Firmen im Inland profitieren von Auslandsaktivitäten der Konkurrenz

Haben Firmen etwas davon, wenn andere Firmen im Ausland tätig sind? Eine neue Studie der KOF gibt Hinweise, dass «Heimfirmen» in der Schweiz von der Wissensaktivität anderer Schweizer Firmen im Ausland profitieren, und zwar hinsichtlich ihrer Innovationsleistung wie auch ihrer Produktivität.

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Technologischer Fortschritt ist wesentlich für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. In einer neuen KOF Studie untersuchen Spyros Arvanitis, Luca Mircea, Florian Seliger und Martin Wörter (Arvanitis et al. 2018) sowohl deskriptiv als auch ökonometrisch den Beitrag von Wissensaktivitäten Schweizer Firmen im Ausland für die Innovationsleistung und die Produktivität im eigenen Land. Unter «Wissensaktivitäten im Ausland» verstehen die Forscher Forschungs- und Entwicklungs(F&E)-Aktivitäten bei ausländischen Töchtern, F&E-Kooperationen mit ausländischen Unternehmen oder Forschungseinrichtungen oder die Vergabe von F&E-Aufträgen ins Ausland. Sie können die Wissensaktivitäten sowohl «direkt» über Umfrageinformationen messen als auch «indirekt» über Patentdaten.Der Einfluss von Wissensaktivitäten auf andere Firmen geschieht über sogenannte Wissensspillovers. Hierbei fliesst ein Teil des Wissens über verschiedene Kanäle zu Konkurrenzunternehmen, die dieses Wissen aufnehmen und in ihren eigenen Innovationsanstrengungen verwerten können.

Die deskriptiven Auswertungen des Innovationspanels zeigen zunächst, dass vor allem Grossunternehmen Wissensaktivitäten im Ausland durchführen, da vermutlich nur diese den erforderlichen Ressourceneinsatz stemmen können. Bei allen Wissensaktivitäten zeigt sich zudem ein starker Fokus auf EU-Länder. Die Aktivitäten sind vor allem auf andere Unternehmen ausgerichtet (und nicht auf Hochschulen und Forschungseinrichtungen), d.h., Schweizer Unternehmen kooperieren mit anderen Unternehmen im Ausland oder sie vergeben F&E-Aufträge an Unternehmen im Ausland.

Firmen vor allem an Kostensenkungen interessiert

Obwohl die Forscher in ihrer Studie zeigen, dass die Wissenskomponente von F&E-Aktivitäten im Ausland einen wichtigen Beitrag zur Innovationsleistung im Inland leisten kann, ist für Schweizer Unternehmen das Ressourcenmotiv (d.h. Kostensenkung durch die Auslagerung von F&E-Aktivitäten) deutlich wichtiger als das Wissensmotiv (d.h. die Nähe zu Unis und anderen wissensintensiven Unternehmen in ausländischen Regionen).

Im ökonometrischen Teil der Studie untersuchen die Autoren unter anderem den Effekt von Spillovers auf die Anzahl neuer Patente einer Firma. Die neuen Patente gehen durch das technologische Know-how, das für deren Entwicklung nötig ist, in das Wissenskapital einer Firma über. Die Autoren zeigen, dass der Effekt positiv ist und dass der Effekt von Spillovers ausschliesslich von patentierten Erfindungen anderer Unternehmen ausgeht, die mit Beteiligung von Erfindern im Ausland generiert worden sind (bei denen ein Konkurrenzunternehmen internationale Wissensaktivitäten durchgeführt hat).

Interessanterweise wirkt dieser Effekt nicht nur auf neue Patente insgesamt und neue Patente, die mit Erfindern im Ausland entwickelt werden, sondern auch auf Patente, die ausschliesslich von Erfindern in der Schweiz entwickelt werden. Somit können also auch Unternehmen mit ausschliesslich national ausgerichteten F&E-Anstrengungen (die in ausschliesslich in der Schweiz entwickelte Patente münden) von der Internationalisierung der F&E anderer Unternehmen profitieren.

Darüber hinaus untersuchen die Autoren, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Wissenskapital (in das die eigenen Patente einfliessen) und der Innovationsleistung eines Unternehmens gibt. Dieser Zusammenhang ist wie erwartet positiv. Allerdings ist auch dieser Zusammenhang auf jenen Teil des Wissenskapitals zurückzuführen, der mit Hilfe von Erfindern im Ausland durch internationale Kooperationen, F&E-Aktivitäten und F&E-Aufträge aufgebaut wurde (internationales Wissenskapital).

Dieses Wissen ist wesentlich für den Markterfolg neuer, innovativer Produkte. Massnahmen zur Förderung von internationalen Kooperationen von Erfindern erhöhen also nicht nur das Wissenskapital, sondern auch die Innovationstiefe neuer Produkte, die zu höheren Umsätzen führt. Mit dem Aufbau von Wissenskapital sind hohe Kosten verbunden, die nur dann erwirtschaftet werden können, wenn neue, innovative Produkt hervorgebracht und vermarktet werden.

Positive Produktivitätseffekte unter Bedingungen

Tatsächlich finden die Autoren positive Produktivitätseffekte für das internationale Wissenskapital nur, wenn gleichzeitig neue Produkte hervorgebracht werden. Die Unternehmensgrösse ist eine weitere Bedingung für positive Produktivitätseffekte des internationalen Wissenskapitals, da grössere Firmen internationale Vertriebswege und umfangreiche Marketingmöglichkeiten nutzen können, die positiv auf die Vermarktung von innovativen Produkten wirken. Ausserdem lassen sich in grösseren Unternehmen hohe F&E-Kosten auf eine grössere Absatzmenge verteilen, wodurch die Produkte relativ günstig angeboten werden können.

Für die Gesamtheit der Unternehmen, die im Durchschnitt eher kleiner sind, sehen die Autoren auch für das Wissenskapital, das ausschliesslich auf Erfindungen in der Schweiz ansässiger Erfinder zurückgeht, positive Produktivitätseffekte. Somit ergibt sich eine Art «Arbeitsteilung» zwischen diesen kleineren Unternehmen und den international ausgerichteten Grossunternehmen. Letztlich profitieren durch die internationalen Aktivitäten der Grossunternehmen alle, nämlich auch kleinere, eher national ausgerichteten Unternehmen in Form der oben erwähnten Spillovers.

Internationale Kooperationen wichtig

Hinsichtlich wirtschaftspolitischer Überlegungen halten die Autoren vor allem internationale Kooperationen zur Entwicklung neuer Technologien für wesentlich, um Wissensspillovers zu generieren, von denen auch national ausgerichtete, kleinere Unternehmen profitieren können. Internationale Kooperationen können sowohl klassische Unternehmenskooperationen beinhalten als auch persönliche Netzwerke von Mitarbeitern oder die Zusammenarbeit mit einzelnen Personen im Ausland, die ein bestimmtes Know-how besitzen, das im Inland nicht verfügbar ist.

Internationale Kooperationen erhöhen auch das technologische Verständnis, um Technologien anderer Firmen zu verstehen und mit eigenem Wissen zu kombinieren. Allerdings ist es wichtig, zu berücksichtigen, dass kleinere Firmen ein höheres Risiko bezüglich der Entwicklung und Vermarktung neuer Technologien haben, da ihnen wichtige Ressourcen oft fehlen. Dies sollte im Rahmen der Wirtschaftspolitik beachtet werden, damit kleinere Firmen Spillovers nutzen können.  

Literatur

Arvanitis Spyros, Mircea Luca, Seliger Florian und Martin Wörter (2018): «Spillovers» von Wissensaktivitäten im Ausland. Welche Effekte haben ausländische Wissens- und F&E-Aktivitäten Schweizer Unternehmen auf den F&E-Standort Schweiz? KOF Studie, Nr. 119
 

Kontakt

Prof. Dr. Martin Wörter
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE F 111
  • +41 44 632 51 51

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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