Die Konjunktur im Bann des Coronavirus

Statt einer Prognose hat die KOF dieses Frühjahr drei Szenarien für die weitere konjunkturelle Entwicklung veröffentlicht. Das Basisszenario geht von einer Rezession in der ersten Jahreshälfte aus, das Negativszenario von einem länger anhaltenden Einbruch. Das milde Szenario wird immer unwahrscheinlicher.

Die Konjunktur steht spätestens seit März im Bann der Coronavirus-Pandemie. Die Auswirkungen werden mit grosser Wahrscheinlichkeit im gesamten Prognosezeithorizont zu spüren sein. Wann eine Normalisierung eintreten wird, lässt sich derzeit kaum abschätzen.

Der Bundesrat hat am 16. März die Situation in der Schweiz zur ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz erklärt. Die am 17. März veröffentlichte Konjunkturprognose der KOF unterliegt damit einer aussergewöhnlich hohen Unsicherheit. Praktisch täglich wurden und werden neue Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie angekündigt. Es herrscht also nicht nur Unklarheit über die aktuelle und künftige Ausbreitung des Virus, sondern auch über die Gegenmassnahmen und wie diese die Wirtschaft betreffen werden.

BIP-Entwicklung anhand von drei Szenarien

Aus diesen Gründen entschied die KOF, nicht wie üblich nur die als am wahrscheinlichsten eingeschätzte, konjunkturelle Entwicklung zu prognostizieren, sondern drei alternative Verläufe. Der bis zum 17. März aus Sicht der KOF wahrscheinlichste Verlauf ist das Basisszenario. Den optimistischeren Ausgang mit einer schnelleren Erholung nannte die KOF das milde Szenario. Das negative Szenario geht von länger anhaltenden und gravierenderen Folgen aus.

Die Szenarien unterscheiden sich in ihren Annahmen und Resultaten unter anderem dahingehend, wie lange und tief greifend sich die Pandemie auf die Konjunktur auswirkt und welche Wirkungskanäle dabei eine Rolle spielen (weitere Informationen). Angebotsseitige Effekte ergeben sich vor allem aus Produktionsausfällen, zu denen es aufgrund staatlich verordneter Schutzmassnahmen kommt. Zu den möglichen nachfrageseitigen Auswirkungen der Krise gehört, dass Personen aus Vorsichtsgründen gegenwärtig auf den Konsum von Waren und Dienstleistungen verzichten.

Grafik G 8 zeigt, wie sich das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz in den drei Szenarien entwickelt. Die Abbildung zeigt zudem, wie sich die Schweizer Wirtschaft entwickelt hätte, wenn das Coronavirus nicht weltweit aufgetreten wäre. Dieses kontrafaktische Szenario erlaubt, die Auswirkungen der Pandemie auf die wirtschaftliche Entwicklung in den drei Szenarien zu illustrieren.

BIP in den drei Szenarien

Rezession in der ersten Jahreshälfte 2020

Im Basisszenario ist das wirtschaftliche Leben in den kommenden zwölf Monaten deutlich beeinträchtigt. Allerdings führen die ergriffenen Gegenmassnahmen dazu, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abgemildert werden. Zudem schnüren die Schweiz und andere Industriestaaten umfassende Massnahmenpakete, welche die Konjunktur stützen.

Es kommt aber insbesondere in den nächsten zwei Quartalen zu starken Rückgängen beim privaten Konsum und zu einer verbreiteten Investitionszurückhaltung auf Firmenseite. Veranstaltungen fallen für längere Zeit aus. Gleichzeitig beeinträchtigen Schul- und Grenzschliessungen die Produktion. Die Produktionseinschränkungen wachsen sich im Laufe des Jahres 2020 entlang der Wertschöpfungsketten zu Lieferengpässen aus, die die Produktion über die anfänglich betroffenen Branchen hinweg dämpfen. Aufgrund der Eingrenzung des Virus kann ein Teil der ausgefallenen Produktion am Ende des laufenden und im kommenden Jahr nachgeholt werden.

Im Basisszenario fällt die Schweiz wegen der Produktionsausfälle und verbreiteter Konsum- und Investitionszurückhaltung in der ersten Jahreshälfte 2020 in eine Rezession. Insgesamt ist diese Rezession zwar scharf, der Rückgang ist aber auf wenige Quartale konzentriert und verläuft auch deshalb «glimpflich», weil sowohl Firmen wie private Haushalte in der Lage sind, einen Teil des Einbruchs wettzumachen. Trotzdem sind die Auswirkungen der Pandemie für die Wirtschaft nachhaltig: Da der Produktionsausfall nicht vollständig nachgeholt werden kann, liegt das BIP im Niveau mittelfristig tiefer als im kontrafaktischen Szenario, in dem die Pandemie nicht ausgebrochen wäre. Zudem dauert es bis 2021, bis die Schweizer Wirtschaft wieder in einem Ausmass wächst, wie es vor der Krise der Fall war.

Negativszenario rechnet für 2020 mit BIP-Rückgang von 2.3%

Das Negativszenario geht im Unterschied zum Basisszenario davon aus, dass ein substanzieller Teil der Bevölkerung im Laufe dieses Jahres an Covid-19 erkrankt und jeweils mehrere Tage unter Quarantäne steht. Hierdurch müssen auch andere Beschäftigte vorsorglich in Selbst-Quarantäne und können nur zum Teil von zu Hause aus arbeiten. Zudem fällt im Jahresverlauf ein Teil der Beschäftigten mit Kindern aus, weil es nicht nur für wenige Wochen, sondern für mehrere Monate zu Schulschliessungen kommt. Auch viele GrenzgängerInnen können 2020 für längere Zeit nicht zur Arbeit erscheinen.

Die entstehenden Lücken im Produktionsprozess können nur teilweise aufgefangen werden. Des Weiteren erleben wichtige Handelspartner der Schweiz wie Deutschland, die USA und Frankreich tiefe Rezessionen. Dadurch kommt es sowohl in der Schweiz als auch im Ausland zu Liquiditätsengpässen bei Firmen, die zu Konkursen und Entlassungen führen. Auch die Banken werden von der Liquiditätskrise betroffen sein und die Gefahr des Ausbruchs einer Finanzkrise verstärkt die wirtschaftlichen Auswirkungen.

Insgesamt sinkt das schweizerische BIP im Negativszenario in diesem Jahr trotz eines umfassenden staatlichen Massnahmenpakets um 2.3% im Vergleich zum Vorjahr. Einen ähnlich starken BIP-Rückgang gab es zuletzt 2009 im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise. Zu Beginn des Jahres 2021 kommt es auch in diesem Szenario trotz eines Fortbestands systemischer Risiken zu Nachholeffekten. Der Anstieg der Nachfrage aus dem Ausland und die steigende Binnennachfrage stützen die Schweizer Wirtschaft, weshalb das BIP insbesondere ab dem zweiten Quartal 2021 wieder wächst. Die Gegenbewegung reicht allerdings nicht aus, den bedeutenden Wertschöpfungseinbruch 2020 wettzumachen.

Mildes Szenario immer unwahrscheinlicher

Im milden Szenario klingen die ökonomischen Beeinträchtigungen durch die Pandemie rasch ab. Die Auswirkungen auf die Binnenwirtschaft der Schweiz sind praktisch auf das zweite Quartal 2020 beschränkt. Dass sich die Annahmen des milden Szenarios bewahrheiten, scheint jedoch immer unwahrscheinlicher. Das Szenario ging unter anderem davon aus, dass die Fussball-Europameisterschaft und die Sommerolympiade in diesem Jahr durchgeführt werden können. Beide Veranstaltungen wurden mittlerweile verschoben.

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Yngve Abrahamsen
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