Die Quellen von Wissensflüssen zwischen Industrie- und Schwellenländern

Wie haben sich Kooperationen in der Forschung und Entwicklung (F&E) und der Technologiebeschaffung zwischen Industrie- und Schwellenländern entwickelt? Eine neue Untersuchung zeigt, dass Europa den nordamerikanischen Staaten noch hinterherhinkt, was die Anzahl der Kooperationen mit Schwellenländern angeht.

Patente
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Für ihre Recherchen1 greifen die Autoren Gaétan de Rassenfosse und Florian Seliger auf Daten über gemeinsame regionale Patentaktivitäten (z.B. Europa zusammen mit Südasien) zurück. Diese zeigen eine starke Konzentration der Technologieaktivitäten europäischer und nordamerikanischer Länder einerseits mit China und andererseits mit Schwellenländern im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT).

Grenzüberschreitende Wissensflüsse können die Wissensbasis von Schwellenländern erweitern

Für Schwellenländer ist es von entscheidender Bedeutung, technologisch aufzuschliessen, um einem höheren technologischen Entwicklungspfad folgen zu können. Um einen Lernprozess zu ermöglichen, müssen aber zum Beispiel die «lernenden» Länder schon über eine ausreichende Wissensbasis und Infrastruktur (z.B. in Form von Universitäten und gut ausgebildeten Ingenieuren) verfügen. Da Kooperationen mit Individuen oder Firmen Wissensflüsse zwischen den beteiligten Parteien generieren, ist zu erwarten, dass beispielsweise Wissensflüsse zwischen der Schweiz und Indien entstehen, wenn eine Schweizer Firma eine Kooperation mit einer indischen Firma eingeht.

Messung von F&E-Kooperationen und Technologiebeschaffung mit Patentdaten

In Patentanmeldungen werden wichtige und nutzbare Informationen dokumentiert (Anmelder, Erfinder des Patents, Länderangaben usw.) Die Autoren nutzten diese Informationen, um jene Patentanmeldungen zu identifizieren, die mindestens einen Anmelder aus Nordamerika oder Europa sowie mindestens einen Anmelder aus einem Schwellenland ausweisen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind solche Patentanmeldungen das Resultat einer Kooperation von Firmen aus einem westlichen Industrieland und einem Schwellenland (sogenannte «Ko-Anmeldungen», siehe G 6).

Ko-Anmeldungen zwischen europäsischen Ländern und Schwellenländern in %

Dasselbe Verfahren wurde angewendet, um Patentanmeldungen zu identifizieren, die einen Anmelder aus Nordamerika oder Europa sowie einen Erfinder mit Adresse in einem Schwellenland aufweisen. Sofern diese Anmeldungen nicht gleichzeitig von einem weiteren Anmelder in einem Schwellenland (also keine Ko-Anmeldungen sind)stammen, können sie als Indikator für «Technologiebeschaffung» aus Schwellenländern dienen (siehe G 7).

Diese Patentanmeldungen gehen in den meisten Fällen darauf zurück, dass eine Firma aus einem Industrieland eine F&E-Abteilung in einem Schwellenland eröffnet hat, weswegen der Erfinder dort wohnhaft ist. Das Motiv für die Verlagerung von F&E-Kapazitäten in Schwellenländer ist oftmals auf Kostengründen zurück zu führen, die Eröffnung von F&E-Abteilungen in Industrieländern kann aber auch zur Folge haben, dass der Zugang zu weiteren, dort ansässigen Fachkräften wesentlich erleichtert wird. Die Schwellenländer bieten aufgrund ihrer wachsenden Bevölkerungen sehr grosse Märkte, weswegen der Marktzugang ein weiteres Motiv sein kann, um dort aktiv zu werden.
 

Patente von Anmeldern aus Europa mit Erfindern in Schwellenländern in %

Starker Anstieg der F&E-Kooperationen mit Schwellenländern – vor allem mit Asien

Verglichen mit der Anzahl der F&E-Kooperation der USA und von Kanada mit Schwellenländern sind die F&E-Kooperationen zwischen Europa und Schwellenländern immer noch relativ gering. So belief sich die Anzahl der Ko-Anmeldungen zwischen Nordamerika und Schwellenländern auf 3829 Patente im Jahr 2010, verglichen mit 1501 Patenten zwischen Europa und Schwellenländern – dies obwohl die Anzahl der Patentanmeldungen von europäischen Ländern insgesamt höher ist als von nordamerikanischen Ländern.

Die jährliche Wachstumsrate von «Ko-Anmeldungen» zwischen Europa und Schwellenländern lag zwischen 1980 und 2010 bei 16.3% (Anstieg auf 1501 Patente), im Vergleich dazu betrug die Wachstumsrate von Ko-Anmeldungen zwischen europäischen und nordamerikanischen Anmeldern nur 8%, ist absolut betrachtet jedoch immer noch weitaus grösser (2010: 5000 Patente)

Schwellenländer in Asien sind der dominante Kooperationspartner unter den Regionen von Schwellenländern. Der überwiegende Teil des Wachstums dieser Kooperationen wird von Kooperationen mit Firmen in Ostasien, vor allem in China, angetrieben. Die Anzahl der F&E-Kooperationen mit Russland und Staaten der ehemaligen Sowjetunion ist gering. In Afrika, Zentral- und Südamerika haben diese zwar leicht zugenommen, bleiben aber auf sehr niedrigem Niveau. Anteilsmässig haben Kooperationen mit nicht-asiatischen Ländern drastisch abgenommen und belaufen sich nur noch auf rund 17 %.

Für die USA und Kanada zeigen sich ähnliche Entwicklungen wie für Europa, allerdings ist für diese Länder Asien schon eher als für Europa zum dominanten Kooperationspartner geworden. Zudem richteten sich diese Kooperationen schon viel früher auf den Bereich IKT (USA & Kanada: 29% der Kooperationspatente mit Schwellenländern waren im Jahr 2000 im Bereich IKT, Europa: 10.7% im Jahr 2000).

Starker Anstieg der Technologiebeschaffung in Süd- und Ostasien

Auch bei der Technologiebeschaffung, d.h. ein Erfinder arbeitet in einem Forschungszentrum in einem Schwellenland für eine Firma in Europa, dominieren asiatische Länder alle anderen Regionen (siehe G 7). Vor allem Indien ist ein wichtiges Land, in dem europäische Firmen Technologien entwickeln (lassen).

In Ostasien scheinen die Firmen hingegen stärker auf Kooperationen zu setzen. Südasien könnte grosse Kostensparpotenziale bieten, was unter anderem ein Grund dafür sein könnte, dass Firmen ihre Forschungsaktivitäten dorthin verlagern.

Starke Konzentration der F&E-Aktivitäten sowohl regional als auch technologisch – grosses Potenzial für Wissensflüsse zwischen China und den USA/Kanada

Die Analyse zeigt ein konsistentes Bild: Erstens konzentrieren sich technologische Aktivitäten mit Schwellenländern sehr stark in Ostasien und – in etwas geringerem Ausmass – in Südasien. Es ist davon auszugehen, dass vor allem China von Wissensflüssen profitieren kann, während für andere Schwellenländer die Gefahr besteht, längerfristig technologisch an den Rand gedrängt zu werden. Da China aber auch sehr stark in eigene F&E investiert, sind «umgekehrte» Wissensflüsse von China in etablierte, westliche Industrieländer zu erwarten. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse, dass sich technologische Aktivitäten mit Schwellenländern auf den Bereich IKT fokussieren.

Während Patentaktivitäten zwischen Europa und Asien in den letzten Jahren stark zugenommen haben, sind die asiatischen Länder für Nordamerika schon viel länger ein sehr wichtiger Technologiepartner, vor allem China. Daher ist davon auszugehen, dass die USA und Kanada stärker von Wissen mit Ursprung in China («umgekehrte Wissensflüsse») profitieren können als Europa.

 

1. Das Projekt wurde duch ein Grant («Globalization of R&D: Technology Cluster, Performance and Risk») des Schweizer Nationalfonds unterstützt.

Literatur

De Rassenfosse Gaétan, Florian Seliger (2018): Sources of knowledge flow between developed and developing nations, KOF Working Papers, vol. 444, Zurich: KOF Swiss Economic Institute, ETH Zurich, 2018.

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung eines Kapitels aus dem Handbook on Trade in Knowledge from the World Trade Organization (edited by Jayashree Watal), das in Kürze erscheinen wird.

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