Wie die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vorankommt

Bei der Integration der jüngsten Flüchtlingskohorte in den deutschen Arbeitsmarkt gibt es deutliche Fortschritte. Das ist auch für die Schweiz von Bedeutung.

Fachkräfte

Im Zuge des Syrienkriegs und anderer Konflikte kamen in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Geflüchtete nach Europa, einige davon in die Schweiz. Seit dem Jahr 2017 sind die Flüchtlingszahlen deutlich gesunken, liegen aber immer noch über den Niveaus vor 2015. De facto bleiben viele der Geflüchteten über mehrere Jahre in Europa, teilweise auch für immer.

Die Gemeinschaftsdiagnose, an der sich auch die KOF beteiligt, ist der Frage nachgegangen, wie gut die Integration der Geflüchteten in den deutschen Arbeitsmarkt vorankommt. Die Ergebnisse sind auch für die Schweiz relevant, da sich hier ähnliche Herausforderungen stellen.

Die in der jüngeren Vergangenheit nach Deutschland Geflüchteten haben weniger gute individuelle Voraussetzungen für eine Integration in den Arbeitsmarkt als frühere Kohorten. Hierbei spielen ungünstigere Bildungsvoraussetzungen, die langen Asylverfahren sowie erhöhte Risiken posttraumatischer Belastungsstörungen eine Rolle. Gleichwohl sind bei der Integration der jüngsten Flüchtlingskohorte in den deutschen Arbeitsmarkt deutliche Fortschritte festzustellen.

Geflüchtete verstärkt in den Erwerbsprozess integriert

Im zweiten Halbjahr 2017 gingen 21% der seit dem Jahr 2013 Geflüchteten einer Erwerbstätigkeit nach. Im zweiten Halbjahr 2016 waren es bloss 9% gewesen. Für das Jahr 2018 liegen noch keine Angaben vor, allerdings gibt es aktuelle Zahlen für Personen aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia, Syrien). Diese Gruppe umfasst derzeit rund 1.2 Millionen Menschen, von denen sich im Januar 2019 rund 32% in einer Beschäftigung befanden – ein Anstieg um 7 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Die Beschäftigungsquote aller ausländischen Personen in Deutschland betrug 50% (+2.7 Prozentpunkte), bei den Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit lag die Quote bei 69% (+0.3 Prozentpunkte).

Für die Schweiz liegen leider keine Zahlen zur Erwerbssituation von Personen vor, die im Zuge der verschiedenen Konflikte 2013 in das Land gekommen sind. Für einen groben Vergleich können allerdings Zahlen einer Studie aus dem Jahr 2014 hinzugezogen werden, welche auf Basis von Registerdaten die Arbeitsmarktintegration früherer Flüchtlingszuwanderer in der Schweiz untersucht.

Die Studie unterscheidet zwischen den sogenannten «anerkannten Flüchtlingen» – Personen, deren Antrag auf Asyl gutgeheissen wurde – sowie den «vorläufig Aufgenommenen» – Personen also, deren Asylgesuch zwar abgelehnt wurde, deren Wegweisung allerdings beispielsweise wegen eines Krieges im Herkunftsland nicht vollzogen werden kann. Es zeigte sich, dass die Erwerbstätigenquote der vorläufig Aufgenommenen fünf Jahre nach der Einreise in die Schweiz bei rund einem Fünftel liegt. Die Erwerbstätigenquote anerkannter Flüchtlinge lag zu jenem Zeitpunkt etwa bei einem Drittel.

Zwar bewegen sich diese Zahlen in ähnlichem Rahmen wie jene in Deutschland für die Geflüchteten aus dem Jahr 2013. Allerdings fokussiert die genannte Studie auf Personen, welche bei der Einreise 25 bis 50 Jahre alt und damit im besten Erwerbsalter sind, was die Resultate für die Schweiz besser darstellt, als sie effektiv sind. Denn insgesamt ist die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen in der Schweiz im internationalen Vergleich tief – trotz eines sehr integrativen Arbeitsmarkts mit einer hohen Erwerbsbeteiligung anderer Zuwandererkategorien.

Dabei dürften rechtliche und regulatorische Hürden, welche den Flüchtlingen bei der Erwerbsaufnahme in den Weg gestellt werden, eine bedeutende Rolle spielen. Es ist daher positiv zu werten, dass die Arbeitsmarktbeteiligung von vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen in den jüngsten Zahlen der Asylstatistik gestiegen ist. Eine Entwicklung, die das Staatssekretariat für Migration unter anderem auf grössere Integrationsanstrengungen verschiedener staatlicher Stellen zurückführt.

Halb so hoher Bruttoverdienst wie andere Beschäftigte

In Deutschland hingegen dürfte die derzeit relativ hohe Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarkts ein Grund für die substanziellen Fortschritte bei der Integration von Geflüchteten sein. Allerdings bestehen hinsichtlich des Anforderungsniveaus und der ausgeübten Tätigkeiten erhebliche Unterschiede zur sonstigen Bevölkerung. Rund 50% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den acht wichtigsten Asylherkunftsländern gehen einer sogenannten Helfertätigkeit nach (Anteil von Helfertätigkeiten an der Gesamtbeschäftigung: 16%). Auch arbeiten Personen aus diesen Ländern vorwiegend in wenigen Dienstleistungsbereichen wie dem Gastgewerbe und der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit), welche einen eher geringen Anteil an der Gesamtbeschäftigung haben.

Beispielsweise sind 14% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bzw. 40% der ausschliesslich geringfügig Beschäftigten aus den genannten Ländern im Gastgewerbe tätig. Der Anteil dieses Sektors an der Gesamtheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt dagegen nur bei 3%, bei den ausschliesslich geringfügig Beschäftigten sind es 13%. Aufgrund des geringeren Anforderungsniveaus liegt der mittlere Bruttomonatsverdienst der vollzeitbeschäftigten Geflüchteten nur etwas mehr als halb so hoch wie der Median der Verdienste aller Vollzeitbeschäftigten.

Die fortschreitende Technologisierung dürfte die Herausforderungen bei der Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen aus Krisen- und Entwicklungsländern und allgemein von Personen mit geringen Ausbildungsniveaus in Zukunft weiter erhöhen. Allerdings hängen die Arbeitsmarktchancen dieser Personen auch von politischen Entscheiden hinsichtlich der Flexibilität und Durchlässigkeit des Arbeitsmarkts sowie hinsichtlich geeigneter aktivierender Arbeitsmarktmassnahmen ab. Die KOF berät hier die Schweizer Politik mit ihrer evidenzbasierten Forschung. So untersucht sie derzeit im Rahmen eines Projektes mit dem Eidgenössischen Departement für Wissenschaft, Bildung und Forschung, wie die Vermittlung von potenziell benachteiligten Personen durch die regionalen Arbeitsvermittlungszentren verbessert werden könnte.

Die ausführliche Gemeinschaftsdiagnose finden Sie hier.

Literatur

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Eine Bestandsaufnahme, in: Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Konjunktur deutlich abgekühlt – Politische Risiken hoch, Gemeinschaftsdiagnose #1-2019, Halle (Salle), April 2019.

KEK – CDC Consultants und B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung (2014): Erwerbsbeteiligung von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt, Studie im Auftrag des Bundesamtes für Migration (BFM).

Siegenthaler Michael (2016): Der (zu) kleine Einfluss der Flüchtlingszuwanderung auf den Schweizer Arbeitsmarkt, externe Seitewww.oekonomenstimme.org.

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