Arbeitsstelle ohne Berufserfahrung?

Immer häufiger erwarten Unternehmen bei Stellenausschreibungen von Hochschulabsolventen erste Berufserfahrungen. Doch wie lassen sich diese erzielen und welche Art von Erfahrungen helfen tatsächlich, um eine Stelle zu erhalten? Wenig Erfolg versprechend erscheinen insbesondere Berufserfahrungen aus einem Praktikum im Ausland oder aus Freiwilligenarbeit, wie eine Untersuchung der KOF zeigt.

Eine Ausbildung gilt als Garant für den späteren Berufserfolg. Doch der Übergang vom Studium ins Berufsleben ist nicht ohne Hindernisse. Hochschulabsolventen empfinden insbesondere die fehlende Berufserfahrung als grösstes Hindernis bei ihrer Stellensuche nach dem Studium. Das lässt sich zumindest aus der zweijährlich durchgeführten Absolventenbefragung des Bundesamtes für Statistik ablesen (Koller & Rüber, 2014). Der Stellenmarktmonitor der Universität Zürich erfasste ebenfalls eine verstärkte Nachfrage nach Berufserfahrung in den Stelleninseraten (siehe G 5). Im Jahr 2014 wurden in etwa 70% der ausgeschriebenen Stellen Berufserfahrung verlangt und der Trend ist steigend.

Diese Entwicklung geht einher mit einer gesteigerten Nachfrage nach tertiärer Ausbildung (das heisst höhere Berufsbildung und Hochschulbildung) und Zusatzausbildung sowie nach Soft Skills. Bringen neue Angestellte Berufserfahrung mit, reduziert sich deren Einarbeitungszeit und auch deren Einstellungskosten. Somit arbeiten Studenten nicht mehr nur, um ihre finanzielle Situation zu verbessern, sondern gleichzeitig, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen.

Nachfrage nach Berufserfahrung

Welche Gelegenheiten haben Hochschulabsolventen, um Berufserfahrung zu sammeln?

Grob umrissen, können Hochschulabsolventen auf sieben unterschiedliche Arten Berufserfahrung sammeln (siehe G 6). Vor dem Studium ergeben sich zwei Möglichkeiten: Schüler, die sich für eine Berufslehre entscheiden, sammeln während ihrer Lehrzeit Berufserfahrung. Die zweite Möglichkeit, Erwerbstätigkeit vor dem Studium, erfasst Absolvierende des Gymnasiums, welche in eine Fachhochschule eintreten wollen und dazu ein „Arbeitswelterfahrungsjahr“ im Gebiet des geplanten Studiums benötigen. Ferner umfasst es Gelegenheitsjobs von Schülern an Abenden, Wochenenden oder in den Ferien und jede Erwerbstätigkeit, die nach der Sekundarstufe II, aber vor der Hochschulausbildung stattfindet.

Während des Studiums haben Studenten die Möglichkeit, auf fünf verschiedene Arten Berufserfahrung zu sammeln. Einerseits können Studenten einem Studentenjob nachgehen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren. Dieses ist so ausgelegt, dass Studenten ein Studium absolvieren und zugleich auf dem Fachgebiet arbeiten. Für diejenigen, die während des Semesters keine Zeit haben, einer Arbeit nachzugehen, bieten sich Praktika während der Semesterferien oder während eines Urlaubssemesters an. Diese können im Inland oder auch im Ausland stattfinden. In der Schweiz verbreitet ist die Freiwilligenarbeit bei Vereinen oder sonstigen Organisationen. Auch hier wird eine Art Berufserfahrung gesammelt, da Studenten beim Trainieren von Kindern oder der Organisation von Anlässen Humankapital akquirieren.

Arten von Berufserfahrung

Wie aus dieser Zusammenstellung hervorgeht, haben Hochschulabsolventen eine Vielzahl von Möglichkeiten, um Berufserfahrung zu sammeln. Nicht ausgeschlossen ist, dass Hochschulabsolventen aus verschiedenen Arten Berufserfahrung mitbringen können, was jedoch im Weiteren nicht berücksichtigt wird.

Welche Art von Berufserfahrung schätzen die Arbeitgeber bei Hochschulabsolventen?

Um zu untersuchen, ob die verschiedenen Arten von Berufserfahrung den Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtern und ob die Arbeitgeber jede Art als gleichwertig ansehen, verwenden Ursula Renold und Maria Esther Egg von der KOF die Daten aus der Erstbefragung der Hochschulabsolventen in den Jahren 2011 und 2013. Der Fokus liegt auf den Bachelor- und Masterabsolventen, die ihr Studium nicht fortgesetzt haben, sondern in den Arbeitsmarkt eingestiegen sind und nicht älter als 35 Jahre sind. Als Indikatoren für einen erfolgreichen Übertritt in den Arbeitsmarkt werden die Suchdauer, die Anzahl Bewerbungen, der Anstellungsstatus in einem Praktikum ein Jahr nach Abschluss und das Einkommen ein Jahr nach Abschluss verwendet. Die unabhängigen Variablen sind die verschiedenen Arten von Berufserfahrung: Berufslehre, Erwerbstätigkeit vor dem Studium, Studentenjob, berufsbegleitendes Studium, Praktikum im Inland, Praktikum im Ausland und Freiwilligenarbeit.

Von den Hochschulabsolventen haben 37% Berufserfahrung durch eine Berufslehre, 37% durch eine Erwerbstätigkeit vor dem Studium, 33% durch einen Studentenjob, 13% durch ein berufsbegleitendes Studium, 43% durch ein Praktikum im Inland, 10% durch ein Praktikum im Ausland und 41% durch Freiwilligenarbeit. Keine Berufserfahrung haben 8% der Absolventen.

Die Resultate zeigen, dass offenbar nicht alle Arten von Berufserfahrung einen positiven Einfluss auf den Arbeitsmarkteintritt haben. So wurden, unabhängig vom Indikator, keine signifikanten Effekte weder für die Berufserfahrung aus einem Praktikum im Ausland noch aus der Freiwilligenarbeit gefunden. Von den anderen Arten von Berufserfahrung hat das berufsbegleitende Studium den grössten Einfluss, gefolgt von der Berufslehre.

Die Vorstudie (KOF Analysen Nr. 4, 2016) wird in den kommenden Monaten vertieft und erweitert. Um hilfreiche Rat-schläge an die Politik zu formulieren, was wie geändert oder unterstützt werden sollte, ist es deshalb noch zu früh. Aus dem Bericht kann jedoch geschlossen werden, dass die Thematik «Berufserfahrung» ein lohnenswerter Untersuchungsgegenstand ist, wovon insbesondere Hochschulabsolventen profitieren würden.

Literatur

Egg, M. E. und Renold, U. (2015): Entwicklung der Reglementierung von 10 MEM-Berufen im Kontext von Bildungsreformen und dem Wandel in der Arbeitswelt, KOF Studies, 63, Zurich.

Koller, P. und Rüber, S. (2014): Von der Hochschule ins Berufsleben: Erste Ergebnisse der Hochschulabsolventenbefragung 2013. Neuenburg: Bundesamt für Statistik.

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