Grundlagen zur Messung der Robustheit von Sozialen Institutionen in der Berufsbildung

Die Berufsbildung soll Jugendliche auf einen direkten Einstieg ins Berufsleben vorbereiten. Besondere Bedeutung kommt dabei den involvierten sozialen Institutionen zu, welche die Handlungen, Rollen und Beziehungen von Berufsbildungsakteuren steuern. Allerdings gibt es wenig wissenschaftliche Erkenntnis dazu, wie solche Institutionen international verglichen und hinsichtlich ihrer Robustheit evaluiert werden können. Eine neue Studie schafft Abhilfe.  

Lernende

In den Sozialwissenschaften werden verschiedene Definitionen und Konzepte von sozialen Institutionen verwendet. Wir verstehen soziale Institutionen als relativ stabile, gemeinschaftliche Verhaltensmuster, die beim Lösen von fundamentalen gesellschaftlichen Problemen helfen sollen. Damit sind soziale Institutionen immer auf die Erfüllung einer bestimmten Funktion ausgerichtet. Beispielsweise hat die Institution der Berufsbildung als Ganzes die Funktion, jungen Leuten diejenigen Qualifikationen zu vermitteln, die für einen direkten Einstieg ins Berufsleben nötig sind, und ihnen gleichzeitig den Zugang zu einer weiteren Bildungskarriere zu ermöglichen.

Theoretischer Rahmen für die Messung der Robustheit von sozialen Institutionen

Soziale Institutionen können anhand einer Reihe von Merkmalen und Dimensionen beschrieben werden. Zu den Merkmalen gehören erstens ihre Funktion, Struktur, Kultur und Sanktionen. Während die Funktion das Definitionsmerkmal einer Institution darstellt, beschreibt die Struktur alle institutionsinternen Rollen, Aufgaben und Regeln sowie deren Beziehungen zueinander. Die Kultur umfasst die mit der Institution verbundenen Einstellungen, Werte und Normen; die Sanktionen die Konsequenzen bei einem Verstoss gegen die institutionellen Regeln und Normen.

Zweitens wird eine soziale Institution durch ihre räumliche Dimension charakterisiert, also durch die Grösse ihres Einflussbereichs und damit auch ihrer Repräsentativität. Drittens kann die zeitliche Entwicklung einer Institution anhand der Phase im Institutionalisierungsprozess gemessen werden, die sie erreicht hat. Dieser Prozess reicht von der Aufnahme gemeinsamer Verhaltensmuster durch wenige Akteure als Antwort auf ein gesellschaftliches Problem bis hin zu deren Festigung durch breite Akzeptanz und zeitliche Stabilität.

Der Beitrag der KOF zur Forschung liegt darin, dass diese Merkmale und Dimensionen in einem theoretischen Rahmen kombiniert werden, auf dessen Basis die Robustheit von sozialen Institutionen in der Berufsbildung gemessen werden kann. Insgesamt wird von diesen institutionentheoretischen Grundlagen abgeleitet, dass soziale Institutionen dann robust sind, wenn sie klar definierte Merkmale haben, hochrepräsentativ und stark institutionalisiert sind. Zudem wird davon ausgegangen, dass nur robuste soziale Institutionen ihre Funktion effektiv erfüllen können.

Methodischer Ansatz zur Messung von sozialen Institutionen in der Berufsbildung

Der hier vorgestellte methodische Ansatz zur Messung der Robustheit von sozialen Institutionen sieht vor, dass diese anhand ihrer Funktion identifiziert werden. Die Identifikation dieser Funktionen in einem bestimmten sozialen Feld sollte unter Beizug von feldspezifischen Theorien und Konzepten erfolgen. Unter Berücksichtigung von Curriculumtheorien und Eigenheiten des sozialen Felds der Berufsbildung werden sieben Funktionen definiert, welche soziale Institutionen entlang des Berufsbildungsprozesses zu erfüllen haben: Qualifikationsstandards, Selektionsmodus, Vermittlung von Studierenden und Ausbildungsplätzen, Bereitstellung von Ressourcen, Selektion, Informationssammlung und Reformzeitpunkt.

Institutionen in verschiedenen Berufsbildungsgängen können diese Funktionen nun auf unterschiedliche, aber funktional äquivalente Weise erfüllen. Die Funktion Selektionsmodus beispielsweise kann je nach Beruf und Kultur eines Trägerverbandes unterschiedlich umgesetzt werden. So gilt in einem Berufsbildungsgang der Grundsatz «Wer lehrt, prüft», d.h., die Lehrpersonen haben grosse Freiheit in der Prüfungsgestaltung. In einem anderen Berufsbildungsgang entscheiden sich Berufsverbände für national einheitliche Prüfungen oder wollen gar eine Kombination von Prüfungen während und am Ende der Ausbildung.

Eine Eigenheit von Berufsbildungsgängen ist deren Anspruch der gleichzeitigen Vorbereitung auf eine Karriere sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Bildungssystem. Dieser Anspruch erfordert die Zusammenarbeit von Akteuren aus den Bildungs- und Beschäftigungssystemen. Daher benötigen robuste soziale Institutionen in der Berufsbildung neben klar definierten Merkmalen, hoher Repräsentativität und starker Institutionalisierung eine eindeutig Rollen- und Aufgabenteilung und kulturelle Verankerung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Akteursgruppen.

Ausblick auf die empirische Anwendung

In Zukunft soll dieser theoretische Rahmen und methodische Ansatz genutzt werden, um soziale Institutionen in verschiedenen Berufsbildungsgängen zu identifizieren und deren Robustheit zu messen. Zudem können diese theoretischen und methodischen Grundlagen auch zur Erforschung von Institutionen in anderen Bildungsgängen und sozialen Feldern beigezogen werden.

In Sinne einer evidenzbasierten Politikgestaltung können zukünftige Reformen von Berufsbildungsgängen von einer Messung der Robustheit der involvierten sozialen Institutionen profitieren. Solche Reformen erfordern ein besseres Verständnis dafür, unter welchen Bedingungen die sozialen Institutionen in der Berufsbildung und damit die Effizienz von Berufsbildungsgängen verbessert werden können1.

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1 Die Forscherinnen bedanken sich beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) für die finanzielle Unterstützung.

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