Den meisten Branchen steht ein schwieriges Jahr bevor

Für grosse Teile der Schweizer Wirtschaft hat das Jahr 2020 positiv begonnen. Doch die Coronavirus-Pandemie lässt den Optimismus verfliegen. Vor allem das Verarbeitende Gewerbe, das Gastgewerbe und der Detailhandel stehen unter Druck.

Zu Jahresbeginn hatten sich die Indikatoren für die Schweizer Wirtschaft noch günstig entwickelt. Das KOF Konjunkturbarometer und der KOF Geschäftslageindikator zeigten nach oben. Dabei verzeichneten die meisten Wirtschaftssektoren eine Aufhellung ihrer Geschäftslage. Dieser Entspannung setzt die Coronavirus-Pandemie nun ein jähes Ende.

Das Verarbeitende Gewerbe wird durch seine internationale Verflechtung besonders von ausländischen Entwicklungen beeinflusst. Das Jahr 2019 war insbesondere wegen der internationalen Handelskonflikte und weiterer wirtschaftspolitischer Unsicherheiten schwierig. Dies spürten auch die Schweizer Unternehmen. Gemäss der Produktionsstatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) sank der Ausstoss der Firmen im Verarbeitenden Gewerbe im zweiten Halbjahr 2019.

Zum Jahreswechsel 2019/20 konnte sich das Verarbeitende Gewerbe zunächst aus diesem Abwärtssog befreien. Nach den Angaben der Firmen bei den KOF Konjunkturumfragen nahm die Unzufriedenheit mit den vorhandenen Auftragsbeständen nicht mehr weiter zu. Die Auslastung der technischen Kapazitäten wurde zum Jahresende 2019 zudem nicht mehr reduziert.

Erwartungen seit Mitte März im Sinkflug

Die aufkeimende Zuversicht wurde aber seit Mitte Januar zunehmend von Nachrichten über den Coronavirus-Ausbruch getrübt. Zwar dürfte die Auswirkung auf die Entwicklung des Verarbeitenden Gewerbes in der Schweiz zunächst punktuell begrenzt geblieben sein, wie die KOF Umfrageergebnisse für Februar zeigen. Im Verlauf des März nahm die Skepsis bezüglich des Bestelleingangs in den nächsten drei Monaten jedoch beständig zu. Grafik G 9 zeigt die Zeitreihe des erwarteten Bestelleingangs für drei Datenstände im März. Seit Mitte März sind die Erwartungen im Sinkflug.

Bestellungseingang

Das Gastgewerbe blickt ebenfalls mit grosser Sorge auf die Coronavirus-Pandemie. Zu Jahresbeginn liefen hier die Geschäfte solide, die Geschäftslage blieb im Januar nahezu unverändert. Für das erste Quartal 2020 erwarteten die Betriebe zu Jahresbeginn insgesamt ein kleines Plus bei den Logiernachtzahlen. Diese Erwartungen sind durch den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie obsolet. Mittlerweile sind touristische Reisen in den Schengenraum, aber auch innerhalb des Schengenraums zum Erliegen gekommen.

Detailhandel stark unter Druck

Der Detailhandel neigte um den Jahreswechsel zur Schwäche. Die Umsätze sanken gemäss BFS real sowohl im Dezember als auch im Januar. Der Detailhandel mit Nahrungsmitteln und Getränken sowie die übrigen Detailhändler setzten in beiden Monaten jeweils weniger Waren ab. In den beiden Handelssparten Detailhandel und Grosshandel hellte sich die Geschäftslage aber zu Jahresbeginn leicht auf. Dies zeigen die KOF Konjunkturumfragen.

In der Zwischenzeit ist jedoch eine neue Situation eingetreten. Viele Detailhandelsgeschäfte mussten schliessen. Offen sind Ende März nur noch Geschäfte für den täglichen Bedarf, etwa Lebensmittelgeschäfte und Drogerien. Diese dürften gute Umsätze machen. Gleiches gilt für Versandunternehmen, die einen starke Nachfrageschub erleben. Trotz dieser Spartenentwicklungen ist der Detailhandel insgesamt stark unter Druck.

Auch das Baugewerbe wird getroffen

Im Baugewerbe ist die Kapazitätsauslastung seit Mitte des Jahres 2019 schrittweise gestiegen. Zudem wurden gemäss den KOF Konjunkturumfragen die zu Jahresbeginn 2020 vorhandenen Auftragspolster unverändert als befriedigend bis gut eingestuft. Der Bauproduktion kam in diesem Winter entgegen, dass die Witterungsbedingungen ungewöhnlich günstig waren. Die Bautätigkeit wurde deshalb um die Jahreswende nicht im saisonüblichen Ausmass gestutzt. Allerdings wird auch das Baugewerbe durch die Pandemie getroffen. Im Tessin ist die Bautätigkeit aufgrund von Lieferengpässen bereits ausgesetzt.

Bei den Unternehmen im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen war die Geschäftslage zu Jahresbeginn nach wie vor sehr gut. Mit Blick auf die ersten Monate des Jahres 2020 rechneten die Institute mit einer weniger stark steigenden Nachfrage als zuvor. Mit den Finanzmarktturbulenzen sind die Ertragsperspektiven noch ungünstiger geworden.

Bei den übrigen Dienstleistern verbesserte sich die Geschäftslage zu Jahresbeginn. Auch die Ertragslage entwickelte sich klar positiv. Mit der Pandemie stehen die Dienstleister nun vor unterschiedlichen Herausforderungen. Der Bereich Transport und Logistik dürfte insgesamt erhebliche Probleme haben. Auf der anderen Seite boomen Gesundheitsdienstleistungen.

Der weitere Verlauf der Pandemie ist derzeit sehr unsicher. Daher hat die KOF verschiedene Szenarien entwickelt. Die Annahmen der Szenarien sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für die Schweizer Konjunktur sind in der aktuellen Konjunkturprognose eingehend erläutert.

Im Negativszenario leiden fast alle Wirtschaftsbereiche

Im Basisszenario geht die KOF davon aus, dass die Pandemie das wirtschaftliche Leben in den kommenden zwölf Monaten deutlich beeinträchtigen wird. Allerdings führen die ergriffenen Gegenmassnahmen im Sommer 2020 dazu, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen abgemildert werden. Die Produktionseinschränkungen wachsen sich im Laufe des Jahres 2020 entlang der Wertschöpfungsketten zu Lieferengpässen aus, welche die Produktion über die Branchen hinweg dämpfen. Aufgrund der Eingrenzung des Virus kann ein Teil der ausgefallenen Produktion am Ende des laufenden und im kommenden Jahr nachgeholt werden.

In diesem Jahr wird vor allem der Wachstumsbeitrag der Bereiche Handel, Verkehr und Gastgewerbe negativ sein (siehe Grafik G 10). Die konsumentennahen Dienstleistungen sind dagegen wegen des Gesundheitsbereichs deutlich im Plus.

Im Negativszenario sind alle Wirtschaftsbereiche bis auf die konsumentennahen Dienstleistungen dieses Jahr auch im Jahresdurchschnitt stark negativ betroffen. Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) könnte um 2.3% sinken. Nächstes Jahr kommt es in diesem Szenario dann zu einer Entspannung mit einem Zuwachs von 1.3%. Gegeben dem starken Einbruch in diesem Jahr ist das eine schwache Erholung. Zum Vergleich: In der grossen Rezession sank das BIP zunächst um 2.2% im Jahr 2009 und stieg im darauf folgenden Jahr um 3%.

BIP-Veränderung

Eine ausführliche Version dieses Beitrags findet sich hier.

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