Arbeitsmarkt entwickelt sich positiv

Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt läuft es rund, die Arbeitslosenquote bleibt gemäss Prognose der KOF tief und sinkt sogar leicht. Unklar bleibt der Effekt der neu eingeführten Stellenmeldepflicht auf die Arbeitslosenquote.

Gemäss den revidierten Daten der Beschäftigungsstatistik des Bundesamts für Statistik (BFS) hat der Schweizer Arbeitsmarkt das erwartet starke erste Halbjahr hingelegt. Saisonbereinigt schufen die Firmen in der Schweiz seit Ende letzten Jahres 47 000 neue vollzeitäquivalente (VZÄ) Stellen. Die meisten dieser Stellen wurden im Dienstleistungssektor geschaffen: Kräftig wuchsen etwa das Gastgewerbe und die Beherbergung, die freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen und das Gesundheits- und Sozialwesen. Auch die Uhrenindustrie schuf viele neue Stellen. Die Erwerbstätigenstatistik, die vierteljährlich vom BFS auf Basis der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) errechnet wird, zeichnet zwar ein leicht weniger euphorisches Bild vom Schweizer Arbeitsmarkt im vergangenen Halbjahr. Aber auch gemäss diesen Daten stieg die Zahl der Erwerbstätigen seit Ende des letzten Jahres saisonbereinigt um knapp 33 000 Personen.

Die kurzfristigen Aussichten für den Arbeitsmarkt bleiben positiv. Die meisten in der Schweiz relevanten Arbeitsmarktindikatoren deuten auf eine weiterhin grosse Bereitschaft der Firmen hin, Stellen zu schaffen. So überstieg der KOF Beschäftigungsindikator im August 2018 fünf Punkte. Diesen Wert hatte der Indikator zuletzt vor mehr als sieben Jahren übertroffen. Ein Anstieg auf recht hohem Niveau verzeichnete auch der Beschäftigungsindikator des BFS, der ebenfalls auf Basis von Unternehmensbefragungen ermittelt wird. Gemäss dem Index der offenen Stellen des BFS schlug sich die Bereitschaft, neue Stellen zu schaffen, zuletzt auch in einer grossen Anzahl offener Stellen nieder. In ihrer Herbstprognose geht die KOF davon aus, dass sich das überdurchschnittliche Vorquartalswachstum der VZÄ-Beschäftigung über die nächsten vier Quartale fortsetzt (siehe G 6). Insgesamt rechnet die KOF für das laufende Jahr mit einem Wachstum der VZÄ-Beschäftigung im Vorjahresvergleich von 1.9%. Im kommenden Jahr dürfte das Wachstum 1.3% betragen. Für die Zahl der Erwerbstätigen prognostizieren wir 2019 ein Wachstum von +1.4%.

Beschäftigung

Sinkt nun auch die Arbeitslosigkeit gemäss ILO?

Trotz des beachtlichen Stellenwachstums der letzten Monate hat sich die Arbeitslosenquote in der Schweiz kaum zurückgebildet – zumindest gemäss den Zahlen der Erwerbslosenstatistik des BFS, welche nach den Standards der International Labor Organization (ILO) erhoben wird (siehe G 7). Die Quote der registrierten Arbeitslosen hat in den letzten Monaten stark abgenommen. Dafür verantwortlich sind zu einem beachtlichen Teil technische Umstellungen in der Erfassung von registrierten Arbeitslosen. Doch selbst wenn man diesen Sondereffekt rausrechnet, deuten die monatlichen Zahlen zur registrierten Arbeitslosigkeit auf eine Abnahme der Arbeitslosigkeit hin. Im Gegensatz dazu nahm die Arbeitslosenquote gemäss ILO in den letzten Monaten sogar ganz leicht zu. Wir rechnen damit, dass sich diese Diskrepanz in den nächsten Quartalen ausgleicht und auch die Arbeitslosenquote gemäss ILO etwas sinken wird. Allerdings erwies sich die ILO-Quote in den letzten Jahren als sehr persistent: Der Zusammenhang mit der konjunkturellen Entwicklung war recht gering und selbst in konjunkturell guten Phasen verharrte die Quote über 4%. Deshalb prognostizieren wir nur einen zurückhaltenden Rückgang der saisonbereinigten ILO-Arbeitslosenquote in den kommenden Quartalen. Wir gehen davon aus, dass diese von gegenwärtig 4.9% bis Ende Jahr auf ungefähr 4.5% sinken wird. Für 2019 rechnen wir mit einer durchschnittlichen Quote von 4.4%. Die Prognose der Quote der registrierten Arbeitslosigkeit beträgt für das kommende Jahr vergleichsweise tiefe 2.5%.

Arbeitslosenquote

Meldepflicht verdreifacht die Zahl der gemeldeten Stellen

Ein Unsicherheitsfaktor für diese Arbeitslosigkeitsprognosen stellt die neu eingeführte Stellenmeldepflicht dar. Seit Juli 2018 müssen Firmen, die Stellen in Berufen ausschreiben, deren Arbeitslosenquote 8% übersteigt, ihre Stellen bei der Stellenplattform der Schweizer Arbeitslosenversicherung melden. Die Stellen dürfen zudem während einer Karenzfrist von fünf Tagen nur auf dieser Plattform ausgeschrieben sein. Die Firmen müssen allfällige Dossiers von Arbeitslosen, welche sie von den regionalen Arbeitsämtern (RAV) zugeschickt erhalten, berücksichtigen und geeignete Kandidaten einladen. Zurzeit betrifft die Stellenmeldepflicht 19 Berufsgruppen, die vor allem im Baugewerbe, im Gastgewerbe, im Personalverleih und in der Landwirtschaft vertreten sind. Dies wird sich im Jahr 2020 ändern, wenn der Grenzwert auf eine Arbeitslosenquote von 5% sinken wird. Dadurch werden wesentlich mehr Stellenausschreibungen unter die Meldepflicht fallen.

Es wird sich bereits in den nächsten Quartalen zeigen, ob die Stellenmeldepflicht – wie erhofft – zu einer besseren Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials führt und die Arbeitslosigkeit in den betroffenen Berufen zu senken vermag. Ermutigend aus Sicht des Gesetzgebers ist, dass sich viele Firmen an die neue Meldepflicht zu halten scheinen. Die Zahl der bei den regionalen Arbeitsämtern gemeldeten offenen Stellen ist im Juli und im August im Vergleich zu den Vormonaten sprunghaft auf das beinahe Dreifache angestiegen (siehe G 8). Der Anstieg ist in der Tat sogar stärker als erwartet. Mangels empirischer Evidenz zur Stellenmeldepflicht und Erfahrungswerten mit einer solchen Massnahme aus anderen Ländern abstrahieren wir in unserer Prognose von möglichen Effekten der Stellenmeldepflicht auf die Arbeitslosenquote. Diese stellt daher – insbesondere für die Prognose im Jahr 2020, wenn die Stellenmeldepflicht umfassender sein wird – ein gewisses Prognoserisiko dar.

Offene Stellen

Kontakt

Dr. Michael Siegenthaler
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE G 301
  • +41 44 633 93 67

KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert