Zahlen sich Praktika wirklich aus?

Immer mehr Universitätsstudierende machen während des Studiums ein Praktikum, um sich besser auf den Einstieg in die Arbeitswelt vorzubereiten. Allerdings gibt es noch wenig Evidenz dazu, ob sich diese Investition tatsächlich auszahlt. Eine neue Studie geht dieser Frage nach.

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Weshalb absolvieren junge Menschen während ihres Studiums Praktika? Die Humankapitaltheorie geht davon aus, dass die Studierenden während eines Praktikums Fähigkeiten erwerben, welche ihre Produktivität erhöhen (Becker, 1964). Das erworbene Humankapital kann dabei allgemeiner Natur sein, es kann jedoch auch nur in einem bestimmten Fachbereich Anwendung finden oder sogar spezifisch für die Praktikumsfirma sein. Die sogenannten Signalisierungs- und Selektionstheorien (Spence, 1973, Stiglitz, 1975) postulieren, dass ein Praktikum den Studierenden erlaubt, Informationsasymmetrien bezüglich ihrer Fähigkeiten abzubauen. Eine dritte Theorie geht davon aus, dass im Praktikum soziales Kapital in der Form von Netzwerken gebildet wird (Granovetter, 1973).

Insbesondere für Entscheidungsträger der Politik und Universitäten ist die Frage der Wirkungsmechanismen von zentraler Bedeutung. Wenn der Einfluss hauptsächlich auf einem Signalisierungs- oder Selektionseffekt beruht, ist es für Universitäten weniger wichtig, Praktika zu fördern. Wenn es sich aber um einen Humankapitaleffekt handelt, könnten Universitäten ihre Ausbildung verbessern, indem sie Praktika ein grösseres Gewicht im Curriculum verleihen.

Praktika erhöhen das Einkommen kurz- und langfristig

Aus diesem Grund untersucht eine aktuelle Studie von KOF-Forschenden, welchen Einfluss Praktika während des Universitätsstudiums auf das Einkommen ein Jahr respektive fünf Jahre nach Abschluss des Studiums haben. Eine Schwierigkeit dieser empirischen Analyse besteht darin, dass die Entscheidung, ein Praktikum zu machen, mit den Charakteristiken der Alumni (etwa der Motivation und Leistungsbereitschaft) zusammenhängt. Informationen dazu, ob die Alumni neben dem Studium gearbeitet haben, können dieser Herausforderung teilweise begegnen.

Zudem können in einem Instrumentalvariablenansatz die Unterschiede zwischen Universitäten und Studienrichtungen in Bezug auf deren Auflagen bezüglich obligatorischen Praktikumsbesuchen ausgenützt werden. Allerdings könnten Studierende die Universität und Studienrichtung aufgrund von diesen Auflagen aussuchen. Dies kann empirisch dadurch adressiert werden, dass jeweils nur die Auflagen der nächstgelegenen Universität berücksichtig werden.

Um die verschiedenen Wirkungsmechanismen unterscheiden zu können, besteht die Analyse aus mehreren Schritten, welche in Abbildung 1 in der Form eines Flussdiagramms dargestellt werden. Der erste Schritt der Untersuchung besteht in einer Analyse des Einflusses von Praktika auf das Einkommen in der kurzen und langen Frist, also ein Jahr respektive fünf Jahre nach Abschluss des Studiums. Die Ergebnisse zeigen, dass Praktika das Einkommen erhöhen. Dieser Einfluss ist fünf Jahre nach Abschluss immer noch vorhanden. Dieses Ergebnis entspricht nicht der Hypothese, dass der Einfluss durch die Signalisierung von Fähigkeiten oder durch Selektion zustande kommt, da der Einfluss in diesem Fall von kurzfristiger Natur wäre. Folglich deutet dieses Ergebnis auf die Humankapitalhypothese hin.

Das allgemeine Humankapital nimmt zu

Möglicherweise ist das akkumulierte Humankapital spezifisch für die Firma, in welcher das Praktikum stattgefunden hat. Um diese Hypothese zu testen, werden im nächsten Untersuchungsschritt die Einkommensgewinne für Alumni verglichen, welche in der Praktikumsfirma verbleiben respektive in eine andere Firma wechseln. Die Ergebnisse zeigen keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von Alumni. Folglich wird die Hypothese des firmenspezifischen Humankapitals nicht bestätigt.

Auch wenn das im Praktikum erworbene Humankapital nicht firmenspezifischer Natur ist, könnte es möglicherweise fachbereichsspezifisch sein. Dies kann empirisch analysiert werden, indem Alumni verglichen werden, welche im Fachbereich des Studiums verbleiben oder in einen anderen Fachbereich wechseln. Die Ergebnisse zeigen keinen unterschiedlichen Einfluss von Praktika für Fachbereichsverbleiber und Fachbereichswechsler. Folglich kann auch die Hypothese des fachbereichsspezifischen Humankapitals nicht bestätigt werden.

Die empirischen Ergebnisse bestätigen weder die Hypothese des firmenspezifischen Humankapitals noch des fachbereichsspezifischen Humankapitals. Dies deutet darauf hin, dass das im Praktikum erworbene Humankapital allgemeiner Natur ist. Dieses allgemeine Humankapital könnte zum Beispiel aus Sozialkompetenzen wie Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Zuverlässigkeit oder Einsatzbereitschaft bestehen.

Universitäten könnten Praktika vermehrt fördern

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Praktika während eines Universitätsstudiums das Einkommen steigern, indem sie das allgemeine Humankapital erhöhen. Folglich könnten Universitäten Praktika vermehrt fördern, indem sie zum Beispiel diesen einen grösseren Raum im Curriculum zuweisen. Allerdings könnte es sein, dass Studierende mit Arbeitserfahrung weniger von einem zusätzlichen Praktikum profitieren. In dem Falle könnten Universitäten die bereits existierende Arbeitserfahrung anrechnen.

Literatur

Bolli, T., K. M. Caves, and M. E. Oswald-Egg (2019): Valuable experience: How internships affect university graduates’ income. KOF Working Papers, 459.

Becker, G. (1964): Human Capital. New York: NBER.

Granovetter, M. S. (1973): The Strength of Weak Ties. American Journal of Sociology, 78(6), 1360-1380.

Spence, M. (1973): Job Market Signaling. The Quarterly Journal of Economics, 87(3), 355-374.

Stiglitz, J. E. (1975): The Theory of «Screening», Education, and the Distribution of Income. The American Economic Review, 65(3), 283-300.
 

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