Steuern: Günstigere Konditionen für grosse Unternehmen

Multinationale Unternehmen profitieren von tieferen effektiven Steuersätzen als nationale Konzerne. Die Differenzen beruhen auch auf Unterschieden in der Verhandlungsmacht gegenüber dem Staat. Grosse Firmen können Abzüge mit Steuerbehörden aushandeln und somit ihre Belastung individuell reduzieren.

Multinationale Unternehmen (MNEs) spielen eine immer grössere Rolle in nationalen und internationalen Wirtschaftskreisläufen. Sie sind nicht nur profitabler, produktiver und grösser, sondern zahlen auch höhere Löhne als Unternehmen, die nur national aktiv sind. Wenn grosse Konzerne jedoch kaum Unternehmenssteuern zahlen, führt das zu Frustration und lautstarkem öffentlichen Protest. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) schätzt, dass jährlich zwischen 4% und 10% der weltweiten Unternehmenssteuereinnahmen (also 100 bis 240 Mrd. US-Dollar) durch Steuervermeidungspraktiken verloren gehen.

Im Gegensatz zu kleinen und mittleren Unternehmen und solchen, die nur in einem Land tätig sind, können multinationale Firmen ihre Steuerbelastung auf drei Arten reduzieren:

  1. Ausländische Tochtergesellschaften ermöglichen es MNEs, Gewinne einfacher ins Ausland zu verlagern, um der Besteuerung in Hochsteuerländern zu entgehen.
  2. Ausländische Tochtergesellschaften signalisieren ein höheres Mass an Mobilität, als es bei vergleichbaren nationalen Unternehmen (NEs) der Fall ist. Das stärkt die Position von MNEs in Verhandlungen mit nationalen Regierungen im Vergleich zu NEs.
  3. Die grössere wirtschaftliche Bedeutung von MNEs im Vergleich zu NEs (in Bezug auf Gewinne, Beschäftigte etc.) erhöht diese Verhandlungsmacht noch weiter.

Diese drei Aspekte können zu Steuersätzen für Unternehmensgewinne führen, die für multinationale Unternehmen erheblich niedriger sind als für vergleichbare nationale Firmen (siehe G 1). Klassische Gewinnverlagerungskanäle wie Transfer-Pricing (Verrechnungspreise zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens), Schuldenverschiebung oder Patentverlagerung mit Lizenzzahlungen wurden schon identifiziert und durch koordinierte Massnahmen von internationalen Organisationen angesprochen.

Grafik Steuersatz

Ein neues Arbeitspapier von Egger, Strecker und Zoller-Rydzek (2018) fokussiert auf einen anderen Kanal, der besonders mit den Aspekten 2) und 3) zusammenhängt: die Verhandlungen zwischen Steuerbehörden und Unternehmen. Unternehmen können mögliche Abzüge mit Steuerbehörden aushandeln und somit ihre Belastung individuell reduzieren. Verbindliche Steuervorbescheide sind ein wichtiges Instrument in diesem Verhandlungsprozess. Sie ermöglichen es Unternehmen, mit den Steuerbehörden Kontakt aufzunehmen und die Abzüge für ihre möglichen Investitionen abzuklären, bevor diese getätigt wurden. Fast alle europäischen Länder und die USA verwenden solche Steuervorbescheide.

Wertvoller für die Steuerbehörden

Bei der Erteilung von steuerlichen Zugeständnissen durch den Staat sind MNEs in zweierlei Weise bevorzugt. Erstens sind sie im Durchschnitt grösser und deutlich rentabler als NEs. Dies macht sie für die Steuerbehörden wertvoller, weshalb diese bereit sind, bessere Geschäfte mit grösseren Unternehmen abzuschliessen. Zweitens sind multinationale Unternehmen durch ihre internationalen Mutter-/Tochtergesellschaften mobiler und können glaubwürdiger damit drohen, ihre Aktivitäten ins Ausland zu verlagern sowie im verhandelnden Land keine oder deutlich weniger Steuern zu zahlen. Diese glaubwürdigere Auslandsalternative verstärkt ihre Verhandlungsmacht und kann die Steuerbehörden zu weitreichenden Zugeständnissen zwingen.

Empirisch ist es schwierig, die verschiedenen Faktoren, die zu steuerlichen Unterschieden zwischen MNEs und NEs beitragen – Gewinnverlagerung und Steuerverhandlungen –, zu separieren. Indem für die verschiedenen Gewinnverlagerungskanäle kontrolliert wird und multinationale Firmen präzise mit nationalen Firmen verglichen werden, können die Verhandlungskomponenten der Steuerlücken quantitativ isoliert werden und der Effekt der Unternehmensgrösse vom Effekt der Unternehmensmobilität getrennt werden. Bei einem solchen Vergleich für Frankreich zeigt sich: MNEs profitieren dort von einem mehr als 6 Prozentpunkte niedrigeren effektiven Unternehmenssteuersatz als vergleichbare NEs nach Gewinnverlagerungen (siehe G2).

Grafik geschätzte effektive Steuersätze

Insbesondere führt der Grösseneffekt zu regressiven Effektivsteuertarifen, also zu sinkenden Effektivsteuersätzen für Unternehmen mit grösseren Vorsteuergewinnen. Dieser Zusammenhang zeigt sich sowohl bei MNEs als auch bei NEs. Das weist auf einen Grösseneffekt hin, der unabhängig vom Unternehmenstyp besteht und für MNEs nur grösser ist, weil diese im Durchschnitt grösser als NEs sind. Insgesamt scheinen sowohl nationale als auch multinationale Firmen in der Lage zu sein, niedrigere Unternehmenssteuersätze mit den französischen Behörden auszuhandeln, sofern sie grösser beziehungsweise profitabler als andere sind. MNEs profitieren des Weiteren aufgrund ihrer glaubwürdigeren Mobilität von einer zusätzlichen Senkung ihrer Unternehmenssteuersätze, die für NEs unerreichbar bleibt.

Eine vereinfachte Rechnung ergibt, dass die bessere Verhandlungsposition von MNEs zu durchschnittlichen Steuerersparnissen von 20 000 Euro pro Jahr und MNE führt. Bei geschätzt 17 500 multinationalen Unternehmen in Frankreich bedeutet das: Jährlich werden über 360 Mio. Euro wegverhandelt.

Eine ausführliche Version dieses Beitrags finden Sie hier.

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