Abwärtsrisiken im Schweizer Wohnungsmarkt

Die meisten Schweizer wohnen lieber zur Miete als im Laufe ihres Lebens Wohneigentum zu erwerben. Nur 38% der schweizerischen Haushalte sind Eigenheimbesitzer, was der niedrigsten Wohneigentumsquote in ganz Europa entspricht. Ausserdem beträgt der Anteil an Einfamilienhäusern am Gesamtbestand aller Wohnimmobilien nur etwa ein Fünftel – Tendenz fallend. Die Ursachen dafür sind sowohl struktureller als auch zyklischer Natur. 

In diesem Artikel werden die wichtigsten fundamentalen Faktoren aufgezeigt, die jüngsten Entwicklungen, die zum Trend zum Mehrfamilienhausbau führen, beleuchtet und ein Ausblick auf den Wohnungsbau in der Schweiz für die nächsten Jahren gegeben.

Strukturelle Faktoren

Die niedrige Eigentumsquote in der Schweiz lässt sich nicht allein mit strukturellen Faktoren erklären. Allerdings gibt es durchaus Einflüsse, die die Entscheidung zu kaufen oder zu mieten, beeinflussen. Zunächst gibt es insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wenig steuerliche Anreize für den Kauf einer Wohnimmobilie. Zudem wird der sogenannte Eigenmietwert als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Einkommensteuer herangezogen. Ausserdem sind Mietwohnungen und -häuser aller Grössen und Lagen qualitativ hochwertig, sodass Mieten attraktiv ist. Nicht zuletzt können sich viele Haushalte aufgrund der hohen Immobilienpreise den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung trotz der aktuell günstigen Finanzierungskonditionen nicht leisten. Diese Faktoren sind nur ein Überblick der strukturellen Gründe und bei weitem nicht vollständig – Delbiaggio & Wanzenried (2010) führen beispielsweise weitere Gründe für die regionalen Unterschiede bei Wohneigentum an.

Zyklische Entwicklungen

Eine Reihe von politischen Massnahmen und ökonomischen Bedingungen verstärken den gegenwärtigen Trend zum Bau von Mehrfamilienhäusern. Ab 2012 wurden eine Reihe makroprudenzielle Massnahmen eingeführt, um das Hypothekargeschäft zu beruhigen und die Belastbarkeit des schweizerischen Bankensektors im Falle einer Immobilienblase oder einer Immobilienkrise zu stärken. Zu den Selbstregulierungsmassnahmen schweizerischer Banken gehören beispielsweise neue Mindestanforderungen zur Hypothekenfinanzierung wie die Tilgung eines Drittels der Hypothek innnerhalb von 20 Jahren (seit 2012), bzw. innerhalb von 15 Jahren (seit 2014), Eigenkapitalanforderungen in Höhe von 10% sowie die Beachtung des Niederstwertprinzips. Ferner aktivierte die Schweizerische Nationalbank 2013 den antizyklischen Kapitalpuffer in Höhe von 1% und erhöhte ihn 2014 auf 2%.

Die erwähnten Massnahmen wirken sich offenbar dämpfend auf das Hypothekargeschäft aus. Wie aus der Grafik hervorgeht, weitete sich die Hypothekenvergabe an Haushalte zwischen 2009 und 2013 im Vorjahresvergleich um 5-6% aus. Seit 2014 hat sich das Hypothekargeschäft deutlich beruhigt und erzielt Veränderungsraten von 3%, was erheblich unterhalb der durchschnittlichen Wachstumsrate der vergangenen 10 Jahren liegt - trotz der aktuell extrem günstigen Hypothekarzinsen. Es ist natürlich schwierig abzuschätzen, in wie weit Angebot, Nachfrage oder gar makroprudenzielle Massnahmen für die Verlangsamung des Hypothekargeschäfts verantwortlich sind. Makroprudenzielle Massnahmen haben aber mit Sicherheit einen gewissen Einfluss.

Bau

Das seit der Finanzkrise niedrige Zinsniveau in der Schweiz macht nicht nur Hypotheken erschwinglich, sondern macht auch Investitionen von institutionellen Investoren in den Immobilienmarkt attraktiv.. Angesichts der niedrigen oder gar negativen Erträge von Staatsanleihen sind institutionelle Anleger auf der Suche nach attraktive Investitionsmöglichkeiten für die reichlich verfügbare Liquidität. Die Renditedifferenz zwischen Immobilieninvestitionen und Staatsanleihen ist zwar gefallen, mit 3,6% im letzten Jahr aber immer noch beträchtlich. 2017 investierten die schweizerischen Pensionskassen 23% ihrer Portfolios in Immobilien (Credit Suisse Pension Fund Index). Als der Pension Fund Index 2003 eingeführt wurde, lag der Anteil noch bei 8%. In letzter Zeit sind Investoren bei der Auswahl ihrer Objekte jedoch immer vorsichtiger geworden, da es zu einer Preiskorrektur für Immobilien in der Peripherie und zu einem Angebotsüberhang kommen könnte.

Aus diesem Grund sieht die Schweizerische Nationalbank ein erhöhtes Risiko bezüglich der Kreditvergabe bezüglich Wohnrenditeliegenschaften. «Die Nationalbank [wird] die Entwicklungen am Hypothekar- und Immobilienmarkt weiterhin aufmerksam beobachten und wie bis anhin regelmässig prüfen, ob der antizyklische Kapitalpuffer angepasst werden soll.» (SNB, 2018). Bei steigenden Zinsen und einer scharfen Korrektur der Immobilienpreise stellen die umfangreichen Investitionen institutioneller Anleger in Mehrfamilienhäuser ein Risiko sowohl für den Bau von Wohnimmobilien als auch für den Schweizerischen Bankensektor dar.

Der Trend zum Bau von Mehrfamilienhäusern lässt sich auch an der Anzahl von Baubewilligungen ablesen. Grafik G 3 zeigt den gleitenden 24-Monate-Mittelwert der Baubewillingen für neue Mehrfamilienhäuser und Einfamilienhäuser seit 1994. Seit 2010 ist das Volumen der Baubewilligungen für Mehrfamilienhäuser auf durchschnittlich CHF 1'300 Mio. pro Monat gestiegen. Im Gegensatz dazu, weist das Volumen der Baubewilligungen von Einfamilienhäusern seit 2013 einen Abwärtstrend auf – kurz nach der Einführung der makroprudenziellen Massnahmen.

Bau

Ausblick des Wohnungsbaus

Der Wohnbausektor entwickelt sich in der Schweiz derzeit stabil, kann jedoch nicht an die hohen Wachstumsraten aus den Boomjahren 2008-2014 anknüpfen. Eine Normalisierung der Geldpolitik mit steigenden Zinsen ab 2019 wird den Wohnungsmarkt bremsen. Wir gehen deshalb aktuell von einer Abnahme der Wohnbauinvestitionen von -0.7% im Jahr 2019 und von -0,2% im Jahr 2020 aus. Der Markt ist langsam gesättigt und es könnte zu einem Angebotsüberhang kommen.

Der Trend hin zum Bau von Mehrfamilienhäusern wird sicherlich anhalten, wie aus der Anzahl der Baubewilligungen hervorgeht. Jedoch stellen die Investitionen institutioneller Investoren in den Schweizer Wohnungsmarkt ein Abwärtsrisiko dar.

Literatur

Delbiaggio, K.&G. Wanzenried (2010). Wohneigentum in der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 7-8

Raiffeisen Schweiz, Economic Research (2015). 20 Jahre Wohneigentumsboom: Wie weiter? Zürich.

Schweizerische Nationalbank (2018). Einführende Bemerkungen von Fritz Zurbrügg, 21. Juni 2018.

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