber kurze «V-Rezession». Die Investitionstätigkeit der Unternehmen beeinflusst die konjunkturelle Entwicklung massgebend. Bleiben Investitionen aus, setzt die wirtschaftliche Erholung später ein und erfolgt deutlich langsamer. Dies würde zu dem führen, was gewisse ÖkonomInnen als «Swoosh-Rezession» bezeichnen: Der Verlauf der wirtschaftlichen Erholung sähe dann nämlich aus wie das Logo des Sportartikelherstellers Nike.

Zum anderen könnten sich diese Ergebnisse durch die zunehmende Verschuldung der Unternehmen mittelfristig weiter akzentuieren. Ein wesentlicher Pfeiler im Massnahmenpaket des Bundes zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind Liquiditätshilfen und Überbrückungskredite («COVID-19-Kredite»). Die staatlichen Garantien helfen zwar, Einnahmeausfälle kurzfristig zu überbrücken. Die erhöhte Schuldenlast bleibt dabei aber nicht folgenlos. Aus der Forschung ist bekannt, dass Firmen mit hoher Verschuldung ihre Investitionen nach einer Krise noch stärker reduzieren. Steigt infolge der Pandemie die Schuldenlast, könnte sich das negativ auf die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und damit auf die Dynamik der wirtschaftlichen Erholung als solcher auswirken.

Weitere Informationen zur KOF Investitionsumfrage finden Sie hier.

1) Der genaue Zeitpunkt der Beantwortung ist für diejenigen Teilnehmenden bekannt, die den Fragebogen elektronisch ausfüllen. Die nachfolgende Analyse beruht daher ausschliesslich auf den Antworten der Unternehmen, die elektronisch an der Befragung teilnehmen.

2) Stand 20. Mai 2020. Die Fallzahlen von SARS-CoV-2 stammen von offiziellen Quellen (Kantone und Fürstentum Liechtenstein) und werden vom Statistischen Amt des Kantons Zürich in maschinenlesbarer Form auf dem Portal für Schweizer Open Government Data (OGD) zur Verfügung gestellt (externe Seitehttps://github.com/openZH/covid_19).

Kontakt

Dr. Klaus Abberger
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KOF Konjunkturforschungsstelle
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KOF FB Konjunkturumfragen
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