Die Frankensaga: Die Aufwertung des Frankens und deren Auswirkungen

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat in sechs externen Studien die Auswirkungen der Frankenaufwertung auf die Exportstruktur, Beschäftigung sowie Investitionen und F&E-Ausgaben untersuchen lassen. Unter diesen Studien waren auch drei KOF-Studien, die zeigen, wie die Frankenaufwertung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft, die Beschäftigung und die Preise in der Industrie, die Investitionen und Forschungs- und Entwicklungsausgaben von exportorientierten Firmen wirkt.

Frankensage
Quelle :  Tom Kawara / KOF

Geringe Auswirkungen auf Wettbewerbsfähigkeit

In einem grundlegenden Aufsatz untersuchen Peter H. Egger (KOF), Johannes Schwarzer (CEP – Council on Economic Policies) und Anirudh Shingal (World Trade Institute) die Auswirkungen der Frankenaufwertung auf die Beschäftigung in Schweizer Gemeinden in den Jahren 2001 bis 2014. In der Studie stehen drei zentrale Wirkungskanäle der Frankenaufwertung im Fokus: Erstens erhöht der starke Preisdruck durch ausländische Konkurrenten den Wettbewerbsdruck auf dem Inlandsmarkt. Zweitens erhöht sich der Wettbewerbsdruck für Exporteure auf dem Auslandsmarkt. Drittens reduziert sich der Wettbewerbsdruck auf heimische Anbieter am Inlands- und Auslandsmarkt durch eine Vergünstigung ausländischer Vorprodukte.

Theoretisch ist davon auszugehen, dass die ersten beiden Wirkungskanäle zu einer Verdrängung der in- und ausländischen Nachfrage nach Schweizer Produkten und Dienstleistungen führen, während der dritte Kanal sich gegensätzlich – also positiv für die Schweizer Wirtschaft – auswirkt. Wie sich die drei Kanäle netto auswirken, hängt davon ab, wie stark die ausländische Nachfrage auf die Preisänderungen der Schweizer Produkte reagiert, wie die Preisänderung den Konsum ausländischer Produkte beeinflusst und wie intensiv ausländische Vorprodukte in der heimischen Industrie verwendet werden.

Eine summarische Betrachtung der Beschäftigungsentwicklung der über 2200 Schweizer Gemeinden bestätigt die genannten Zusammenhänge für den Zeitraum 2001 bis 2014 allerdings nicht: Betrachtet man die mediane Veränderung, war die Beschäftigungszahl nur in der Periode 2001 bis 2005 rückläufig, einer Periode von relativer Währungsstabilität. Allerdings verdeckt die summarische Betrachtung die internationale Verflechtung der lokalen Wirtschaft. Wird ein handelsgewichteter, gemeindespezifischer Wechselkurs verwendet, bestätigen sich die oben genannten Hypothesen: Die Beschäftigung beim ersten Wirkungskanal sinkt um 1,1 Prozentpunkte. Beim zweiten Wirkungskanal nimmt sie um 1,2 Prozentpunkte ab. Demgegenüber steigt die Beschäftigung beim dritten Wirkungskanal aufgrund günstigerer Vorleistungen aus dem Ausland um mehr als 2,1 Prozentpunkte.

Insgesamt schlugen die Wechselkursänderungen zwischen 2001 und 2014 im Durchschnitt der Schweizer Gemeinden mit Beschäftigungsverlusten von etwa 0,14 Prozentpunkten zu Buche. Billigere Vorleistungen aus dem Ausland federten den Wettbewerbsdruck auf die Exporte mehr als ab. Der Frankenschock muss demnach differenziert betrachtet werden: Nicht nur die Exporte waren von der Aufwertung betroffen, sondern auch die Importe. Allerdings endet die Untersuchung im Jahr 2014, das heisst, die Auswirkungen des Frankenschocks vom Januar 2015 sind nicht enthalten, dies ist hingegen in den beiden anderen KOF-Studien der Fall.

Negative Auswirkungen auf die Industrie

In einer zweiten KOF-Studie untersuchen Daniel Kaufmann (Universität Neuenburg und Forschungsprofessor an der KOF) und Tobias Renkin (Universität Zürich und KOF) nämlich die Auswirkungen des «Frankenschocks» vom 15. Januar 2015 auf Preise und Beschäftigung in der Industrie. So zeigt die Studie, dass die Preise von Produkten, die auf dem Inlandsmarkt verkauft wurden, sowie die Exportpreise, die in Schweizer Franken gesetzt waren, nur leicht sanken. Dagegen sanken die Exportpreise, die in Euro gesetzt waren, sowie auch die Importpreise schneller und stärker (gemessen in Schweizer Franken). Ein Grund für diese unterschiedliche Entwicklung liegt darin, dass sich Preise in derjenigen Währung, in der sie gesetzt wurden, kaum veränderten. Dies ist ein Hinweis auf sogenannte Preisrigiditäten.

Bei der Analyse der Auswirkungen auf die Beschäftigung zeigt sich, dass die Industrieunternehmen die Zahl der Beschäftigten zwei Jahre nach der Aufwertung um mehr als 4% reduziert haben. Der graduelle Rückgang der Beschäftigung ging mit einer sofortigen Reduktion der offenen Stellen einher. Daher reduzierten die Unternehmen die Beschäftigung in erster Linie über natürliche Fluktuation und nicht mittels grösserer Entlassungen. Die Autoren finden hingegen keine Hinweise darauf, dass vor allem Sektoren oder Firmen mit tiefer Produktivität von der Aufwertung betroffen waren. Dies spricht gegen die These, dass der Aufwertungsschock vor allem zu einer Beschäftigungsreduktion in unproduktiven Firmen führt und daher eine Erhöhung der durchschnittlichen Produktivität verursachen könnte.

Negative Auswirkungen auf Forschungs- und Entwicklungsausgaben

Die Produktivität war auch Untersuchungsgegenstand der dritten KOF-Studie, die daneben insbesondere die Auswirkungen der Aufwertung auf Forschungs- und Entwicklungsausgaben, Investitionen und Unternehmensdemografie untersuchte. Um die Zusammenhänge zu untersuchen, nutzt das Autorenteam Boris Kaiser (B,S,S.), Michael Siegenthaler, Andrin Spescha und Martin Wörter (alle KOF) aus, dass es von der sogenannten Nettoexponiertheit, d. h. der Differenz zwischen Export- und Importanteil am Umsatz, abhängt, wie sich eine Aufwertung auf die Innovations- und Investitionstätigkeit einer Firma auswirkt.

Die Autoren schätzen, dass der Frankenschock anfangs 2015 die Investitionen von Firmen mit positiver Nettoexponiertheit 2015 und 2016 im Durchschnitt um rund 12 bis 15% senkte. Exponierte Firmen fuhren sowohl die Investitionen in Bau und Ausrüstung wie auch in Forschung und Entwicklung (F&E) zurück. Stark betroffen waren insbesondere mittlere und grosse Investitionsprojekte kleiner und mittelgrosser Firmen. Dass Wechselkursschwankungen einen starken negativen Einfluss auf die F&E-Ausgaben exponierter Firmen haben, bestätigt sich auch in einer Analyse anhand mehrerer KOF Innovationserhebungen über einen Zeitraum von zwanzig Jahren (1996–2015). Unternehmen mit einer durchschnittlichen Nettoexponiertheit senken ihre F&E-Ausgaben beispielsweise um 17%, wenn sich der Franken um 10% aufwertet. Das heisst: Das Wachstum der F&E-Ausgaben in der Schweiz wäre in den letzten Jahren höher ausgefallen, wenn der Frankenschock nicht stattgefunden hätte.

Insgesamt zeigen die Untersuchungen, dass Frankenaufwertungen sowohl Investitionen wie auch F&E-Ausgaben in exponierten Firmen kurzfristig stark belasten. Mittelfristig dürfte die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Firmen darunter leiden. Der negative Effekt von Aufwertungen auf F&E-Ausgaben zeigt sich vor allem bei grossen, international exponierten Firmen. Da dieses Firmensegment von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, könnten längere Aufwertungsphasen somit die Attraktivität des Standorts Schweiz beeinträchtigen. Da insbesondere das Verarbeitende Gewerbe überdurchschnittlich exponiert ist, dürften längere Aufwertungsphasen zudem die Deindustrialisierung beschleunigen.

Kontakt

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Dr. Michael Siegenthaler
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