Negativzinsen I: Wie Schweizer Unternehmen die Geldpolitik beurteilen

Fünf Jahre nach der Aufhebung der Frankenuntergrenze klagt das Verarbeitende Gewerbe nach wie vor über eine schlechtere Wettbewerbsfähigkeit in den Euromärkten und über einen zu starken Franken gegenüber dem Euro. Für den grössten Teil der Unternehmen gleichen sich die Vor- und Nachteile der Negativzinspolitik aus. Die Finanzinstitute schätzen dies allerdings ganz anders ein. Das zeigt eine Sonderumfrage der KOF.

SNB

Im Januar jährte sich die Aufhebung der Frankenuntergrenze zum fünften Mal. Aus diesem Anlass hat die KOF einen Teil ihrer regelmässig durchgeführten Konjunkturumfragen mit Sonderfragen ergänzt. Im Zentrum stehen die Themenkomplexe Wettbewerbsfähigkeit, Negativzinspolitik und Wechselkurs. Die Fragen wurden nur den Teilnehmenden der Onlineumfrage vorgelegt. Die Ergebnisse lassen sich nicht verallgemeinern, sie können aber Tendenzen in den Bewertungen der Schweizer Unternehmen aufzeigen. Zu der Onlineumfrage wurden mehr als 3900 Unternehmen eingeladen. Zu den Sonderfragen gingen 2048 Antworten ein. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 52%.

Wie ist die Wettbewerbsposition heute im Vergleich zur Situation vor Aufhebung der Frankenuntergrenze Anfang 2015? Das wollte die KOF von den Unternehmen wissen. Die Wettbewerbsposition kann von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden, insbesondere bei der Betrachtung einer mehrjährigen Zeitspanne. Der Wechselkurs ist ein wichtiger Faktor, allerdings nicht der einzige. Beispielsweise können wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, technologische Entwicklungen und weitere strukturelle Faktoren eine grosse Rolle spielen. Dennoch ist diese Frage für eine aktuelle Standortbestimmung interessant.

Wettbewerbsfähigkeit: Einzelne Branchen leiden nach wie vor

Eine erste Teilfrage befasst sich mit der Wettbewerbsfähigkeit im Heimmarkt, also in der Schweiz. Der überwiegende Teil der Unternehmen, etwa 66%, bewertet die inländische Wettbewerbsposition heute ähnlich wie vor fünf Jahren (siehe Grafik G1). Etwas häufiger sind kritische Stimmen vom Detailhandel zu hören. Diese Ergebnisse sollten jedoch mit besonderer Vorsicht und als grobe Neigung interpretiert werden. Für die Detailhandelsbranche liegen wenige Beobachtungen vor, da diese Befragung in Kooperation mit dem Bundesamt für Statistik erfolgt und die Sonderfragen nur wenigen Unternehmen vorgelegt werden konnten. Dennoch scheint die Skepsis einiger Detailhandelsunternehmen plausibel zu sein. Mit dem stärkeren Franken sind Einkäufe im Ausland attraktiver geworden. Zudem setzt etwa der Trend hin zum Onlinehandel Teile des klassischen Detailhandels unter Druck.

Beurteilung Wettbewerbsfähigkeit Schweizer Markt

Bezogen auf die Märkte im Euroraum, bewertet etwa die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen, für die dieser Markt relevant ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit heute ähnlich wie vor fünf Jahren (51%) und etwa 13% als leicht oder deutlich besser. Demgegenüber stehen allerdings 36% der Unternehmen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit als leicht oder deutlich schlechter einstufen. Überdurchschnittlich verbreitet sind die Klagen zur Wettbewerbsfähigkeit in den Euromärkten im Gastgewerbe (bezogen auf die Gäste aus dem Euroraum) und im Verarbeitenden Gewerbe (siehe Grafik G2). Im Verarbeitenden Gewerbe bewertet sogar die Mehrheit der Unternehmen (58%), die diesen Markt bedienen, die Wettbewerbsfähigkeit als leicht oder deutlich schlechter als vor fünf Jahren.  

Beurteilung Wettbewerbsfähigkeit Euroraum

Negativzinsen: Finanzinstitute und Baubranche scheren aus

Die aktuelle Wirkung der Negativzinspolitik bewerten 60% der Unternehmen neutral, ihrer Ansicht nach gleichen sich Vor- und Nachteile der Politik aus (siehe Grafik G3). 16% sehen leichte oder deutliche Vorteile und ein höherer Anteil, nämlich 24%, leichte oder deutliche Nachteile.

Ein klares Zeichen setzen allerdings die Unternehmen der Finanz- und Versicherungswirtschaft. Hier geben 65% an, dass die Nachteile überwiegen, und zwar für 25% leicht und für 40% deutlich. In keinem anderen Wirtschaftsbereich wird die Negativzinspolitik so klar abgelehnt. Dagegen werden im Baugewerbe die Negativzinsen sogar tendenziell leicht positiv beurteilt. Das düstere Bild, das die Finanz- und Versicherungsdienstleister von den Negativzinsen zeichnen, dürfte von der Betroffenheit durch diese Politik geprägt sein. 48% der Finanzinstitute geben an, ein wenig und 36% selbst stark von den Negativzinsen betroffen zu sein. Kein anderer Wirtschaftsbereich erreicht ähnlich hohe Werte.
 

Beurteilung Wirkung Negativzinspolitik

Frankenkurs: Unterschiede zwischen den Branchen

Weiter wurden die Unternehmen zum Wechselkurs des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro befragt. Ist ein Euro-Franken-Kurs von etwa 1.10 für die Schweizer Wirtschaft insgesamt derzeit angemessen, müsste er höher oder tiefer liegen? Ist der Franken überbewertet, so sollte der Kurs höher sein. Für 27% der Unternehmen sollte der Kurs leicht und für 11% deutlich höher sein. Fast 53% betrachten den Kurs als angemessen. Knapp 10% sagen, er sollte leicht oder deutlich tiefer sein, was bedeutet, dass der Franken unterbewertet ist. Zu beachten ist allerdings, dass der Franken seit der Umfrage leicht erstarkt ist.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass der Franken aus Sicht von annähernd 38% der Unternehmen überbewertet ist, während mehr als 62% dies nicht explizit so sehen. Allerdings unterscheidet sich die Einschätzung je nach Branche (siehe Grafik G 4). Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe wird der Franken häufiger – von 52% der Unternehmen – als zu stark angesehen. Damit sind es vor allem die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, die einerseits den Franken tendenziell als überbewertet betrachten und andererseits über eine geringere Wettbewerbsfähigkeit in den Euromärkten klagen.
 

Beurteilung Euro-Franken-Wechselkurs

Kontakt

Dr. Klaus Abberger
  • LEE G 121
  • +41 44 632 51 56

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert