Determinanten der Inflation im Euroraum

Jüngst zogen die Inflationsraten im Euroraum an. Die Kernrate der Inflation ist aber weiterhin niedrig. Für ein besseres Verständnis der Inflationsdynamik hat die KOF ein Modell entwickelt. Dieses zeigt, dass vor allem der Rückgang des Ölpreises die Inflationsentwicklung der vergangenen Jahre bestimmt hat. Die Kernrate dürfte im Zuge der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum und dem Wegfall von Zweitrundeneffekten der Energiepreisrückgänge ebenfalls wieder zulegen.

Die Inflation in der Eurozone lag im 1. Quartal 2017 knapp unter 2 Prozent.
Die Inflation in der Eurozone lag im 1. Quartal 2017 knapp unter 2 Prozent.

Die Verbraucherpreise im Euroraum legten in den vergangenen Monaten wieder kräftig zu. Im 1. Quartal 2017 betrug die Inflationsrate durchschnittlich 1.8% und lag damit bereits wieder in der Nähe des mittelfristigen Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von nahe bei, aber unter 2%. Im 4. Quartal 2016 hatte die Inflationsrate noch bei 0.8% gelegen. Der Anstieg geht zu einem erheblichen Teil auf die Schwankungen des Rohölpreises in den vergangenen zwölf Monaten zurück. Öl war im 1. Quartal mit durchschnittlich 55 US-Dollar je Barrel (Brent) zwar nur halb so teuer wie vor dem Preiseinbruch vor gut zweieinhalb Jahren, sein Preis lag aber um 55% über dem Wert im 1. Quartal 2016. Dies schlägt gegenwärtig weltweit auf die Raten der Verbraucherpreisinflation durch. Wenn der Ölpreis aber in nächster Zeit nicht nochmals stark steigen wird, verliert sich im weiteren Verlauf des Jahres sein Einfluss auf die weltweite Teuerung.

Hinter der zuletzt höheren inflationären Dynamik steckt jedoch nicht nur der Ölpreiseffekt, sondern auch die anziehende Weltkonjunktur. Die stärkere Nachfrage ist wohl eine wichtige Ursache für den Anstieg der Preise für Rohöl und sonstige Industrierohstoffe. Der Preisdruck für andere Güter dürfte sich konjunkturbedingt aber ebenfalls erhöhen. Die Kerninflation, also das Inflationsmass ohne Berücksichtigung der Preisänderungen von Energie und unverarbeiteten Lebensmitteln, ist bisher allerdings kaum gestiegen. Sowohl im 4. Quartal 2016 als auch im 1. Quartal 2017 lag ihre Rate bei 0.8%.1 Vor dem Hintergrund einer steigenden Auslastung der Produktionskapazitäten und eines Anstiegs der mittelfristigen Inflationserwartungen im Euroraum, den zwei wichtigsten Bestimmungsgrössen der Inflation laut der neukeynesianischen Phillipskurve, ist die geringe Kerninflationsdynamik überraschend.2

KOF Inflationsmodell

Zum besseren Verständnis der Inflationsdynamik im Euroraum verwendet die KOF ein Inflationsmodell auf Basis der neukeynesianischen Phillipskurve, das eine Variation der geschätzten Parameter über die Zeit hinweg zulässt.3 Dieses Modell wird auf Basis von Daten der Jahre 1999 bis 2017 (1. Quartal) geschätzt. Dabei wird die Kernrate der Inflation durch die heutige Erwartung über die zukünftige Kerninflation, den gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Auslastungsgrad und die Vorjahresveränderungsrate des wechselkursadjustierten Ölpreises erklärt. In der dargestellten Variante werden für die Kerninflationserwartungen die Prognosen für die Euroraum-Inflation in zwei Jahren aus dem Survey of Professional Forecasters der EZB verwendet, in denen die unmittelbaren Effekte vergangener Energiepreis- und Nahrungsmittelpreisfluktuationen vermutlich keine Rolle mehr spielen.

Für den Auslastungsgrad im Euroraum werden die Potenzialschätzungen der Europäischen Kommission herangezogen. Die volatile Energiepreiskomponente wird separat mittels eines Regressionsmodells mit zeitvariierenden Parametern geschätzt. Zusammen mit den Nahrungsmittelpreisen kann so die Preisveränderung des gesamten Warenkorbs dargestellt werden. Die separate Schätzung ist vorteilhaft, da die Entwicklung der Energiepreise anderen Gesetzmässigkeiten folgt als jene der Kerninflation. So beeinflussen Fluktuationen des Ölpreises die Kerninflation unmittelbar relativ wenig, aber wegen sogenannter Zweitrundeneffekte unter Umständen mit einer gewissen Verzögerung; hingegen ist der Einfluss auf die Energiekomponente und entsprechend auch die Gesamtinflation durch Ölpreisveränderungen kurzfristig relativ stark.

Inflationsmodell Euroraum der KOF

Rückgang der Inflation vor allem infolge des Ölpreises

Zwischen Ende 2011 und Mitte 2015 sank die Inflationsrate von 2.8% auf etwas unter 0%. Massgeblich hierfür waren gemäss den Modellergebnissen die Entwicklung des Ölpreises (siehe G 5). Dieser wirkte sowohl direkt über die Energiepreiskomponente als auch indirekt über die Kerninflation. Zusätzlich wirkte die geringe Kapazitätsauslastung ab 2013 zunehmend preisdämpfend. Seit 2015 schliesst sich die Produktionslücke im Euroraum langsam, wodurch der preisdämpfende Effekt schrittweise kleiner wird. Am aktuellen Rand wirkt er allerdings noch immer dämpfend. Weit wichtiger für die geringe Dynamik der Kernrate sind aber die Inflationserwartungen. Zum einen waren die zweijährigen Inflationserwartungen rückläufig, zum anderen wurde der Zusammenhang zwischen der realisierten Inflation und den Erwartungen schwächer. Zwischen Ende 2012 und Mitte 2015 gehen allein 0.6 Prozentpunkte hierauf zurück. Die Entkopplung der Inflationserwartungen von der realisierten Inflation stabilisierte sich zuletzt aber wieder.

Die Gesamtinflation wird jedoch vor allem durch die Entwicklung der Energiepreise getrieben. Diese zogen die Inflation im Jahr 2015 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2016 deutlich nach unten. Gegen Ende des vergangenen Jahres lief dieser Effekt aus, was den sprunghaften Anstieg der Inflationsraten in den vergangenen Monaten erklärt. Dabei war die direkte Wirkung des Ölpreises auf die Gesamtinflation im 4. Quartal 2016 und im 1. Quartal 2017 bereits positiv, während dies für die indirekten Wirkungen über die Kerninflation noch nicht der Fall war.

Die Analyse der jüngeren Inflationsentwicklung legt den Schluss nahe, dass die niedrigen Inflationsraten in den vergangenen Jahren vor allem eine Folge des Rückgangs der Ölpreise waren. Die Kernrate der Inflation ist derzeit durch die noch geöffnete Produktionslücke und nachwirkende Effekte der Energiepreise gedämpft. Mit zu erwartender steigender Kapazitätsauslastung und dem Wegfall der nachwirkenden Effekte dürfte auch die Kerninflation wieder stärker zulegen.

(1) Der jüngste Rückgang im März 2017 von 0.9% auf 0.7% ist auf einen Kalendereffekt zurückzuführen. Während Ostern im vergangenen Jahr auf den März fiel, lagen die Feiertage in diesem Jahr im April. Das führte bei den Preisen für Pauschalreisen im Vorjahresvergleich zu einem deutlichen Rückgang. Im April dürfte dies zu einem deutlichen Anstieg der Preise für Pauschalreisen im Vorjahresvergleich führen.

(2) Vgl. z. B. Galí, J. (2015): Monetary Policy, Inflation, and the Business Cycle: An Introduction to the New Keynesian Framework and Its Applications, Princeton University Press, 2. Edition.

(3) Vgl. KOF Analysen Herbst 2014.

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