Verbessert die berufliche Grundbildung die Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt?

Nach der Finanzkrise verschlechterte sich die Arbeitsmarktsituation für Jugendliche in vielen Ländern substanziell. Um die Situation zu verbessern, wuchs das politische Interesse an Berufsbildungsgängen enorm. Allerdings weiss man noch zu wenig darüber, wie sich die berufliche Grundbildung auf die Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. Diese Lücke versuchen die Autoren einer neuen KOF Studie zu schliessen.

Quelle: Shutterstock
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Zuallererst: Was ist berufliche Grundbildung?

Auf der Sekundarstufe II werden unter Berufsbildung alle Bildungsgänge verstanden, welche die Lernenden auf den Übergang ins Berufsleben vorbereiten und deshalb mehr als 25% berufs-spezifische Inhalte vermitteln. Im Gegensatz dazu bereitet die Allgemeinbildung, wie beispielsweise das Gymnasium, die Lernenden auf eine akademische Ausbildung vor. Im Allgemeinen werden zwei Arten von Berufsbildungsgängen unterschieden. In der schulischen Berufsbildung findet die Ausbildung hauptsächlich in der Schule statt. Wenn jedoch mehr als 25% der Bildungsinhalte im Betrieb vermittelt werden, spricht man von einer dualen Berufsbildung, die in der Schweiz Berufslehre genannt wird.

Basierend auf dieser Definition, misst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Verteilung der Lernenden auf die Allgemeinbildung, schulische Berufsbildung und duale Berufsbildung für 35 Länder über den Zeitraum von 2004 bis 2014. Allerdings wird die grosse Heterogenität von Bildungssystemen in Bezug auf weitere Dimensionen, wie zum Beispiel unterschiedliche Berufe oder Qualitätsstandards, hierbei nicht abgebildet.

Wie kann man die Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt messen?

Um die Komplexität der Situation auf dem Jugendarbeitsmarkt zu erfassen, verwenden die Autoren in ihrer Untersuchung eine Vielzahl von Indikatoren. Diese beziehen sich einerseits auf die Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel die Arbeitslosenquote, und andererseits auf deren Anstellungsbedingungen, zum Beispiel Temporärarbeit und Einkommen.

Wie beeinflusst Berufsbildung die Situation von Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt?

Der Studie liegt die Hypothese zugrunde, dass ein steigender Anteil von Lernenden in der Berufsbildung die Situation der Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Zudem wird vermu-tet, dass die duale Berufsbildung dank der starken Gewichtung der Ausbildung im Betrieb besser abschneidet als die schulische Berufsbildung. Allerdings benötigt die Wirtschaft nicht nur Abgänger mit Berufsbildung, sondern auch solche mit einer Allgemeinbildung. Dies führt zu einer gewissen Komplementarität von Allgemeinbildungs- und Berufsbildungsgängen auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb untersuchen Bolli, Oswald-Egg und Rageth auch, ob die positiven Auswirkungen der Berufsbildung mit steigendem Anteil Lernender in den jeweiligen Berufsbildungsgängen abnehmen.

Entgegen den Erwartungen verschlechtert mehr schulische Berufsbildung die Arbeitsmarktintegration von Jugendlichen. Auch wenn sich die Qualität der Anstellungsbedingungen nicht generell verschlechtert, weisen die Ergebnisse darauf hin, dass schulische Berufsbildungsgänge die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts nicht befriedigend abdecken können. Ursächlich könnte sein, dass in diesen Bildungsgängen die Ausbildung im Betrieb fehlt, bei der die Jugendlichen ihre beruflichen Kompetenzen in der Praxis anwenden und Sozialkompetenzen wie zum Beispiel Teamfähigkeit erwerben können.

Ein anderer Grund könnte sein, dass der schulischen Berufsbildung möglicherweise die Zusammenarbeit zwischen dem Bildungssystem und den Arbeitgebern fehlt, was zu veralteten Ausbildungsstandards führen kann. Folglich ist die schulische Berufsbildung kein Allheilmittel, sondern deren Ausgestaltung und Qualität spielen eine erhebliche Rolle. Dies zeigt sich auch daran, dass die negativen Auswirkungen der schulischen Berufsbildung in Ländern mit einem hohen Anteil an schulischer Berufsbildung nicht vorhanden sind. Das deutet darauf hin, dass die Ausgestaltung und Qualität der schulischen Berufsbildung in diesen Ländern besser ist.

Im Gegensatz dazu scheint der hohe Anteil an betrieblicher Ausbildung in der dualen Berufsbildung die Jugendlichen optimal auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Sowohl die Integration in den Arbeitsmarkt als auch die Qualität der Anstellungsbedingungen verbessern sich, wenn der Anteil Lernender in der dualen Berufsbildung zunimmt. Allerdings zeigen die Ergebnisse, dass die positiven Auswirkungen der dualen Berufsbildung mit höheren Anteilen abnehmen. Dies bestätigt die Hypothese, dass die Wirtschaft eine optimale Kombination von Arbeitskräften mit unterschiedlichen Fähigkeiten benötigt, welche sich gegenseitig ergänzen.

Dieses Projekt wurde von der externe SeiteGebert Rüf Stiftung finanziell unterstützt.

Eine längere Version dieses Beitrags ist in den KOF Analysen, 2017, Nr. 1, Frühjahr erschienen.

Das KOF Working Paper No. 429 «Meet the need – The role of vocational education and training for the youth labour market» von Thomas Bolli, Maria Esther Oswald-Egg und Ladina Rageth finden Sie unter: externe Seitehttp://dx.doi.org/10.3929/ethz-a-010869230.

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