KOF Konjunkturumfragen vom April 2020: Historische Herausforderung für Dienstleister

Der KOF Geschäftslageindikator sinkt im April ausserordentlich stark. Im Angesicht der COVID-​19-Pandemie bewerten die Unternehmen ihre Geschäftslage noch negativer als während der Finanzkrise 2009. Zudem erwarten sie eine weitere Verschlechterung ihrer Lage in den kommenden Monaten. Sonderfragen zur Pandemie deuten darauf hin, dass der Einbruch der Nachfrage schwerer wiegt als Einschränkungen bei der Produktion.

KOF Geschäftslageindikator (wird laufend aktualisiert)

Die COVID-19-Pandemie hinterlässt in allen Sektoren der Wirtschaft tiefe Spuren. Dennoch zeigen sich je nach Sektor Nuancen. Das Verarbeitende Gewerbe kann noch etwas von der günstigen Entwicklung in den ersten Monaten dieses Jahres zehren. Trotz einer scharfen Abwärtskorrektur ist die Geschäftslage dort momentan noch nicht so schlecht wie während der Finanzkrise 2009 (siehe T 1). Die Nachfrage- und Produktionserwartungen für die nächste Zeit sind aber sehr negativ. Im Baugewerbe und bei den Projektierungsbüros sinkt der Lageindikator im Vormonatsvergleich so stark wie noch nie. Trotzdem überwiegt hier die schlechte Geschäftslage nicht, es melden jeweils mindestens so viele Unternehmen eine gute Lage wie eine schlechte. Ähnliches gilt für den Finanzsektor.

Geschäftslage

Im Gastgewerbe und im Detailhandel ist der Geschäftslageindikator eingeknickt und die Lage gestaltet sich sehr schwierig. Vor einer historischen Herausforderung stehen aber auch die übrigen Dienstleister. Die Geschäftslage ist in diesem Wirtschaftsbereich insgesamt deutlich schlechter als etwa während der Finanzkrise.

Antworten auf Sonderfragen in ausgewählten Branchen deuten darauf hin, dass die Nachfrageeinbrüche als gravierender angesehen werden als Beschränkungen in der eigenen Produktion bzw. Leistungserstellung durch Personalrestriktionen oder fehlende Vorprodukte. Zudem berichten Unternehmen in der italienischen Schweiz und in der Romandie signifikant häufiger von negativen Effekten als Unternehmen in der Deutschschweiz (siehe Grafik G 2).

Geschäftslage

Das Verarbeitende Gewerbe zehrt vom guten Jahresbeginn

Im Verarbeitenden Gewerbe ist der Geschäftslageindikator deutlich gesunken. Die Lage ist derzeit aber nicht so ungünstig wie während der Finanzkrise 2009. Die Unternehmen dürften noch etwas von der günstigen Entwicklung in den ersten beiden Monaten dieses Jahres zehren. Neue Aufträge dürften aber nur noch spärlich hereinkommen. Die Erwartungen zum Bestellungseingang in der nächsten Zeit sind negativer als während der Finanzkrise. Gleiches gilt für die Produktionspläne.

Bei einer Sonderfrage zu den Nachfrageeffekten der COVID-19-Pandemie geben 51% der Unternehmen an, dass die Nachfrage deutlich reduziert ist. Die Branche Chemie und Pharma setzt sich hier allerdings etwas ab und klagt signifikant seltener über einen starken Nachfragerückgang. Die Einschränkungen, die die Unternehmen bei der Organisation ihrer eigenen Produktionsprozesse sehen, sind zwar ebenfalls erheblich, aber nicht so ausgeprägt wie die Nachfrageprobleme. 12% der Firmen geben an, dass die Verfügbarkeit von Vorprodukten, Betriebsmaterial etc. eine starke Beeinträchtigung darstellt. Besonders ausgeprägt sind diese Klagen über fehlende Vorleistungen bei den Herstellern von Textilien, Bekleidung, Schuhe. Zudem klagen Unternehmen in der Romandie und in der italienischen Schweiz häufiger über solche Produktionseinschränkungen als jene in der Deutschschweiz. Dieses regionale Muster gilt auch für den Faktor Personaleinsatz: Unternehmen in der Romandie und der italienischen Schweiz berichten häufiger, dass Mitarbeitende nicht eingesetzt werden können, als Unternehmen in der Deutschschweiz.

Detail- und Grosshandel erwarten keine baldige Besserung

Im Detailhandel ist das herkömmliche Geschäft in vielen Sparten zum Erliegen gekommen. Dementsprechend ist der Geschäftslageindikator auf den niedrigsten Wert seit mehr als 15 Jahren gesunken. Von einer stabilen Umsatzentwicklung wird bei Lebensmitteln ausgegangen. Ansonsten sind die Umsatzerwartungen insgesamt sehr negativ. Die Ertragslage ist bereits jetzt eingebrochen und die Waren füllen die Lager. Dennoch hoffen die Detailhändler im Moment, dass keine Abwärtsspirale bei den Verkaufspreisen in Gang kommt. Im Grosshandel ist die Geschäftslage ebenfalls erheblich ungünstiger als zu Jahresbeginn.

Gemäss der Sonderfrage zu den Pandemie-Effekten geben bereits 55% der Grosshandelsunternehmen an, dass ihre Warenverkäufe deutlich reduziert sind. 28% der Grosshändler berichten, dass die Warenverfügbarkeit stark beeinträchtigt ist. Insgesamt rechnet der Grosshandel mit einer sinkenden Nachfrage in der nahen Zukunft. Besonders ausgeprägt ist dieses Urteil im Produktionsverbindungshandel (Grosshandel mit Produkten für die Produktion). Im Konsumtionsverbindungshandel (Grosshandel mit Konsumgütern) sind die Nachfrageerwartungen ebenfalls negativ.

Geschäftslage in Baubereichen trübt sich ebenfalls ein

In den mit der Bautätigkeit verbundenen Bereichen Projektierung und Baugewerbe kühlt sich die Geschäftslage sehr stark ab. So ist die Geschäftslage im Baugewerbe so ungünstig bewertet wie seit dem Jahr 2004 nicht mehr – nach einem bisher in dieser Stärke noch nie beobachteten monatlichen Rückgang. Trotz dieser extremen Korrektur stufen aber saisonbereinigt immerhin 77% der Unternehmen ihre derzeitige Geschäftslage als gut oder befriedigend ein. 23% der Bauunternehmen bewerten ihre Lage als schlecht. Damit steht das Baugewerbe im Vergleich zu anderen Sektoren noch relativ gut da. Allerdings dürfte die Bauproduktion in den nächsten Monaten deutlich sinken.

Das Gastgewerbe wird von der Pandemie überrollt

Nachdem die Geschäftslage im Gastgewerbe fast zwei Jahre lang recht stabil war, folgt mit dem Coronavirus der Absturz. Der Tourismus ist stark beschränkt und vielerorts gänzlich zum Erliegen gekommen. Auf die Sonderfrage zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Geschäftstätigkeit geben nahezu alle Beherbergungsbetriebe und alle Gastronomen an, dass diese deutlich verringert ist. Hoffnung auf eine Besserung machen sich die Betriebe momentan nicht. Die Nachfrageerwartungen sind klar negativ.

Sinkflug bei Finanz- und Versicherungsdienstleistern setzt sich fort

Bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen kühlte sich die Geschäftslage vor dem Hintergrund der starken Korrekturen an den Finanzmärkten bereits im März spürbar ab. Im April setzt sich der Sinkflug fort. Auch die Banken bewerten ihre Lage als erheblich weniger gut als zu Jahresbeginn 2020. Sie erwarten einerseits ein deutlich zunehmendes Kreditgeschäft mit Firmenkunden. Dies angestossen durch die Hilfsmassnahmen der öffentlichen Hand, denn die Bonität der Firmenkunden schätzen die Institute als erheblich verschlechtert ein. Andererseits rechnen sie mit weniger starken Zuwächsen beim Kreditgeschäft mit Privatkunden.

Dienstleister leiden stark unter der Pandemie

Im Bereich übrige Dienstleistungen ist der Geschäftslageindikator eingebrochen. Die Dienstleister stehen vor einer historischen Herausforderung: Die Lage ist deutlich schlechter als während der Finanzkrise 2009. Die Nachfrage ist bereits kräftig gesunken und die Dienstleistungsunternehmen äussern sich sehr pessimistisch bezüglich der weiteren Nachfrageentwicklung.

Auf die Zusatzfrage nach der expliziten Nachfragewirkung der Pandemie geben 55% der Unternehmen an, dass die Nachfrage nach ihren Leistungen deutlich reduziert ist. Zudem betrifft die Nachfrageschwäche weite Teile des Bereichs. Sowohl im Teilbereich Verkehr, Information, Kommunikation als auch bei den wirtschaftlichen und den persönlichen Dienstleistungen sind die Nachfrageerwartungen negativer als während der Finanzkrise. Besonders ausgeprägt sind die auf die Pandemie bezogenen Klagen in den Branchen Kunst, Unterhaltung, Erholung sowie Verkehr, Lagerei und sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen, zu denen etwa die Reisebüros, die Zeitarbeitsfirmen sowie Garten- und Landschaftsbau gehören.

Konjunkturuhr

Die detaillierten Ergebnisse der KOF Konjunkturumfragen finden Sie Downloadhier (PDF, 154 KB).

Grafiken und Tabellen finden Sie Downloadhier (PDF, 293 KB).

In die Ergebnisse der aktuellen KOF Konjunkturumfragen vom April 2020 sind die Antworten von mehr als 4500 privatwirtschaftlichen Unternehmen aus der Industrie, dem Baugewerbe und den wichtigsten Dienstleistungsbereichen eingeflossen. Dies entspricht einer Rücklaufquote von etwa 55%.

Kontakt

Dr. Klaus Abberger
  • LEE G 121
  • +41 44 632 51 56

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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