Die SNB unter Druck

Die grossen Nationalbanken setzen wieder auf eine expansivere Geldpolitik. Dadurch gerät die Schweizerische Nationalbank unter Zugzwang. Falls sie reagieren wollte, könnte sie den Leitzins weiter senken oder die Fremdwährungsankäufe steigern – was aber unter Umständen zu Problemen mit den USA führt. Die KOF rechnet damit, dass sie die Leitzinsen senken wird.

Als Antwort auf die internationalen Unsicherheiten reduzierte die amerikanische Notenbank (FED) das Zielband für den Leitzins in den letzten beiden Sitzungen auf aktuell 1.75% bis 2%. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Geldpolitik wieder gelockert. Konkret entschied sich der EZB-Rat, den Einlagesatz um 10 Basispunkte auf -0.5% zu senken, wobei er den Hauptrefinanzierungssatz bei 0% unverändert liess.

Die expansive Geldpolitik der grossen Zentralbanken setzt die Schweizerische Nationalbank (SNB) weiter unter Druck. Nach der Einführung von Negativzinsen blieb die Zinsdifferenz zum Euroraum über die letzten drei Jahre hinweg konstant, was zusammen mit Devisenmarktinterventionen den Wechselkurs zumindest stabilisierte. Weil die geldpolitische Lockerung der EZB erwartet wurde, führte die Verringerung der Zinsdifferenz durch die EZB nicht zu einer weiteren Aufwertung des Frankens, wobei der Druck aufgrund der derzeitigen globalen Unsicherheiten in der mittleren Frist durchaus steigen könnte.

Drei Kriterien für Währungsmanipulationen

Als Antwort kann die SNB den Leitzins weiter in den negativen Bereich senken oder die Fremdwährungsankäufe steigern. Das könnte allerdings zu politischen Verwerfungen führen. Grund dafür ist der 2015 in den USA erlassene «Trade Facilitation and Trade Enforcement Act». Dieser bildet die gesetzliche Grundlage für die Erkennung und Sanktionierung von Ländern, welche aus Sicht der USA die Währung zum eigenen Vorteil manipulieren.

Als unfair gilt das Verhalten eines Landes, wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt sind:

  1. Die Waren-Handelsbilanz gegenüber den USA muss über die letzten vier Quartale hinweg einen Überschuss von mehr als 20 Mrd.US-Dollar aufweisen. Wie die Grafik G 5 zur Handelsbilanz zeigt, befindet sich die Schweiz spätestens seit diesem Jahr relativ deutlich über dieser Schwelle. Eine Trendwende ist hierbei nicht abzusehen. Man kann also mit der Erfüllung dieses Kriteriums in der Zukunft rechnen.
  2. Der Leistungsbilanzüberschuss muss mehr als 2% des nationalen Bruttoinlandprodukts (BIP) ausmachen, was von der kleinen und offenen Schweiz mit über 10% deutlich realisiert wird.
  3. Die Netto-Ankäufe von Fremdwährungen während der letzten zwölf Monate dürfen in der Summe nicht mehr als 2% des BIP betragen, wobei in mindestens sechs von zwölf Monaten Interventionen stattgefunden haben müssen. Mit geschätzten Ankäufen von etwa 10. Mrd. Franken allein in den letzten drei Monaten dürfte auch diese Schwelle in greifbare Nähe rücken. Entscheidend wäre natürlich die Frequenz der kommenden Interventionen, also wie diese zeitlich verteilt würden.  
Handelsbilanz CH/USA

Die Konsequenzen, falls die Schweiz zum ersten Währungsmanipulator überhaupt erklärt wird, sind schwer abzuschätzen. Nach dem US-Vertragswerk soll der amerikanische Präsident in bilaterale Verhandlungen treten und hierbei Politikempfehlungen unterbreiten. Sind diese nach einem Jahr nicht hinreichend implementiert, würden zukünftige Handelsverträge höchstwahrscheinlich sabotiert werden, wobei weitere Aktionen von Seiten der USA nicht ausgeschlossen wären.

KOF rechnet mit Reduktion der Schweizer Leitzinsen

Da die ersten zwei Kriterien ab diesem Jahr quasi strukturell erfüllt sind, könnte die SNB die Frequenz und Summe der Geldmarktinterventionen an das Vertragswerk anpassen, um so die Schweizer Handelsbeziehungen nicht zu gefährden. Die potenzielle Einschränkung der geldpolitischen Autonomie könnte allerdings einem Glaubwürdigkeitsverlust gleichkommen, was wiederum Druck auf den Franken generieren dürfte.

Vor diesem Hintergrund und dem erwarteten negativen EZB-Zinsschritt Ende Jahr geht die KOF davon aus, dass auch die SNB die Leitzinsen bis zum Jahresende reduziert und so die Zinsdifferenz zum Euroraum stabilisiert. Die verhaltene Prognose für die Schweizer Wirtschaft wie auch die schleppende Preisentwicklung stützen dieses Bild.

Erst kürzlich hat die SNB zudem die Freibeträge für die bei ihr gehaltenen Giroguthaben erhöht, was die Zahlungen der Banken erheblich reduziert. Die Anpassung der Freibeträge zur Steuerung der Negativzinsbelastung ist somit als Zusatzinstrument zu sehen, welches der SNB neue Gestaltungsfreiheit bringt. Mit anderen Worten könnte die Nationalbank die Negativzinsen weiter senken, ohne dass sich die Belastung der Finanzinstitute mit Einlagen bei der SNB gegenüber den letzten Jahren erhöht.

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