Idealtypen von Berufsbildungsgängen

Im Gegensatz zu Allgemeinbildungsgängen bereitet die Berufsbildung die Jugendlichen auf einen direkten Einstieg ins Berufsleben vor. Trotz eines gemeinsamen Ziels existieren weltweit grosse Unterschiede zwischen Berufsbildungsgängen. Bisher gibt es jedoch nur wenige Anhaltspunkte dazu, wie Berufsbildungsgänge international verglichen werden können. Insbesondere fehlt es an theoriegestützten und gleichzeitig empirisch anwendbaren Ansätzen für einen solchen Vergleich.

Berufsbildungsgänger
Quelle: Shutterstock

Typologien bringen Ordnung in die Vielfalt

Eine in den Sozialwissenschaften weitverbreitete Methode, um Ordnung in eine Vielfalt von Untersuchungsgegenständen zu bringen, sind Typologien. Allerdings gibt es wenige Ansätze dazu, wie eine nachvollziehbare und theoretisch fundierte Typologie gebildet wird. Ladina Rageth und Ursula Renold haben deshalb einen Ansatz zur systematischen und theoriegestützten Erarbeitung von Typologien entwickelt und auf Berufsbildungsgänge angewendet. Dabei argumentieren sie, dass jede Typologie auch einen erklärenden Anspruch hat. So geht es nicht nur darum, Gruppen von verschiedenen Berufsbildungsgängen zu bilden, sondern Typologien sollen auch zum Verständnis eines interessierenden Phänomens beitragen; in ihrem Fall ist dies die erfolgreiche Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt.

Eine Typologie wird anhand mindestens einer Dimension gebildet, die zum Vergleich der verschiedenen Untersuchungsgegenstände beigezogen wird. Für die vorliegende Typologie von Berufsbildungsgängen wurde eine Dimension identifiziert, die zum Verständnis beiträgt, weshalb verschiedene Typen von Berufsbildungsgängen die Jugendlichen unterschiedlich gut auf den Arbeitsmarkt vorbereiten.

Bedeutung der Koppelung von Bildungssystem und Beschäftigungssystem

Ein Standbein der Typologie von Rageth und Renold ist die starke theoretische und konzeptionelle Grundlage. Die soziologische Systemtheorie liefert dabei die Erklärung, weshalb die Koppelung zwischen Akteuren des Bildungssystems und des Beschäftigungssystems eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Berufsbildungsgänge ist. Die Intensität dieser Koppelung bestimmt, ob Berufsbildungsgänge sowohl den Bedürfnissen des Bildungssystems als auch denjenigen des Beschäftigungssystems gerecht werden. So werden in der Berufsbildung Lernende mit denjenigen Qualifikationen ausgestattet, die für einen direkten Einstieg ins Berufsleben nötig sind und gleichzeitig Zugang zu einer weiteren Bildungskarriere ermöglichen. Dieser doppelte Anspruch ist es auch, was Berufsbildungsgänge vom reinen Training am Arbeitsplatz, wie beispielsweise in Arbeitsmarktintegrationsprogrammen, unterscheidet.

Die Koppelung von Akteuren der Bildungs- und Beschäftigungssysteme bildet somit die Vergleichsdimension ihrer Typologie. Für die Identifikation empirischer Realtypen haben Rageth und Renold diese Dimension weiter hinuntergebrochen – bis hin zu den konkreten Situationen im Bildungsprozess, in welchem sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Arten von Akteuren sowie deren Entscheidungskompetenzen beobachten lässt (siehe dazu die Beiträge zum KOF Education-Employment Linkage Index im KOF Bulletin Nr. 100 vom Okt. 2016 und in Die Volkswirtschaft 12/2016). In der Schweiz beispielsweise gründet die Berufsbildung auf einer starken Koppelung der beiden Arten von Akteuren in allen Phasen des Bildungsprozesses, das heisst in der Definition, Umsetzung und Aktualisierung des Lehrplans.

Drei Idealtypen von Berufsbildungsgängen

Vor der Erarbeitung von empirischen Realtypen umfasst der methodische Ansatz die Herleitung von Idealtypen. Idealtypen befinden sich an den äussersten Extremen der Vergleichsdimension und sind damit in der Realität nicht auffindbar. Rageths und Renolds erster Idealtyp umfasst Berufsbildungsgänge, in denen beide Arten von Akteuren in allen Phasen des Bildungsprozesses mitwirken. Beim zweiten und dritten Idealtyp im anderen Extremfall hat entweder das Bildungssystem oder das Beschäftigungssystem die alleinige Gestaltungsmacht. Während allein vom Bildungssystem gesteuerte Berufsbildungsgänge daran scheitern, ihre Lernenden auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, können allein vom Beschäftigungssystem gesteuerte Berufsbildungsgänge den Lernenden keinen Zugang zu einer weiteren Karriere im Bildungssystem bieten.

Es ist geplant, diese Idealtypen als Vergleichsmassstab für die empirischen Realtypen zu verwenden. Dadurch sollten Aussagen möglich werden, an welchen Stellen des Bildungsprozesses eine stärkere Koppelungsintensität zu einer erhöhten Jugendarbeitsmarktintegration beitragen könnte.

Dieses Projekt wird finanziell von der Gebert Rüf Stiftung unterstützt.

Das KOF Working Paper Nr. 432 «The Linkage Between the Education and Employment Systems: Ideal Types of Vocational Education and Training Programs» von externe SeiteUrsula Renold und Ladina Rageth finden Sie hier.

Kontakt

Keine Datenbankinformationen vorhanden

Kontakt

Keine Datenbankinformationen vorhanden

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert