Kann die Entwicklung des Finanzsektors die Unterschiede bei den Regeln zur Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen erklären?

Die Verwendung firmeninterner Kredite, vergeben von einer Tochter in einem Niedrig- an eine andere Tochter in einem Hochsteuerland, ermöglicht es multinationalen Konzernen, Gewinne von Hochsteuer- in Niedrigsteuerländer zu verschieben, da Zinszahlungen auf Fremdkapital, im Gegensatz zu Eigenkapital, in der Regel steuerlich abzugsfähig sind. In einem neuen Papier erläutert Mohammed Mardan länderübergreifende Unterschiede in den Regeln zur Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen.  

Die BEPS-Initiative der OECD

In der Folge der globalen Finanzkrise mussten viele Regierungen geringere Steuereinkünfte und höhere Verschuldung bewältigen. In dieser Zeit lebte die Diskussion über die Besteuerung von multinationalen Konzernen in den Regierungsausschüssen und in der Öffentlichkeit wieder auf. Auslöser für die öffentliche Debatte waren hauptsächlich Global Player wie Apple, Google und Starbucks, die kaum Körperschaftssteuern zahlten. In ihrem BEPS-Bericht («Base Erosion and Profit Shifting») bestätigt die OECD, dass Gewinnverlagerung ein großes Problem darstellt, welches die Integrität des Körperschaftssteuersystems korrumpiert. Die OECD nennt die Nutzung firmeninterner Kredite als eine der Hauptursachen der geringen Körperschaftssteuereinnahmen vieler Hochsteuerländer. Eine der Maßnahmen (Maßnahme 4) im OECD-Abschlussbericht verlangt bewährte Verfahren beim Aufstellen von Vorschriften zur Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen, um eine Erosion der Besteuerungsgrundlage durch Nutzung interner Zinsaufwendungen zu verhindern.

Länderübergreifende Unterschiede bei den Regeln zur Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen

Zweck dieser Regeln ist die Einschränkung multinationaler Unternehmen bei der Verlagerung ihrer Gewinne aus Hochsteuer- in Niedrigsteuerländer. In der Praxis variieren diese Regeln  in zwei Aspekten: Grosszügigkeit und Typ. Regeln zur Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen werden üblicherweise in Form einer Safe-Haven-Regel, die einen Steuerabzug der Zinsaufwendungen an Tochtergesellschaften gestattet, falls der tatsächliche interne Verschuldungsgrad einen festgelegten Verschuldungsgrad nicht überschreitet, eingeführt. Tabelle 1 zeigt ein klares Muster zwischen der Entwicklung des Finanzsektors und der Strenge dieser Regeln. Während Länder mit einem schlecht entwickelten Finanzsektor im Schnitt höhere Abzüge erlauben, nimmt diese Grosszügigkeit ab je besser der Finanzsektor entwickelt ist.

Zudem haben kürzlich einige Länder beschlossen, ihrer Regeln zu verschärfen, indem sie zu einer Zinsschrankenregelung übergingen, die eine steuerliche Abzugsfähigkeit nur dann gestattet, wenn die internen Zinsaufwendungen der Tochterfirma einen bestimmten Prozentsatz der Ergebnisse vor Zinsen, Steuern und Abschreibung auf Sachanlagen und Vermögenswerten (EBITDA) nicht überschreiten. Interessanterweise geschah dies nur in Ländern mit hochentwickeltem Finanzsektor.

Entwicklung des Finanzsektors und Gestaltung der Regel

Sofort drängt sich die Frage auf, welche Rolle die Entwicklung des Finanzsektors bei der Erklärung dieser Muster spielt. Warum sind insbesondere Länder mit einem schlechter entwickelten Finanzsektor grosszügiger bei der Abzugsfähigkeit, und warum sind Länder mit hoch entwickeltem Finanzsektor eher geneigt, eine Zinsschrankenregelung einzuführen?

Die Antwort auf die erste Frage basiert auf der Tatsache, dass Länder mit schlechter entwickeltem Finanzsektor dadurch gekennzeichnet sind, dass Firmen einen schlechteren Zugang zu externem Fremdkapital haben. Dies führt zu der Notwendigkeit, interne Geldquellen zur Finanzierung der Investitionen zu finden. Da eine Verbesserung des Zugangs zu externem Fremdkapital kurzfristig nicht möglich ist, können Regierungen von Ländern mit schlechter entwickelten Finanzsektoren grosszügigere Abzugsfähigkeiten für interne Zinsaufwendungen zulassen, um den Einsatz von internem Fremdkapital zu fördern und Investitionen auch kurzfristig zu unterstützen.

Die Antwort auf die zweite Frage liegt in der unterschiedlichen Gestaltung zwischen der Zinsschrankenregelung und der Safe-Haven-Regelung. Während letztere nur die Höhe des internen Verschuldungsgrads regelt, beschränkt erstere den Wert der internen Zinsaufwendungen. Eine Zinsschrankenregelung beschneidet daher Gewinnverlagerungsmöglichkeiten effektiver, führt jedoch zu höheren Kosten für internes Fremdkapital mit der Folge verringerter Investitionen. Unternehmen in Ländern mit hochentwickeltem Finanzsektor haben jedoch guten Zugang zu externen Finanzierungsquellen, sodass der negative Investitionseffekt einer strengeren Regelung zur Abzugsfähigkeit von internen Zinsaufwendungen gering ist. Letztendlich interessiert diese Länder nur die Vermeidung der Erosion der Besteuerungsgrundlage, die durch Anwendung einer Zinsschrankenregelung wirksamer bekämpft werden kann.

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