«Trumponomics» auf den Punkt gebracht: Die Renaissance des Keynesianismus

Seit dem überraschenden Ausgang der US-Wahlen besteht Unsicherheit darüber, was der gewählte Präsident Trump als Nächstes tun wird.  

Seine Politik beinhaltet eine stärker protektionistische Haltung bei Verhandlungen zu Handelsabkommen, die Einschränkung der Einwanderung, Steuersenkungen, Deregulierung der Finanzmärkte, ein verringertes Engagement des Staates in der Krankenversicherung, höhere Ausgaben für Infrastrukturmassnahmen und eine Energiepolitik, die mehr auf fossile Energieträger setzt. Eine Klärung, welche wirtschaftspolitischen Massnahmen er konkret umsetzen will, steht noch aus. Im Folgenden sind die wichtigsten Aspekte seiner wirtschaftspolitischen Agenda zusammengefasst.

Quelle: Shutterstock
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Keynesianische fiskalische Anreize:

Trumps Wahl zum Präsidenten fällt in eine Zeit, in der die wirtschaftliche Erholung seit dem Ende der Wirtschaftskrise an historischen Massstäben gemessen moderat ausfällt. Seit dem 2. Weltkrieg durchlief die USA verschiedene Wirtschaftszyklen. Das durchschnittliche Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) in den Wachstumsjahren vor 1990 betrug 4%. Während der Regierungen Clinton, Bush und Obama verringerte sich dieses Wachstum auf 3.5%, 2.7% bzw. ca. 2% (Quelle: Bureau of Economic Analysis [BEA]).

Das Versprechen Trumps, durch ein 1 Billion Dollar schweres Infrastrukturprogramm und Steuererleichterungen von 4,4 Billionen Dollar ein BIP-Wachstum von 3.5% zu erreichen, erscheint ambitioniert, zumal das Staatsdefizit nicht ausgeweitet werden soll. Die rückläufige Renditeentwicklung der US-Treasuries (ein Barometer der langfristigen Inflationserwartungen), die durch die jüngsten Bond-Verkäufe ausgelöst wurde, deutet darauf hin, dass die Finanzmärkte aufgrund einer aggressiven wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik erwarten, dass in Zukunft von einer Schuldenaufnahme und Ausgabe von Treasury Bonds auszugehen ist.

Die geplanten Steuersenkungen und höhere Staatsausgaben lassen erkennen, dass keynesianische fiskalische Anreize wieder «en vogue» sind. Die Wirksamkeit von keynesianischen Anreizen, die auf einer Ausbalancierung zwischen Inflation und realer Wirtschaftsleistung beruhen, wurden von den Nobelpreisträgern Lucas und Sargent (1979)[1] kritisiert. Diese argumentierten, dass – wenn eine Politik in der Vergangenheit nur mässigen Erfolg brachte – die wirtschaftlichen Akteure dieses Ergebnis antizipieren und ihre Reaktionen entsprechend anpassen. Dies wiederum würde die Wirkung der Massnahmen auf die reale Wirtschaftsleistung verringern.

Die umfangreichen Steuersenkungen (der Spitzensteuersatz auf Individualeinkommen soll von 39.6% auf 25% und der Unternehmenssteuersatz von 35% auf 15% sinken), verbunden mit enormen Staatsausgaben, werden die Konsumausgaben kurzfristig stützen. Ohne das potenzielle Steueraufkommen aus dem Wirtschaftswachstum, das durch die niedrigeren Steuersätze generiert wird, könnte das Staatsdefizit in den kommenden zehn Jahren um 10 Billionen Dollar ansteigen. Die höhere Kreditaufnahme führt in Zukunft unvermeidlich zu höheren Zinsen, dämpft die Konsumausgaben und die Investitionstätigkeit und neutralisiert somit die anfänglichen positiven Effekte. Darüber hinaus können die Unternehmen einen Teil des Geldes, das sie aufgrund der von Trump geplanten Steuerermässigung (Tax Holiday) für ausländische Einkünfte wieder ins Land holen, verwenden, um eigene Aktien zurückzukaufen oder Dividenden auszuschütten, anstatt Investitionen zu tätigen. Der Anteil der Investitionen am BIP ist seit der Wirtschaftskrise von seinem durchschnittlichen Nachkriegswert (vor der Wirtschaftskrise) von 17.4% auf 15.5% zurückgegangen. Im Sinne der Kritik von Lucas und Sargent könnte die Wirksamkeit der Trump'schen wachstumsorientierten Massnahmen von mikroökonomische Faktoren abhängen, wie z. B. von der Bereitschaft von Unternehmen, in neue Projekte zu investieren.

Handel:

Für eine Beurteilung der Handelspolitik von Donald Trump ist es noch zu früh. Er hat aber bereits angekündigt, aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) auszusteigen und es durch «faire bilaterale Handelsabkommen» zu ersetzen. Es bleibt abzuwarten, ob die von ihm angekündigte Neuverhandlung des NAFTA-Abkommens zwischen den USA, Mexiko und Kanada zur Erhebung  hoher Zölle auf Importe aus China und Mexiko führen wird. In der Vergangenheit hat er erklärt, er wolle Importe aus China mit Zöllen von 45% und aus Mexiko mit 35% belegen. Dies würde die Importe insgesamt um mindestens 14% verteuern und zu einer höheren Inflation führen. Da Einwanderer ohne Papiere in den USA 5.1% der Arbeitskräfte ausmachen, könnten die von Trump angekündigten Abschiebemassnahmen durch höhere Löhne und Gehälter ebenfalls zu einer steigenden Inflation führen.

Derzeit kommen die meisten US-Importe aus China (20.8%), gefolgt von Mexiko (13.5%) (Quelle: US Census Foreign Trade Statistics). Rund 80% aller mexikanischen Exporte gehen in die USA und machen die Wirtschaft Mexikos somit anfällig für eine protektionistische Politik. Die Anhebung der Zölle und mögliche Vergeltungsmassnahmen durch China könnten möglicherweise Handelskriege auslösen und einen De-Globalisierungsprozess in Gang setzen. Dies hätte weitreichende negative Konsequenzen, wie z. B. eine niedrigere globale Effizienz und ein Verlust an Wohlstand.

Obwohl die USA für die Schweiz ein Import- und ein Exportland sind (14% des Gesamtexports), wird die Trump'sche Handelspolitik aufgrund ihrer geringen Substituierbarkeit durch US-Produkte wahrscheinlich keine signifikanten direkten Auswirkungen auf die Schweizer Ausfuhren haben. Die Schwäche des Welthandels aufgrund der allgemeinen Abkühlung der Weltwirtschaft birgt für die Schweizer Exportwirtschaft jedoch gewisse Risiken.

Seit den US-Wahlen haben die Preise für Stahl und Kupfer aufgrund der Infrastrukturpläne von Trump deutlich angezogen. Aufgrund seiner Ankündigung, die im Niedergang befindliche Kohleindustrie wieder zu beleben, sind Preise für Kohle ebenfalls angestiegen. Der international tätige Kohlehändler Glencore dürfte von dieser Wende in der Energiepolitik profitieren. Sowohl der Anstieg der Metallpreise als auch die Wiederbelebung des Kohlehandels könnten sich positiv auf die Handelskomponente des Schweizer BIP auswirken.

Gesundheitswesen:

Ein Kernthema in Trumps Wahlkampagne war die Abschaffung des Affordable Care Act (auch als «Obamacare» bezeichnet). Da neue Gesetze zur Kontrolle der Medikamentenpreise nun eher unwahrscheinlich sind, könnte dies der Preismacht von Schweizer Pharmakonzernen zugutekommen. Der Nettoeffekt auf die Gewinne in der Pharmabranche ist jedoch unklar, da viele Menschen durch die Abschaffung von Obamacare ihre Krankenversicherung verlieren und somit an Kaufkraft für Medikamente einbüssen würden.

Regulierung der Finanzmärkte:

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Effekt der Regulierungspolitik von Trump auf die Finanzmärkte. Trump hat angekündigt, einige Kernelemente des Dodd-Frank Act (ein im Jahr 2010 verabschiedetes Gesetz, um die Wall Street sicherer zu machen) abzuschaffen, wie z. B. die «Volcker Rule», die Einlagenbanken am Eigenhandel hindert. Diese Deregulierungsmassnahmen in den USA werden vermutlich weitreichende Auswirkungen für Banken in der EU und der Schweiz haben. Der Basler Ausschuss wird bereits von europäischen Politikern gedrängt, die neuen Kapitalregeln für Banken abzumildern. Die europäischen Banken warten gespannt auf Basel IV. Aber es ist noch zu früh, um abzuschätzen, ob die Deregulierungspolitik von Trump den Basler Ausschuss oder die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA veranlassen wird, geringere Eigenkapitalanforderungen für Banken in Erwägung zu ziehen.

 

[1] Robert E. Lucas Jr. und Thomas J. Sargent (1979): «After Keynesian Macroeconomics», Federal Reserve Bank of Minneapolis, Quarterly Review, Vol. 3, Nr. 2, Seiten 1-16

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