Schweizer Konjunktur verliert an Schwung

Zwar befindet sich die Schweizer Wirtschaft in einer guten Gesamtverfassung, ihr Wachstumstempo wird in diesem Jahr mit 1.6% aber abnehmen. Im Jahr 2020 dürfte das BIP dann wieder um 2.1% zunehmen. Der private Konsum wird im Prognosezeitraum zu einer wichtigen Konjunkturstütze. Die Arbeitslosigkeit wird wegen der soliden Wirtschaftsentwicklung tief bleiben.

Im Jahr 2018 verflachte sich die weltwirtschaftliche Dynamik gegenüber dem Vorjahr. Diese Tendenz wird sich auch in diesem Jahr weiter fortsetzen. In den USA dürfte sich die zuletzt hohe konjunkturelle Dynamik im Jahr 2019 wieder normalisieren, wobei der private Konsum weiterhin von der guten Arbeitsmarktlage und Reallohnsteigerungen profitieren wird. In China schwächt sich die konjunkturelle Dynamik ab wie auch im Euroraum. Die zunehmend ausgelasteten gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten im Euroraum lassen in einigen Ländern keine grossen volkswirtschaftlichen Sprünge mehr zu. Zum anderen drückten politische Entwicklungen, wie z. B. der internationale Handelskonflikt, der jüngst beigelegte Streit um Italiens Budget und die damit verbundenen Finanzmarktrisiken, zunehmend auf die Investitionsneigung der Unternehmen. Die Konjunktur in vielen Schwellenländern wird in diesem und den kommenden Quartalen durch Liquiditätsabflüsse und Währungsabwertungen gedämpft werden.

Das Risiko eines rapiden globalen Abschwungs ist zuletzt angestiegen, dennoch erwartet die KOF für die Weltkonjunktur im Prognosezeitraum eine weiche Landung (siehe G 1). Somit gehen vom Aussenhandel im kommenden Jahr schwächere Impulse für die Schweizer Konjunktur aus. Diese gehen insbesondere vom Warenhandel aus, der Dienstleistungsverkehr dürfte sich positiv entwickeln.

Welt : Regionale Beiträge zum BIP-Zuwachs

Die Binnenwirtschaft, insbesondere der private Konsum, wird im Prognosezeitraum zu einer wichtigeren Stütze für die Schweizer Konjunktur. Die sich abzeichnende positive Entwicklung des privaten Konsums wurde im dritten Quartal 2018 noch durch verschiedene Sondereffekte überlagert. Der heisse und trockene Sommer sowie die Lieferschwierigkeiten einiger ausländischer Automobilhersteller liessen den privaten Konsum fast stagnieren. Der private Konsum sollte daher in diesem Jahr um rund 1.2% wachsen. Im Jahr 2020 könnte der private Konsum um rund 1.6% steigen. Positiv beeinflusst wird diese Entwicklung durch die Entwicklung des Arbeitsmarktes und steigende verfügbare Einkommen der Haushalte, was den Weg für eine Expansion der Konsumausgaben ebnen wird.

Gute Aussichten für den Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt entwickelte sich im vergangenen Jahr erfreulich. Obwohl sich das allgemeine Beschäftigungswachstum im dritten Quartal gegenüber dem Jahresbeginn etwas verlangsamt hat, bleiben die Aussichten für den Arbeitsmarkt positiv, da zahlreiche Arbeitsmarktindikatoren auf ein hohes Niveau hinweisen. Die vollzeitäquivalente Beschäftigung dürfte im Jahr 2019 um 1.1% wachsen, nach 1.8% im Jahr 2018. Die Arbeitslosenquote gemäss des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) wird mit durchschnittlich 2.4% in diesem Jahr nahezu auf dem Niveau Ende 2018 verbleiben. Die Arbeitslosenquote wird sich nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) mit etwas mehr als 4% in diesem und im kommenden Jahr ähnlich entwickeln (siehe G 2).  

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit mit Prognose

Nach drei guten Jahren sahen sich die Erwerbstätigen in der Schweiz weniger lohnenden Zeiten gegenüber. Obwohl die Nominallöhne in den Jahren 2014 bis 2016 vergleichsweise wenig stiegen, erhöhte sich die Kaufkraft der Löhne bei sinkenden Verbraucherpreisen. Dies führte zu einem erheblichen jährlichen Anstieg der Reallöhne. Seit 2017 kehrt sich dieser Trend um. Die Reallöhne stagnierten 2017 und dürften 2018 aufgrund der leicht höheren Inflation gesunken sein. Dieses Jahr sollte der Lohnanstieg gemäss Schweizer Lohnindex mit rund 1% positiver ausfallen. Die Durchschnittslöhne, berechnet aus der Lohnsumme in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die im Gegensatz zum Schweizer Lohnindex auch Boni und Lohnvariationen aufgrund von Veränderungen in der Sektorstruktur berücksichtigt, dürften ähnlich stark wachsen. Bei einer für dieses Jahr prognostizierten Teuerung von 0.6% wird dies zu einem leichten Anstieg der Kaufkraft der Löhne führen.

Die Inflation blieb in der zweiten Jahreshälfte 2018 mit knapp 1% niedrig. Die Kerninflation macht nur etwa die Hälfte der Gesamtzahl aus. Im Vergleich zum Herbst haben sich die Prognosen für 2018 und 2019 leicht verschlechtert. Dies spiegelt vor allem den deutlichen Rückgang der Ölpreise sowie die leicht niedriger erwartete Inflation der Dienstleistungspreise wider. Der Ausblick für 2020 bleibt mit 1% gegenüber der Herbstprognose unverändert. Insgesamt ist das Inflationsrisiko gering, auch wenn die Kernrate voraussichtlich steigen wird.

Abgeschwächte Entwicklung der Anlageinvestitionen

Die derzeitige Unsicherheit im internationalen Handel beeinflusst die Standortentscheide für Produktionsanlagen und damit auch die Investitionsentscheide negativ. Davon ist auch die Schweiz betroffen. Bei den Ausrüstungsinvestitionen wird unter Vernachlässigung von Sondereffekten (Akquisitionen von Flugzeugen und Zügen, die sich positiv entwickeln werden) der seit 2015 andauernde Investitionszyklus zu Ende gehen und im Winter 2019/20 seinen Tiefpunkt erreichen (siehe G 3). Damit endet ein ungewöhnlich flacher und langwieriger Investitionszyklus, der sich deutlich von den typisch kürzeren und akzentuierteren Zyklen unterscheidet, die seit den 1980er Jahren beobachtet wurden. Einzig im Bereich Verkehrsinfrastruktur ist eine deutlich positive Entwicklung zu erwarten. Insbesondere die Bauinvestitionen für den Wohnbau werden aber schwächer ausfallen als in der Vergangenheit. Dies liegt vor allem daran, dass die Anzahl Fertigstellungen seit einiger Zeit deutlich über der Zunahme der Anzahl Haushalte liegt, was zusätzliche Leerstände zur Folge hat.

Verwendungsseitige Wachstumbeiträge zum realen BIP

Grosse Sportereignisse verzerren Wirtschaftsentwicklung

Die Prognose für das Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) liegt bei 2.6% für 2018, 1.6% für 2019 und 2.1% für 2020 – nach einem moderaten Gesamtwachstum des BIP von 1.6% im Jahr 2017. Die Schweizer Wirtschaft hat ihren Höhepunkt im Wachstumszyklus überschritten, der nach den vorläufigen Schweizer BIP-Daten im ersten Quartal 2018 lag.

Das Muster des Schweizer BIP-Wachstums im Zeitablauf hilft nur bedingt bei der Bestimmung des Schweizer Konjunkturzyklus, da es durch grössere internationale Sportereignisse verzerrt wird, die wenig mit der Entwicklung der Binnenwirtschaft zusammenhängen. Darüber hinaus ist bekannt, dass der internationale Rohstoffhandel seit Langem einen bedeutenden, aber unregelmässigen Beitrag zur Schweizer Wertschöpfung leistet. Mit den verfügbaren Informationen, die die offiziellen «Headline»-BIP-Daten ergänzen, kann eine Schätzung des «Kern-BIP» berechnet werden, die diese Dimensionen ausschliesst (siehe G 4). Die jährliche Wachstumsschätzung des bereinigten BIP beträgt 2.5% für 2018, 1.7% für 2019 und 1.8% für 2020.

Auswirkung grosser internationaler Sportanlässe

Das überraschend negative BIP-Wachstum im dritten Quartal 2018 ist vor allem auf Sondereffekte zurückzuführen. Der Diesel-Abgasskandal hat die Bruttowertschöpfung der Zulieferer der Automobilindustrie geprägt. Zudem waren die Verkäufe von Autos in der Schweiz stark betroffen. Darüber hinaus litt der Detailhandel unter den extremen Witterungsbedingungen im Sommer. Der aussergewöhnlich warme und lange Sommer führte zu einem Rückgang der Nachfrage nach Herbstbekleidung. Die aussergewöhnlichen Wetterbedingungen führten auch zu negativen Auswirkungen auf die Stromerzeugung, wo die ungewöhnlich geringen Niederschläge zu einer geringeren Stromerzeugung durch Fluss- und Speicherkraftwerke führten.

Der unerwartete Umsatzrückgang in der Pharmaindustrie im dritten Quartal 2018 hat ebenfalls die Wertschöpfung reduziert. Wir gehen davon aus, dass sich der Umsatz in der Pharmaindustrie im vierten Quartal 2018 erholen wird, um das schwache Niveau im dritten Quartal auszugleichen. Angesichts der schlechteren internationalen Konjunkturaussichten wurde die Wachstumsrate der Bruttowertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes für 2019 und 2020 jedoch leicht nach unten korrigiert (siehe G 5). In den Jahren 2019 und 2020 wird es zu einer etwas schwächeren, wenn auch soliden Expansion der Schweizer Wirtschaftstätigkeit kommen.

Produktionsseitige Wachstumbeiträge des BIP

Die «unkonventionelle» Haltung der Schweizer Notenbankpolitik mit einem Interbanken-Zielsatz von -0,75% dürfte sich noch ein weiteres Jahr fortsetzen, obwohl wir erste Veränderungen noch vor Ende unseres Prognosezeitraums erwarten. Die KOF prognostiziert weiterhin eine allmähliche Straffung durch die US-Notenbank in den nächsten zwei Jahren, wenn auch langsamer, auch aufgrund der jüngsten Zunahme internationaler Risiken.

Wie erwartet, nimmt sich die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrer ersten Leitzinserhöhung Zeit. Ausschlaggebend dafür sind die anhaltend niedrige Kerninflation sowie Risiken und Unsicherheiten, die unter anderem mit Brexit und Verwerfungen an den Finanzmärkten verbunden sind. Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass die EZB den Zinserhöhungen der USA im nächsten Herbst folgen wird, auch wenn sich die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios verringert hat.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) bestätigte an ihrer September-Sitzung ihren negativen Zinssatz. Gegenwärtig scheinen die Zinssätze ein geeignetes Instrument zu sein, um die Schweizer Exporteure vor einer übermässigen Aufwertung des Schweizer Frankens zu schützen, da die Girokonten der Zentralbank keine Hinweise auf Fremdwährungsinterventionen der SNB liefern. Da der Verwaltungsrat in Zukunft voraussichtlich keine nennenswerte Aufwertung riskieren wird und die Inflation vorerst niedrig bleiben wird, wird sich die Zinspolitik vorerst weiterhin an der EZB orientieren.

Vierteljährlich präsentiert die KOF ihre Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz. Es wird eine detaillierte Analyse der weltwirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen erarbeitet, worauf eine umfangreiche Wirtschaftsprognose basiert. Diese modellbasierte Prognose zeichnet sich durch einen hohen Desaggregationsgrad aus und liefert vielfältige Informationen über den aktuellen und zu erwartenden Verlauf wichtiger volkswirtschaftlicher Kenngrössen.

Weitere Informationen und detailliertere Zahlen zur Prognose finden Sie auf der Website der Prognose.

Kontakt

Yngve Abrahamsen
  • LEE G 116

KOF FB Konjunktur
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert