Der soziale Status der Berufsbildung in der Schweiz hat nicht abgenommen

Der soziale Status der Berufsbildung habe abgenommen, diesen Eindruck vermittelt oftmals die öffentliche Diskussion. Doch lässt sich dieser Eindruck empirisch untermauern? In einer neuen Studie zeigen Forscherinnen und Forscher der KOF mit PISA-Daten, dass die relativen kognitiven Fähigkeiten von angehenden Berufslernenden und Gymnasiastinnen/Gymnasiasten über die Zeit konstant geblieben sind. Dies deutet darauf hin, dass der soziale Status der Berufsbildung nicht abgenommen hat.

PISA-Kompetenzen als Grundlage der Messung

Zur Untersuchung der kognitiven Kompetenzen von Lernenden verwenden Thomas Bolli, Ladina Rageth und Ursula Renold Daten der internationalen Schulleistungsuntersuchungen externe SeitePISA der Jahre 2000, 2003, 2006, 2009 und 2012. Sie nutzen Daten von rund 50`000 Jugendlichen in der neunten Klasse, also vor der nachobligatorischen Schulzeit. Neben den durchschnittlichen Testresultaten des Leseverständnisses und der Mathematik stützen sich die Autorinnen auf Angaben der Jugendlichen, was sie nach der obligatorischen Schule machen wollen.

PISA-Kompetenz-Pyramide

Ähnlich wie eine Bevölkerungspyramide zeigt Grafik G 1 die Kompetenzverteilung von Lernenden anhand der PISA-Kompetenzen auf der vertikalen Achse. Diese Kompetenzen reichen von der tiefsten Punktzahl von 172 bis zur höchsten von 778. Die horizontale Achse stellt die Aufteilung der Lernenden auf die Berufslehre und das Gymnasium dar. Die blaue Fläche repräsentiert die Verteilung der angehenden Gymnasiastinnen/Gymnasiasten auf die verschiedenen PISA-Kompetenzen. Die rosa Fläche zeigt die Verteilung der PISA-Kompetenzen für die zukünftigen Berufslernenden. Die rote horizontale Linie visualisiert den Anteil der angehenden Gymnasiastinnen/Gymnasiasten von 40% bei 564 PISA-Punkten.

Von oben gelesen, zeigt Grafik G 1, dass sich Lernende mit den allerhöchsten PISA-Kompetenzen für ein Gymnasium entscheiden. Allerdings haben auch die besten Lernenden, die sich für eine Berufslehre entscheiden, sehr hohe PISA-Kompetenzen. Das bedeutet, dass auch Lernende mit sehr guten kognitiven Kompetenzen eine Berufslehre wählen. Grafik G 1 zeigt zudem, dass sich die beiden Verteilungen stark überschneiden. Folglich haben viele angehende Berufslernende PISA-Kompetenzen oberhalb der roten Linie. Dies wäre nicht der Fall, wenn sich die Lernenden mit den höchsten kognitiven Kompetenzen durchgehend für ein Gymnasium entscheiden würden.

Grafik 1
Daten: Gewichtete PISA-Daten für 2000, 2003, 2006, 2009, 2012 zu total 47`631 Neuntklässler/innen

Veränderung der Kompetenzdifferenz zwischen 2000 und 2012

Im nächsten Schritt analysieren die Forscher die Veränderung der relativen Kompetenzen von angehenden Gymnasiastinnen/Gymnasiasten und Berufslernenden zwischen 2000 und 2012 (siehe Grafik G 2). Um die Interpretation zu vereinfachen, wird für jedes Jahr der Mittelwert der durchschnittlichen Kompetenzen von angehenden Gymnasiastinnen/Gymnasiasten (blau) und Berufslernenden (rosa) dargestellt. Die roten Pfeile zeigen die Kompetenzdifferenz, welche zwischen 78 und 84 PISA-Punkten schwankt. Dies bestätigt, dass angehende Gymnasiastinnen/Gymnasiasten im Durchschnitt höhere kognitive Kompetenzen haben als angehende Berufslernende, dass der Unterschied gleichzeitig aber erstaunlich klein ist. Zudem zeigt Grafik G 2, dass sich die Kompetenzdifferenz zwischen 2000 und 2012 nicht verändert hat.

Grafik 2: Stabile Entwicklung der Kompetenzdifferenz über die Zeit
Daten: Gewichtete PISA-Daten für 2000, 2003, 2006, 2009, 2012 zu total 51`191 Neuntklässler/innen

Kompetenzdifferenz als Mass für den sozialen Status der Berufsbildung

Dieses Ergebnis kann man dahingehend interpretieren, dass der soziale Status der Berufsbildung nicht abgenommen hat, wie das oft in der öffentlichen Diskussion dargestellt wird. Dieses Mass für den sozialen Status der Berufsbildung kann auch für andere Vergleiche herbeigezogen werden. So analysieren Bolli, Rageth und Renold in der KOF Studie Nr. 110 den sozialen Status der Berufsbildung nach Geschlecht, Stadt-Land, Sprachregion sowie Bildungshintergrund und Herkunft der Eltern. Zudem analysiert KOF Working Paper Nr. 403, wie sich der soziale Status der Berufsbildung verändert, wenn im Ausland geborene Jugendliche länger in der Schweiz leben.

KOF Wirtschaftsforum 12. Juni 2018

Thema: Sozialer Status der Berufsbildung in der Schweiz

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